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Momentan, also im Frühjahr 2025, wird die Zahl der Buddhisten in Europa auf drei Millionen geschätzt; davon leben ca. 125.000 in Deutschland, wenn man die eingewanderten Buddhisten nicht mitrechnet. Angesichts der Bevölkerungszahlen ist das ein Klacks, angesichts der Tatsache, dass noch vor 50 Jahren der Buddhismus den meisten – von Hessejüngern abgesehen – als etwas Fremdes, fernöstlich Unzugängliches erschien, eine erstaunliche Menge. Vermutlich ist dieser Erfolg darauf zurückzuführen, dass es sich um eine religionslose Religion handelt. Erstaunlich nur, dass es noch keinen schwunghaften Tourismus nach Kalmückien gibt, der einzigen mehrheitlich buddhistischen Region Europas.

Mithin taucht die Frage auf: Was ist eine religionslose Religion? Bevor ich darüber nachdenke, möchte ich ergänzen, dass es das Phänomen Buddhismus, von dem ich spreche, im eigentlichen Sinn gar nicht gibt; eher handelt es sich dabei um ein Mem als um ein Phänomen. Denken wir bei dem Wort „Religion“ nämlich an Kirchen, Tempel, Schreine, Amulette, Weihrauch, Statuen, Prozessionen, Glaubenskämpfe und sonstige Erniedrigungen des Heiligen, dann kann der traditionelle Buddhismus damit locker mithalten. Bevor allerdings der Buddhismus in die Hütten und Paläste Europas einziehen konnte, mussten die christlichen Gespenster erst einmal daraus vertrieben werden.

Das Verschwinden der Götter

Seit Bonifatius die Donar-Eiche um 700 n. Chr., vermutlich sogar von eigener Hand, wohl in der Nähe des hessischen Geismar fällte, ohne dass ihn der Donnergott niederstreckte, hat sich unser religiöses Empfinden sprunghaft geändert. Der Gott, mit dessen Namen unser Donnerstag zusammenhängt, war der Gewitter- und Wettergott der Germanen, also eine Kraft, welche die Fruchtbarkeit der Erde aufrechterhielt. Diese Verbindung von Himmel und Erde, so bewies Bonifatius, brauchen wir nicht mehr; mit Bonifatius’ Untat wurde die spirituelle Verbindung des Menschen mit den Naturgewalten Geschichte. Bis es endgültig so weit war, dauerte es aber noch ein paar hundert Jahre. Zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert war die Christianisierung Europas vom Atlantik bis zum Ural weitgehend abgeschlossen, wenn man einmal von den tapferen Litauern absieht, die erst Ende des 14. Jahrhunderts ans Christenkreuz geschlagen wurden.

Die Einkerkerung Gottes

Wo die Germanen noch das Göttliche in der Natur erkannt hatten, waren seitdem die biblischen Buchstaben zum Gefäß des Heiligen geworden, über das die Mönche wachten und das keinem Profanen mehr zugänglich sein sollte. Man hatte es deshalb nicht nur in die Buchstaben eingekerkert, sondern zusätzlich in die lateinische Sprache, die kaum jemand beherrschte. Damit war das Göttliche außen vor, und die ganz normale Demut des Menschen vor etwas Größerem, Mehr-als-Menschlichem hatte sich in Unterwerfung gewandelt. Bis Luther auftrumpfte und ein bisschen mehr Freiheit schaffte (wie z. B. eigene Auslegung der nunmehr ins Deutsche übersetzten Bibel, Abschaffung der Ablassbriefe und der päpstlichen Autorität, Wahl der Bischöfe von unten). Doch mit den protestantischen Liberalisierungen ging eine Vergötzung der Bibel einher, deren Worte (obwohl von Luther bei seiner Schnellübersetzung des Neuen Testaments innerhalb eines Jahres Flüchtigkeiten zwangsläufig waren) Heiligen-Status erreichten; und dies, obwohl spätestens seit dem 16. Jahrhundert und dem Wissen um den Codex Vaticanus klar war, dass die Bibel keine Niederschrift des Wortes Gottes war, sondern das Ergebnis eines historischen Prozesses.

Nichts wie weg!

Der Protestantismus war aber nicht nur mit einer religiösen Liberalisierung verbunden, er „reinigte“ das Christentum auch von seinem mystischen Beiwerk. Zwar akzeptierte Luther noch die Jungfrauengeburt Mariens, doch schon die Reformatoren Zwingli und Calvin lehnten sie ab. Heidnisch anmutende Praktiken im Katholizismus wie das Räuchern (die Gebete steigen mit dem Rauch zu Gott), die Taufe als Sakrament (geweihtes Wasser reinigt ein Baby von allen Sünden des Menschseins) oder die magische Verwandlung einer Hostie in den Leib Christi während einer katholische Messe wurden aufgegeben. Mystik als innere Gotteserfahrung jenseits des biblischen Worts löste sich in Luft auf. Übrig blieb – von den zahlenmäßig unerheblichen Pietisten, Quäkern und Herrnhutern einmal abgesehen – eine rationale Religion, aber immer noch eine mit eiferndem Wahrheitsanspruch.

Um dem ein für alle Mal ein Ende zu setzen, verkündete der Vatikan 1870 – Trara! – das Dogma der (theologischen) Unfehlbarkeit des Papstes. Damit war nicht nur festgelegt, dass alle anderen Religionen fehlbar waren, es bedeutete auch, dass eine eigene Meinung in Glaubensfragen dem Katholiken offiziell nicht mehr gestattet war – und dies ausgerechnet in einer Zeit, in der sich die bürgerliche Gesellschaft etablierte und wissenschaftliches Denken religiöse Wahrheitsansprüche längst in ihre Schranken wies. Schon in der Französischen Revolution war die Trennung von Kirche und Staat gefordert worden (konsequent umgesetzt wurde die Laizität in Frankreich allerdings erst 1905). Waren die Kirchenaustritte im 19. Jahrhundert noch ein Rinnsal, so wurden sie im 21. Jahrhundert ein kirchengefährdender Strom: Im Jahr 2019 traten über 500.000 Menschen aus der katholischen und evangelischen Kirche aus – nichts wie weg. Und ungezählt sind die Millionen, die sich zu einem registrierbaren Kirchenaustritt noch nicht entschlossen, aber mit ihren Konfessionen nichts mehr am Hut haben.

Raum für Neues

Mit anderen Worten: Die Menschen hatten und haben die Nase voll von der spirituellen Bevormundung. Der so geöffnete Raum religiöser Erfahrung lud regelrecht zur Neubesetzung ein. Von Jean Paul Sartre stammt in diesem Zusammenhang der Satz: „Ist einmal die Freiheit in einer Menschenseele erwacht, dann vermögen die Götter nichts mehr gegen diesen Menschen.“

Als Erster sprang der persische Adlige Bahá’u’lláh in die Bresche und gründete die Bahai-Religion. Trotz schwerer Verfolgungen im Iran konnten die Bahais weltweit viele Anhänger gewinnen (bis heute ca. 200 Millionen; Deutschland ca. 6.000, Österreich ca. 1.300, Schweiz ca. 1.100). Der Erfolg war kein Wunder, denn die fundamentalen Grundsätze der Bahais hoben (und heben) sich von allen anderen Religionen spektakulär ab:

– alle großen Religionen sind Teil einer fortschreitenden Offenbarung
– alle Menschen sind gleich und sollen friedlich zusammenleben
– Männer und Frauen sollen gleichberechtigt sein
– Wissenschaft und Religion sind vereinbar
– eine vereinte und gerechte Weltordnung ist anzustreben

Eine noch breitere spirituelle Basis bietet der Buddhismus westlicher Prägung (bereinigt von den Riten der asiatischen Volksreligion). Anders als alle anderen Religionen legt er den Menschen nicht neue Formen der äußeren oder inneren Unterdrückung bzw. neues Leid auf, sondern verbreitet in seinen Lehren die mögliche Befreiung von allem Leid. Doch nicht nur dies: Zwar gibt es auch im (östlichen) Buddhismus Götter, aber keinen zentralen Schöpfergott mehr wie im Judentum, Christentum oder Islam. Die buddhistischen Devas (Götter) unterliegen wie alle Wesen dem Kreislauf der Wiedergeburt, können sich irren und sind nicht zwangsläufig erleuchtet.

Das ideale Ziel der spirituellen Entwicklung, die Erleuchtung, erreicht der Buddhist nicht, indem er von oben verordnete Regeln und Rituale befolgt, sondern indem er einen eigenen, inneren Weg geht. Damit bietet sich der Buddhismus als eine religiöse Orientierung für all jene an, die auch in anderen Religionen darauf beharrt hatten (und deshalb höchst unbeliebt waren), dass man mit Gott nur durch einen Weg nach innen in Kontakt kommen könne: so die christlichen Wüstenväter und Wüstenmütter Ägyptens im 3. und 4. Jahrhundert oder berühmte christliche MystikerInnen wie Hildegard von Bingen, Meister Eckhart, Johannes Tauler, Theresa von Ávila, Johannes vom Kreuz, Jakob Böhme oder die „modernen“ Simone Weil, Thomas Merton, Pierre Teilhard de Chardin und Willis Jäger, Benediktiner und 87. Nachfolger von Buddha Shakyamuni. Auch die moslemischen Sufisten strebten (und streben) nach einer direkten, inneren Gotteserfahrung jenseits formaler Rituale. Die bei uns berühmtesten Sufi-Dichter sind Dschalāl ad-Dīn Muhammad Rūmī (bei uns meist nur „Rumi“ genannt) und Hafis, von dem schon Goethe schwärmte.

Millionen machen sich auf einen inneren Weg

Ein bedeutender Wegbereiter des Buddhismus im Westen war der 1898 geborene Ernst Lothar Hoffmann, der spätere Lama Anagarika Govinda, von dem Indira Gandhi Französisch lernte. Er gründete 1933 den international agierenden Orden Arya Maitreya Mandala, dessen Schirmherrschaft der König von Sikkim übernahm, ab 1935 war er Generalsekretär der „International Buddhist University Association“. Govinda führte auf zahlreichen Vortragsreisen in den Buddhismus ein, nicht nur in Deutschland, sondern auch u. a. in den USA, Kanada, Mexiko oder auf den Philippinen. Er starb 1985 in Kalifornien.

Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang die zweimonatige Reise der Beatles 1968 nach Rishikesh in Indien, um die Transzendentale Meditation zu erlernen. Die dabei entstandenen Songs wie „Magical Mystery Tour“, „The Fool On The Hill“ oder „Hello, Goodbye“ wurden ebenso Hits wie der Fernsehfilm Magical Mystery Tour. Der gleichnamige Song war mehrere Wochen in den USA und England in den Top-Charts.

Welche aufregenden Wege die neue spirituelle Öffnung gehen kann, dafür ist der Rupert Lay ein gutes Beispiel, der sich unmittelbar nach dem Abitur dem Jesuiten-Orden anschloss und 1960 zum Priester geweiht wurde. Nachdem er sich mit theoretischer Physik, Philosophie und Psychologie beschäftigt hatte, promovierte er über die sogenannten Transzententalien, also Begriffen wie „das Sein“, „die Einheit“, „die Wahrheit“ oder „die Gutheit“. Damit war die geistige Öffnung erreicht, die ihm schlussendlich ein Schreibverbot des Vatikans eintrug – an das er sich nicht hielt. Lay sprach nicht mehr von Gott, sondern vom Göttlichen und von einer „gotthaltigen“ Welt.

Ein anderes beredtes Beispiel ist die Jüdin Ilse Ledermann, die als buddhistische Nonne Ayya Khema bekannt wurde. Nach einer Fluchtgeschichte von Berlin über Glasgow, Shanghai und San Diego und einer vorübergehenden Tätigkeit als Buchhalterin lebte sie mit ihrem Mann in einer spirituellen Gemeinschaft in Mexiko. Nach intensiven Meditationserfahrungen und Umwegen über Australien wurde sie Novizin des buddhistischen Theravada-Ordens in Sri Lanka. 1989 kehrte sie nach Deutschland zurück. Auf ihre Initiative hin entstand schließlich 1997 Metta Vihara, der „Aufenthaltsort der Liebenden Güte“. Er wurde zum Sitz des von ihr  im gleichen Jahr gegründeten Ordens der westlichen Waldklostertradition.

Welchen Sog die fernöstliche Spiritualität entwickelte, zeigte die Bhagwan-Bewegung in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, als Hundertausende sich auf den Weg nach Indien machten, um die Lehren des spirituellen, buddhismusnahen Philosophen Bhagwan Shree Rajneesh, später bekannt als Osho, zu hören. Weniger skandalträchtig als Bhagwan, der von der BILD-Zeitung wegen seiner freimütigen Haltung zum Sex-Guru ernannt wurde, war der vietnamesische Mönch Thich Nhat Hanh [sprich: Tik Natan]. Im gelang nicht nur eine für den Westen verständliche Formulierung buddhistischen Lebens; ihm gelang es auch, den neu im Westen aufkeimenden Ökologiegedanken spirituell einzuweben.

Thich Nhat Hanh

Sein entscheidender und inzwischen weithin anerkannter Begriff dafür ist „Interbeing“, die Verwobenheit allen Seins, die ökologische, soziale und spirituelle Verbundenheit aller Wesen und Dinge. Ein typisches Beispiel seines Denkens ist die Meditation über Papier, das weit mehr sei als ein flaches, dünnes, beschreibbares Ding, sondern etwas, das den Regen, die Sonne, den Baum, den Holzfäller und viele andere Elemente, die zu seiner Entstehung beigetragen haben, in sich trägt. Thich Nhat Hanh verstarb 2022 im Alter von 96 Jahren. Zuvor hatte er über 100 Bücher geschrieben, die weltweit in über 40 Sprachen übersetzt wurden und Millionen von Menschen erreichten. Er war Gründer des spirituellen Zentrums Plum Village Frankreich, das jährlich viele tausend Besucher anzieht. Vergleichbare Zentren wurden in über 50 Ländern gegründet, so in Deutschland das Intersein-Zentrum im Bayerischen Wald.

Die einen malen den Teufel an die Wand, die anderen fühlen sich happy und high

Von Bobby Langer

Buchinger war der Durchbruch. Mit der Selbstheilung des Doktors hat regelmäßiges Fasten auch in Deutschland immer mehr Freunde gefunden: für die einen eine willkommene Herausforderung, für anderen der Gewinn eines neuen Lebensgefühls, für viele spirituelle Praxis.

Einst raunte der Lübecker Privatdozent Dr. med. Ulrich Schweiger: „Bereits kurzes Fasten ist riskant, sowohl körperlich als auch seelisch.“ Diese negative Haltung der Schulmedizin hat sich in den letzten Jahren gürndlich geändert hin zum Positiven. Die WDR-Sendung Quarks fasst kompakt zusammen: „Risikolos trotz möglicher Nebenwirkungen.“ Weiterlesen

Ist Kaffee ungesund?

„Schwarz wie den Teufel“, so wollte der französische Diplomat Talleyrand seinen Kaffee. Das hatte er mit seinem Feind Napoleon gemeinsam, der sagte, „schwarzer Kaffee, und zwar reichlich davon, weckt mich auf. Er gibt mir Wärme, eine ungewohnte Kraft, einen Schmerz, der nicht ohne Lustgefühl ist“. Friedrich der Große bekämpfte den Kaffee eine Weile als Gift für die preußische Wirtschaft, gab sich aber schließlich geschlagen und ließ sich den Kaffee häufig mit Champagner anstatt mit Wasser zubereiten. Voltaire soll bis zu fünfzig Tassen am Tag getrunken haben, ohne daran zu sterben. Woraus man als kleinsten gemeinsamen Nenner schließen mag, dass Kaffee nicht giftig ist – wenigstens damals. Weiterlesen

In diesem dritten Teil geht es darum, dass wir lernen, innerhalb der planetaren Grenzen zu leben.

Teil 3 von Daniel Christian Wahl

Teil 1

Teil 2

In diesem zweiten Teil der Reihe geht es um den sogenannten Earth Overshoot Day, den Tag im Jahr, an dem wir dem Ökosystem mehr entnommen haben, als dieses natürlicherweise regenerieren kann.

Teil 2 von Daniel Christian Wahl

Teil 1

Teil 3

Krankheiten vermeiden? Besser Gesundheit kreieren. Umweltschäden reparieren? Besser ökologische Systeme schaffen, die sich selbst am Leben halten und regulieren können. Gesellschaftliche Brüche kitten? Besser aktiv Gemeinschaften organisieren, die die psychosoziale Gesundheit und das Wohlergehen einer möglichst großen Anzahl von Menschen dauerhaft gewährleisten. Unser politischer Diskurs ist zu sehr darauf fixiert, allgegenwärtige Verschlimmerungen aufzuhalten, abzumildern und im besten Fall rückgängig zu machen. So bleiben wir auf das Negative und dessen „Bekämpfung“ fixiert. Ins Positive gewendet, sollten ökologische und soziale Systeme mit einem hohen Grad an Resilienz geschaffen werden — weniger abhängig von andauernder menschlicher Korrektur, selbstreparierend, nachhaltig. Wie das funktionieren könnte, zeigt der Autor in seiner dreiteiligen Serie auf.

Teil 1 von Daniel Christian Wahl

Teil 2

Teil 3

von Dipl.-Ing. agr. Ulrike B. Rapp

Es klingt wie die Erfüllung eines ewigen Gärtnertraums: immer größeres und besseres Gemüse ernten, ohne Mehraufwand an Arbeit und ohne Düngung. Auf einer Kompostanlage in Griechenland ist dieses Phänomen aufgetreten. Es wird seit 20 Jahren von Fachleuten untersucht und ist nun reif für die breite Anwendung in der Praxis.

Die Geschichte beginnt mit dem Material einiger Kompostmieten, das im Jahr 2003 nicht in Säcke verpackt und verschickt werden konnte. Der Betreiber der Anlage ist Dr. Johannes Eisenbach, ein deutscher Landwirt und qualifizierter Agrarökonom, der sich seit den 90-er Jahren in Kalamata dem Olivenanbau widmet. Um die Bodenfruchtbarkeit in den Olivenhainen zu erhalten, hatte er begonnen, die Verarbeitungsrückstände nach dem Pressen des Olivenöls zu kompostieren, um sie seinem Agrarökosystem zurückzugeben. Der Kompost auf den 2003 liegengebliebenen Hügeln wurde nun so reif, dass sich darauf durch Flugsamen verbreitete Pflänzchen ansiedeln konnten. „Dann bauen wir jetzt eben Gemüse darauf an“, war die Folgerung des passionierten Agrarökonomen und so entstanden in der Kompostanlage Hügelbeete aus reinem, reifem Kompost. Jeder Gärtner weiß: Organische Substanz reduziert im Kompostierungsprozess ihr Volumen, und auch später im Gartenbeet oder auf dem Acker baut sich der Kompost langsam wieder ab.  Doch auf der Kompostierungsanlage in Kalamata kam es in den Folgejahren des Gemüsesanbaus zu einer erstaunlichen Entdeckung: Die Komposthügelbeete verringerten ihre Masse nicht mehr und das Gemüse gedieh immer prächtiger. Eine 3 Kilogramm schwere, riesige Rote Beete versetzte die erfahrene Köchin der Kantine des Unternehmens in völliges Erstaunen: Solch eine wunderbar zarte Konsistenz und solchen hervorragenden Geschmack hatte sie bei dieser Größe niemals erwartet. Bei der Untersuchung des Substrats der Hügelbeete mit Feldmethoden stellte Dr. Eisenbach sodann fest, dass auch die Textur des Bodenmaterials nicht mehr der des gewöhnlichen Komposts entsprach; stattdessen war es nun ein erdiges Substrat. Das war der Beginn einer bewegenden Reise zur wissenschaftlichen Erklärung dieser fast unglaublichen Entdeckung, einer neuartigen Form stabiler, organischer Substanz mit außergewöhnlicher Düngewirkung, die später den Namen „Biozyklische Humuserde“ erhielt.

Humusaufbau in der Natur

Stabile, organische Substanz im Boden wird gewöhnlich als Dauerhumus bezeichnet. Dieser ist für die nachhaltige Fruchtbarkeit der Böden verantwortlich und entsteht normalerweise in Jahrtausenden vor allem in den Böden unter natürlichen Wäldern.  Naturbelassene Wälder sind oft sehr artenreich und es erstaunt, dass all die verschiedenen Pflanzen, trotz ihrer unterschiedlichen Nährstoffansprüche auf demselben Boden gedeihen. Dies deutet auf eine in jüngster Zeit mehr und mehr in den Fokus wissenschaftlicher Studien rückende Beobachtung hin. Pflanzen nehmen nicht nur passiv die im Bodenwasser gelösten Nährstoffe auf (wie in einer Hydrokultur), sondern kommunizieren aktiv mit den Mikroorganismen in der unmittelbaren Nähe ihrer Wurzeln, der Rhizzosphäre. Sie bilden Symbiosen v.a. mit Bakterien und Pilzen, indem sie sie mit energiehaltigen Zuckerverbindungen „füttern“ und dafür von ihnen mit verschiedensten Formen auch hochmolekularer Nähstoffverbindungen versorgt werden. Über diese unglaublich komplexen Vorgänge zwischen Mikroorganismen und Pflanzen im Boden ist bisher noch wenig bekannt. Die Beobachtung aber, dass die Mikrobenkonzentration in der Rhizzosphäre (unmittelbare Umgebung der Wurzel) der Pflanzen im Vergleich zum umliegenden Boden um das 5- bis 50-fache erhöht ist, weist auf die enorme Bedeutung dieser Prozesse hin.  Die Belebung des Bodens durch die Pflanzen – sozusagen im Kreislauf des Lebens, (oder Biozyklus, von bios (gr.) = Leben, und kyklos (gr.) = Kreislauf) – ist als der wesentliche Prozess für die Bodenbildung und damit dem Aufbau von Dauerhumus unter natürlichen Bedingungen anerkannt.

Auf dem Komposthügel mit Gemüseanbau

Anders als in natürlichen Ökosystemen mit ihren meist nährstoffarmen Böden, laufen nun diese prinzipiell gleichen Prozesse auf den nährstoffreichen Komposthügeln ab, die mit Gemüse bepflanzt werden. In reifem Kompost liegen die Nährstoffe jedoch in anderer Form vor als in einem gewöhnlichen Gemüsebeet oder einem Acker, der beispielsweise mit Mist gedüngt ist. In diesen „normalen“ Beeten und Äckern findet sich, eben aufgrund der damit verbundenen Düngepraxis, eine beträchtliche Menge der Nährstoffe frei verfügbar im Wasser des Bodens (Nährsalze in der Bodenlösung) gelöst und wird von den Pflanzen wie in der Hydrokultur durch Osmose aufgenommen. Im reifen Kompost hingegen sind die reichlich vorhandenen Nährstoffe fest in den organischen Strukturen gebunden. Eben dies veranlasst die Gemüsepflanzen, den oben beschriebenen Prozess, in der aktuellen Fachliteratur als „Kohlenstoffpumpe“ bezeichnet, einzusetzen. Die australische Wissenschaftlerin Christine Jones hat herausgefunden, dass die Pflanzen bis zu 50 % der von ihnen in der Photosynthese produzierten Zucker (= kurzkettige Kohlenstoffverbindungen) über ihre Feinwurzeln an den Boden abgeben. Diese „Energiepakete“ werden von Bakterien und Pilzen im Kompostbeet zerlegt, und die Pflanze kann im Gegenzug deren „Produkte“ aufnehmen und sich davon ernähren.

Struktur der Biozyklischen Humuserde

Als Nebenprodukt dieser Symbiose reichern sich im Boden im Verlauf der Zeit die „Reste der Energiepakete“ an, die von den Mikroorganismen nicht weiter verwertet werden können. Das sind niedermolekulare Kohlenstoffverbindungen, die man als „Krümel“ bezeichnen könnte. Da Kohlenstoff bekanntermaßen die Fähigkeit besitzt, sehr stabile, kristalline Strukturen (wie Diamant oder Graphit) zu bilden, kann nun aus diesen Reststücken eine besondere, amorphe oder vermutlich sogar vorkristalline Kohlenstoffstruktur entstehen. Diese sind es, die das erdähnliche Substrat, das Dr. Eisenbach nach einigen Jahren auf den bepflanzten ehemaligen Komposthügeln fand, zu biozyklischer Humuserde mit bisher unbekannten Eigenschaften macht.

Bemerkenswert ist, dass es sich hierbei um einen autodynamischen oder sich selbst verstärkenden Prozess handelt, denn diese amorphen oder vorkristallinen Strukturen im Boden bilden den idealen Lebensraum für die Mikroorganismen selbst. Sie zeichnen sich durch kleine Zwischenräume (Poren) aus, in denen sich die Feuchtigkeit hält, wie auch durch größere, in denen die Luft zirkulieren kann, d. h. der Boden kann „atmen“. Die Pflanzen pumpen also fortwährend Kohlenstoff in den Boden, leben in Symbiose mit ihren Mikrobengemeinschaften, und aus den Reststoffen formt sich immer neuer Lebensraum für diese. So erklärt sich nach bisherigem Forschungsstand ein kontinuierliches Wachstum des lokalen Bodenmikrobioms und damit die in der Praxis beobachteten stetig steigenden Ernteerträge, sowie die außergewöhnliche Qualität der Lebensmittel. Die eindrucksvollen Ertragssteigerungen konnten bisher schon in zwei Experimenten an den Universitäten Athen¹ und Berlin² wissenschaftlich bestätigt und im Rahmen von Masterarbeiten publiziert werden.

Biozyklische Humuserde

*ENTSTEHUNG: durch mehrjährige Bepflanzung der Hügel des vollreifen Komposts. (= PCS, siehe Erklärung im Textfeld unten) mit möglichst vielfältigen Mischkulturen, nach dem Vorbild der Natur. So entsteht aus PCS die biozyklische Humuserde in für die Veredelung biozyklischer Humuserde zertifizierten Gemüsebaubetrieben.

* EIGENSCHAFTEN:
– keine Auswaschung von Nährstoffen
-voll pflanzenverträglich in allen Entwicklungsstadien
– unerwartet hohe Ernten, von Jahr zu Jahr steigend, wenn die Kulturpflanzen auf reiner Humuserde ohne Bodenzusätze und unter Verzicht jeglichen wasserlöslichen Düngers angebaut werden

Die Qualität der Lebensmittel in der weltweiten Bodenkrise

Diverse Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Gehalt unserer Lebensmittel an lebenswichtigen Mineralien und Spurenelementen seit Jahrzehnten kontinuierlich sinkt. Neben anderen Faktoren kann dies den Anstieg verschiedenster in den letzten Jahren zunehmender Erkrankungen zumindest teilweise erklären. Die australische Bodenbiologin Dr. Christine Jones führt den Nährstoffverlust in Lebensmitteln auch auf den schlechten Zustand der Böden zurück, auf denen diese Lebensmittel produziert werden. Weltweit haben landwirtschaftliche Flächen durch den Einsatz von Agrarchemikalien bereits 30-70% des Kohlenstoffgehalts und damit einen beträchtlichen Anteil des Humusgehalts und des Bodenlebens verloren.

Es versteht sich von selbst, dass Lebensmittel, die auf biozyklischer Humuserde angebaut werden, von unvergleichlich besserer Qualität sind.  Auf der von intensivsten Lebensprozessen so erfüllten, biozyklischen Erde wachsen biotisch einzigartige Nahrungsmittel von höchstem Wert für die menschliche Gesundheit.

Verbreitung der Biozyklischen Humuserde

Seit einigen Jahren arbeitet das Team um Dr. Eisenbach kontinuierlich daran, die Rahmenbedingungen für die weltweite Verfügbarkeit von Biozyklischer Humuserde zu schaffen. „Es war eine große Herausforderung, eine Organisation aufzubauen, die sowohl die Beschaffung der für die Steigerung der Produktion von PCS erforderlichen Mittel verwaltet als auch den Produktionsprozess in allen Schritten überwacht und dokumentiert“, erklärt Dr. Eisenbach.  PCS (Phytoponic Compost Substrate, von phytho (gr.)= Pflanze, und ponos (gr.) =Arbeit, Mühe) ist vollreifer Kompost rein pflanzlicher Herkunft und nach bisherigen Erkenntnissen unabdingbar als Ausgangsmaterial für die Entstehung von Biozyklischer Humuserde.

Der anfängliche Kompostierungsprozess wird nach streng definierten Parametern gesteuert; es müssen unter anderem Temperatur, Feuchtigkeit und CO2 Gehalt ständig überwacht werden, damit der Kompost zum richtigen Zeitpunkt gewendet werden kann. Beim Wenden wird die Kompostmiete sozusagen belüftet, damit die Mikroorganismen nach dem Vorbild der Natur zu jedem Zeitpunkt genügend Sauerstoff für ihre Arbeit zur Verfügung haben. Ein solch komplexes Verfahren kann in der Regel am besten in professionellen Kompostierungsanlagen gewährleistet werden, in denen zusätzlich die Verbleibdauer des Kompostes bis zur Vollreife verlängert ist. Die erforderlichen, finanziellen Mittel dafür bereitzustellen, ist das Ziel der Bemühungen von Dr. Eisenbachs Team. Anschließend soll in zertifizierten gärtnerischen Betrieben die Bepflanzung mit Mischkulturen erfolgen, mittels derer dann der vollreife Kompost (PCS) in bis zu 5 Jahren zur Biozyklischen Humuserde „veredelt“ wird. Es könnte einen interessante Alternative für viele Betriebe sein, da ihnen das PCS unentgeltlich für die Dauer der Veredelung zur Verfügung gestellt wird. Das darauf geerntete Gemüse können sie selbständig vermarkten, wobei die Einhaltung der biozyklisch-veganen Richtlinien, genau wie bei anderen biologischen Anbauverbänden, jährlich kontrolliert wird. Wenn der Veredelungsprozess abgeschlossen ist, wird zusammen mit den an der Schaffung der finanziellen Grundlagen für die Entstehung der Biozyklischen Humuserde Beteiligten über die weitere Verwendung entschieden, Einzelheiten dazu sind im Terra-Plena-Fonds geregelt. Natürlich kann die veredelte Humuserde dann auch in landwirtschaftlichen Betrieben genutzt werden.

Phythoponisches Compost Substrate (PCS) ≈ vollreifer Kompost

*ENTSTEHUNG: aus überwachtem und gesteuertem Kompostierungsprozess aus rein pflanzlichen Ausgangsmaterialien auf einer Kompostanlage oder einem spezialisierten land- oder gartenbaulichen Betrieb entsteht reifer Kompost. Dieser wird weiter in der Miete gelagert bis er sich auf natürliche Weise begrünt und so zur Vollreife kommt.

*EIGENSCHAFTEN:
– es kann zur Auswaschung sehr geringer Nährstoffmengen kommen
– voll pflanzenverträglich, muss für Bepflanzung nicht mit Erde vermischt werden
– gute Erträge

Der Terra-Plena-Fonds

Als finanzieller Mechanismus, der die weltweite Verbreitung Biozyklischer Humuserde ermöglichen soll, wurde der Terra-Plena-Fonds geschaffen. Investoren werden hier zu „Bodenkuratoren“, die mitwirken an der Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und damit der Sicherung der Welternährung. Eine Wertsteigerung der Fondsanteile ist zunächst mit der steigenden Nachfrage nach fruchtbarer Erde zu erwarten. Auch sollen in Zukunft CO2-Zertifikate auf die Entstehung Biozyklischer Humuserde ausgestellt werden. Es wurde errechnet, dass die Erzeugung von 2,5 Tonnen Biozyklischer Humuserde auf zertifizierten Veredelungsflächen etwa 1 Tonne CO2-Äquivalente bindet. Des Weiteren ist geplant, eine naturwertbasierte dezentrale „Fruchtbarkeitswährung“ terra libra bereitzustellen, die auf einem Blockchain-basierten Marktplatz verfügbar ist. Eine elektronische Währung, die sich durch einen stabilen, natürlichen Wert auszeichnet und mit der gesunde, schmackhafte und biologisch nährstoffreiche Lebensmittel angebaut und erworben werden können, ist eine absolut neuartige Möglichkeit der Zukunftssicherung.

Vielfältige Mitwirkungsmöglichkeiten

Wir leben in Zeiten, in denen die menschliche Gesundheit besonders bedroht scheint und der Zusammenhang mit der belasteten Umwelt sowie der Zerstörung insbesondere der Bodenfruchtbarkeit nahezu allseitig anerkannt ist. Umso wichtiger wird es, natürliche, im Kreislauf des Lebens entstandene, fruchtbare Erde als universelle Existenzgrundlage zu erkennen, ihren Wert zu schätzen und zu fördern. Bleibt zu wünschen, dass die Entdeckung auf den Komposthügeln von Kalamata, im Zusammenwirken interessierter Personen und Organisationen möglichst schnell dazu beitragen kann, Gartenbau und Landwirtschaft zu einer lebensfördernden Praxis zu transformieren.

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¹Eisenbach L.D. et al. (2018): Effect of Biocyclic Humus Soil on Yield and Quality Parameters of Sweet Potato (Ipomoea batatas L.). Scientific Papers. Series A. Agronomy, Vol. LXI, No. 1, 2018. S.210-217

²Schubert, Anna: Masterarbeit an der Humboldt-Universität Berlin, März 2023, Stickstoffdüngewirkung veganer organischer Reststoffe durch einen Gefäßversuch mit Deutschem Weidelgras (Lolium perenne L.)

Auch Sie können zur Entstehung von mehr Biozyklischer Humuserde beitragen, sei es in Ihrem privaten oder gewerblichen Garten, auf einem landwirtschaftlichen Betrieb oder als Bodenkurator mit Ihrer Investition in den Terra-Plena-Fonds, vielleicht haben Sie auch persönliche Verbindungen, Kenntnisse und Fähigkeiten, die das Projekt weiterbringen können.

Bitte kontaktieren Sie Frau Dipl.-Ing. agr. Ulrike B. Rapp, E-Mail: ulrikebrapp@gmail.com

 

 

Von Bobby Langer

Philip aus Sachsen-Anhalt betreibt mit seiner englischen Geschäftspartnerin Becky eine Kombination aus Bäckerei und Café im Zentrum von San Marcos La Laguna am Lago Atitlan, dem zweitgrößten See Guatemalas. Philip ist seit sechs Jahren dauerhaft im Land und kann über die Lebenssituation in diesem mittelamerikanischen Land gut Auskunft geben.

300 statt 1200 Euro

„Die meisten Leute in Mitteleuropa“, sagt er, „stellen sich Guatemala viel unterentwickelter vor, als es tatsächlich ist. Dabei kann man in diesem Land wunderbar Fuß fassen und leben. Und die meisten Menschen hier, überwiegend Indigene, sind freundlich und entgegenkommend. Natürlich sollte man bereit sein, Spanisch zu lernen.“

„Erst vor zwei Tagen“, berichtet er, „hatte ich Kontakt mit einer Wienerin, die sich mit dem Gedanken trägt auszuwandern. Allein für ihre Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in der österreichischen Hauptstadt zahlt sie 1200 Euro kalt. Hier in Guatemala würde sie Probleme haben, eine Wohnung für 600 Euro zu finden, denn solche Luxusapartments gibt’s nicht viele. Dafür könnte sie direkt am See leben und unter Umständen, die es in Europa so kaum gibt. Natürlich bekommst du auch für 300 Euro schon was Passables.“ Und, ergänzt er, wer bereit sei, unter indigenen-nahen Umständen zu leben, komme auch mit 200 Euro klar. Umgekehrt könne man hier, „entsprechende Kohle vorausgesetzt“, besser leben als zu Hause. Als Extrembeispiel nennt Philip die Casa Floresta. Die könne sich jeder selbst im Internet anschauen.

Alles hat zwei Seiten

Da ist also diese paradiesische Seite von Guatemala. „Wenn du allerdings krank bist“, ergänzt er nüchtern, „solltest du dir die Umstände klarmachen, mit denen du hier rechnen musst.“ Hier im Ort gebe es die Maya-Klinik, in der naturheilkundlich alles behandelt wird, was „normale“ Krankheiten angeht. „Alle Arzneien dort bauen sie in eigenen Gärten an. Außerdem gibt es ein paar Chiropraktiker aus den USA.“

Wer ein Krankenhaus, zum Beispiel für chirurgische Eingriffe, benötigt, der muss nach Panajachel über den See (mit dem Boot ca. 30 Minuten; zwar kämen die Boote oft, aber nach keinem Fahrplan und bei zu hohem Wellengang auch mal gar nicht), nach Xela (78 km/2 h) oder Antigua (135 km/3,5 h). Oder natürlich nach Guatemala City, noch ein kleines Stück weiter, wo es dann alles gebe, was ein europäisches Herz begehrt. „Aber schon in Xela“, erzählt Philip, „haben sie eine gute Ultraschallausrüstung. Das weiß ich, weil wir sie kürzlich selbst genutzt haben, weil meine Freundin schwanger ist.“ Hier könne man allerdings nicht bis zur letzten Minute warten wie in Deutschland, wo in 15 Minuten ein Krankenwagen zur Stelle ist. „Definitiv“, findet Philip, „brauchst du hier ein Stück mehr gesunden Menschenverstand, aber dann hat man keine großen Probleme.“

Für Arbeitnehmer wie für Unternehmer gebe es eine kostenlose staatliche Krankenversicherung, die IGGS, die empfiehlt er allerdings nur für die Erstversorgung. Wer auch immer sich hier ansiedelt, von dem wünscht sich der Staat den Abschluss einer solchen Versicherung. In Krankenhäuser dieser Versicherungsstufe will man allerdings nur zur Not. Man kann sich hier auch privat versichern und hat dann einen 24-Stunden-Service. Voraussetzung dafür ist ein eigenes Bankkonto. Die Kosten beginnen bei ca. 63 € im Monat.

Krass connected

Offiziell gibt es in Guatemala einen Mindestlohn von 3200 Quetzales. Er kenne aber, von ihm selbst abgesehen, niemanden, der das bezahlt – kontrolliert werde das in aller Regel nämlich nicht. Er selbst bezahle das als Einstiegsgehalt; Mitarbeiter, die länger bleiben, erhalten deutlich mehr. EuropäerInnen könnten, findet er, in Guatemala locker einen Job finden – und würden in der Regel, wegen ihrer anderen Fähigkeiten und ihrer höheren Verlässlichkeit, besser bezahlt. „Ein Arbeitsamt oder etwas Vergleichbares gibt es hier aber nicht. Man muss einfach losgehen und quatschen. Außerdem gibt es zu praktisch jedem Ort eine Facebook Community. Darüber sind die Leute krass connected.“ Seine Freundin sei da zum Beispiel in einer Mütter-Gruppe. Einer unterstützt den anderen. „So viel Zusammenhalt hast du in Berlin nicht. Für Mütter ein paar Wochen vor der Geburt und ein paar Monate danach gibt es zum Beispiel den ‚Food Train‘. Da kochen andere abwechselnd in der Nachbarschaft für dich mit und bringen dir das Essen vorbei – alles umsonst, ohne Erwartung auf eine Gegenleistung. Ich bin ja nicht unbedingt der Freund der Hippies hier, aber so was haben sie drauf, das ist guter alter Hippiespirit.“

 

Eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen

„Eine Aufenthaltsgenehmigung bekommst du erst einmal für drei Monate. Danach musst du aus- und dann wieder einreisen. Das ist zwar nicht schwierig, aber nervig ist es trotzdem. Falls du die drei Monate überziehst – in meinem Fall waren es gleich neun Monate, brauchst du gute Gründe. Als ich damals an der Grenze nach Mexiko meinen Pass vorgewiesen habe, gab das erst einmal heftiges Stirnrunzeln. Aber ich konnte eine Steuernummer und eine Wirtschaftssteuernummer – als Unternehmer – vorweisen. Als ich dann noch 1500 Quetzales ‚einstecken‘ hatte, bekam ich drei Stempel und das Problem war gegessen. Mein Anwalt meinte, wegen so was kommt hier keiner in den Knast. Einen Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung kann du stellen, wenn du innerhalb von zwei Jahren wenigstens sechs Monate nachweislich im Land warst.“ Um an eine Staatsbürgerschaft ranzukommen, braucht man mehr Geduld, muss warten können, und Vitamin B hilft auf jeden Fall weiter.“

Arbeitsgenehmigung inklusive

„Praktisch ist, dass du hier keine Arbeitsgenehmigung brauchst“, betont Philip. Die sei mit der Einreise nach Guatemala automatisch erteilt – was auch bedeutet, dass man hier sein eigenes Business gründen kann. „Du gehst dann zur Steuerbehörde und beantragst eine Steuernummer bzw. zusätzlich eine Wirtschaftssteuernummer. Dann kann es schon losgehen.“ Um von der weitverbreiteten Korruption wegzukommen, hat der Staat vor Kurzem noch eine Regelung eingeführt: „Sobald du etwas kaufst, was teurer als 2500 Quetzales ist, musst du beim Kauf deine Steuernummer angeben oder, wenn du keine hast, deine Passnummer. So konsequent ist man nicht einmal in Deutschland.“

Ein Aspekt des guten Lebens hier, den er ein paar Mal erwähnt, sind die ausgesprochen angenehmen Temperaturen. Nachts gehen die, rund ums Jahr, selten unter 15 Grad und tagsüber selten über 25 Grad. Nicht umsonst nenne sich Guatemala „Das Land des ewigen Frühlings“. Auch die Regenzeit lasse sich gut aushalten. „Meistens schüttet es dann zwei Stunden täglich, dann ist es aber auch wieder schön.“

Die Hirnfrucht

Walnüsse sind Nervennahrung und ideale Früchte für die kalte Zeit

Die Römer, die in Sachen Essen gerne mal über die Stränge schlugen, nannten die Walnuss „Jovis glans“, die Nuss des höchsten Gottes Jupiter. Tatsächlich hat die Walnuss etwas Magisches: Walnusshälften ähneln nicht nur den beiden Hirnhälften, sie sind auch wegen ihres hohen Vitamin-B-Gehalts ausgesprochene Hirn- und Nervennahrung. Weitere Vitalstoffe aus der Nuss – Cholin und Lecithin – bewirken, dass es zwischen den Nervenzellen im Gehirn richtig funkt. Und wenn Stress unser Denkvermögen blockiert, kann Magnesium aus den Walnusskernen die Konzentration unterstützen. Weiterlesen

Wenn man sonst nichts zu tun hat, kann man sich darüber streiten …
Aber egal, Asra hat dazu einen schönen und wie ich finde, sehr lesenswerten, Blogbeitrag verfasst:

„Was ist männlich? Was ist weiblich? Und was hat das mit Männern und Frauen und Anderen zu tun?
Was ist normal? Heißes Thema. Fettnäpfchen bis zum Horizont.

Hier findet ihr den ganzen Beitrag.

Und hier als ziemlich aufwändig gemachten Videobeitrag: