Schlagwortarchiv für: Wissen

Wenn man sonst nichts zu tun hat, kann man sich darüber streiten …
Aber egal, Asra hat dazu einen schönen und wie ich finde, sehr lesenswerten, Blogbeitrag verfasst:

“Was ist männlich? Was ist weiblich? Und was hat das mit Männern und Frauen und Anderen zu tun?
Was ist normal? Heißes Thema. Fettnäpfchen bis zum Horizont.

Hier findet ihr den ganzen Beitrag.

Und hier als ziemlich aufwändig gemachten Videobeitrag:

Ich habe mich schon oft gefragt, wie es sein kann, dass immer wieder Menschen, die klaren Verstandes zu sein scheinen, an der Erhitzung des Erdatmosphäre zweifeln, und wenn schon nicht das, dann doch wenigstens der entlastenden Aussage anhängen, wir hätten damit nichts zu tun.
Dass die Großindustrie, insbesondere die Erdölbranche ein großes Interesse an solchen Haltungen hat, ist klar. Nur wie genau geht sie dagegen vor.
Die österreichische Tageszeitung Der Standard hat dies kürzlich akribisch rechecheriert und veröffentlich.
Fazit: “So werden Worte tatsächlich zur Waffe.”

Eine Rezension von „Schöner grüner Schein“

Von Bobby Langer

„Was auch immer Sie lieben, es ist bedroht. Aber lieben ist ein Tätigkeitswort. Möge diese Liebe uns ins Handeln bringen.“

Es gibt so etwas wie das „fröhliche gute Gewissen der Grünen“. Gemeint sind damit nicht nur die Parteimitglieder, sondern alle, die auf diesem Segelschiff der Illusionen mitschwimmen. Im Schiffsbauch befindet sich die Vorstellung eines Green New Deal, mit dem wir die westliche Industriegesellschaft ohne sonderliche Abstriche retten und weiterbetreiben können.

Die Autoren von „Schöner grüner Schein“, Derrick Jensen, Lierre Keith und Max Wilbert, bezeichnen die Segelmeister und Passagiere dieses Segelschiffs als die „Hellgrünen“.  Mit ihrem jüngst auf Deutsch erschienenen Buch tun sie alles, um Bewegung in die Wogen zu bringen und dieses ruhige Gewissen aufzuscheuchen. Kapitel für Kapitel belegen sie, dass eine „grüne“ Industriegesellschaft nur um den Preis weiterer und unaufhaltsamer Umweltzerstörungen möglich ist. „Hellgrüne Lösungen sind nur dazu da, den lebenden Planeten wieder und immer weiter zu zerstören.“

So sei also an den Anfang dieser Besprechung einerseits eine Warnung gestellt, andererseits ein Versprechen. Eine Warnung, weil die Lektüre der 463 Textseiten einem die „grüne Unschuld“ nimmt und der „deflorierte Leser“ danach ernüchtert seine Positionen überdenken muss; ein Versprechen hingegen für all jene, die schon immer das „Weiter so“ unter grüner Flagge mit Bauchgrimmen wahrgenommen haben. Hier bekommen sie endlich das inhaltliche, argumentative Rüstzeug für die nächste Debatte. Denn wenn in diesem Buch etwas nicht fehlt, dann sind das die Fakten: Fakten zur Solar- und Windindustrie, Fakten zur grünen Energiespeicherung, Fakten zu Recycling und Effizienz, zur grünen Stadt, zum grünen Netz und zur Wasserkraft sowie diversen Scheinlösungen wie Geothermie oder Kohlenstoffabscheidung.

Das Spektrum des Umweltschutzes [aus Sicht der Autoren]

Tiefgrün

Sowohl der lebende Planet als auch die nichtmenschlichen Lebewesen haben das Recht zu existieren. Das menschliche Wohlergehen hängt von einer gesunden Ökologie ab. Um den Planeten zu retten, müssen die Menschen innerhalb der Grenzen der natürlichen Welt leben.

Lifestylisten

Der Mensch ist von der Natur abhängig, und die Technologie wird die Umweltprobleme wahrscheinlich nicht lösen, aber politisches Engagement ist entweder unmöglich oder unnötig. Das Beste, was wir tun können, ist, uns in Eigenverantwortung zu üben … Der Rückzug wird die Welt verändern.

Hellgrüne

Es gibt ernsthafte Umweltprobleme, aber grüne Technologie und grünes Design sowie ethisches Konsumverhalten werden es möglich machen, den modernen, energieintensiven Lebensstil auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.

Vernünftige Nutzer

Es gibt zwar ökologische Probleme, aber die meisten davon sind nicht so schlimm und können durch ein angemessenes Management gelöst werden.

—————————-

Alles, worum Derrick Jensen bittet, ist „ehrlich mit uns selbst zu sein“. Was er damit meint, zeigt er am Beispiel einer „unschuldigen“ Brille: „Sie besteht aus Plastik, für das Öl und Transportinfrastrukturen benötigt werden, und aus Metall, für das Bergbau, Öl und Transportinfrastrukturen erforderlich sind … und die moderne Glasherstellung erfordert Energie und Transportinfrastruktur. Die Minen, aus denen die Materialien für meine Lesebrille kommen, müssen irgendwo liegen, und die Energie für die Herstellung muss auch irgendwoher kommen.“ Es gibt nun mal kein Abrakadabra-Simsalabim für irgendein Industrieprodukt, auch wenn es uns so vorgespiegelt wird. Wir meinen, wir bräuchten nur das nötige Kleingeld zu haben, und schon „zaubern“ wir uns, ohne Umweltkosten, unseren Komfort herbei – eine kindliche Vorstellung.

Ein kleiner Wermutstropfen angesichts der vielen Fakten ist ihr relatives Alter. Der US-Titel „Bright Green Lies: How the Environmental Movement Lost Its Way and What We Can Do About It” erschien 2021. Die im Buch genannten Zahlen sind also wenigstens fünf Jahre alt. Andersherum wissen wir: So gut wie nichts hat sich seither zum Besseren gewendet.

Wie gut, dass das Autorenteam einen nicht im Regen stehen lässt. Auf rund 40 Seiten befasst es sich mit „wirklichen Lösungen“, an denen – zumindest dieser Logik nach – kein Weg vorbeigeht. Letzten Endes gehe es um alles oder nichts. Zu einer zukunftsfähigen Lösung, so die Autoren, werden wir erst kommen, wenn wir bereit sind, „eine Lawine von Wehmut auszuhalten … Aber wenn man diesen Planeten liebt, muss man es tun“. Was anstehe, sei eine Reindigenisierung der westlichen Lebensweise. „Wir müssen erkennen, dass, da die Erde die Quelle allen Lebens ist, die Gesundheit der Erde bei unseren Entscheidungsprozessen an erster Stelle stehen muss … Wenn wir unsere Werte ändern, werden bisher unlösbare Probleme lösbar.“ Wir müssen aufhören, uns die falschen Fragen zu stellen.  „‚Wie können wir weiterhin industrielle Energiemengen gewinnen, ohne Schaden anzurichten?‘, ist die falsche Frage. Die richtige Frage lautet: ‚Was können wir tun, um der Erde zu helfen, die durch diese Kultur verursachten Schäden zu reparieren?‘“

Zurück zum Einstieg: Dieses Buch ist schwer verdauliche Kost, nicht weil es schwer zu lesen wäre, sondern weil es seinen Leserinnen und Lesern von Kapitel zu Kapitel mehr den Staub der Illusionen aus dem Zivilisationsmäntelchen klopft. „Schöner grüner Schein“, schreibt Vandana Shiva, sei „ein dringend notwendiger Weckruf, wenn wir verhindern wollen, dass wir schlafwandelnd aussterben – und damit den 200 unserer Mitgeschöpfe und Verwandten folgen, die täglich von einer extravistischen, kolonisierenden Geldmaschine in den Tod getrieben werden, die von grenzenloser Gier geschmiert und vom mechanistischen Geist des Industrialismus geleitet wird.“

Schöner grüner Schein. Warum »grüne« Technologien derselbe Irrweg in Grün sind. Von Derrick Jensen, Lierre Keith und Max Wilbert, Verlag Neue Erde, 517 S., 36 Euro, ISBN 978-3-89060-838-9

Von Angela Brüning

„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“

Diesem Martin Luther (fälschlicherweise) zugeschriebenen Zitat ist Hans-Joachim Bannier wahrlich nachgekommen; in seinem Sortengarten in Bielefeld wachsen ca. 350 bis 400 überwiegend alte Apfelsorten. In seinem Online-Vortrag am 16. Februar 2023 „Ökologische Apfelzüchtung und Neue Gentechnik / CRISPR/Cas9“ stellte er abermals sehr klar und überzeugend dar, warum moderne auf ein oder wenige Resistenz-Gene reduzierte Pflanzenzüchtungen und insbesondere die aktuell oft angepriesene Gentechnik in eine Sackgasse führen. Bannier wies nach, dass die seit den 1940er Jahren entwickelten Sorten, die heutzutage in deutschen Läden angeboten werden, letztlich auf Inzucht innerhalb von 5 besonders krankheitsanfälligen Apfelsorten beruhen und überhaupt nur unter starkem Einsatz von Pestiziden und ähnlichen Behandlungsformen ertragreich und großflächig angebaut werden können. Wie im Vortrag verdeutlicht, kann die Abweichung vom traditionellen Züchtungsmuster (dem Kreuzen einer schmackhaften mit einer robusten Sorte) in Verbindung gebracht werden mit der parallelen Entwicklung von Pestiziden und Fungiziden, insbesondere in Leverkusen.

Gott spielen ist kontraproduktiv

In überzeugender Weise wurde durch den Vortrag offensichtlich, dass Diversität – in diesem Fall eine große Vielfalt verschiedener Apfelsorten – essentiell ist, um langfristig eine möglichst gute Nahrungsversorgung der Bevölkerung erreichen zu können.

Natürliche Diversität und dadurch auch Anpassungsfähigkeit sollten nicht nur bezogen auf Pflanzen, sondern weit darüber hinaus erneut zentral werden in unserem Umgang mit unserer Mitwelt – und auch mit unseren Mitmenschen. Wir können die Komplexität und das Zusammenspiel diverser Faktoren im Gefüge — beispielsweise von Pflanzen, Tieren, dem Boden, Wetterkonditionen, und vielem mehr — nicht einmal ansatzweise erfassen und verstehen. Gerade vor diesem Hintergrund täte etwas mehr Demut vor der mehr-als-menschlichen Welt unserer westlichen Gesellschaft gut. Statt Gott spielen zu wollen, sollten wir uns rückbesinnen auf unsere Vorfahren und Völker, heutzutage vor allem indigene Gruppen, die mit der Natur statt explizit gegen sie lebten und leben.

Aktuelle Trends in der Gentechnik und Apfelzüchtungen mit einem isolierten resistenten Gen folgen dem mechanistischen Weltbild, das auf Konfrontation, Konkurrenz und Ausbeutung beruht sowie anthropozentrisch ist, den Menschen also außerhalb des Naturkreislaufs sieht und die Menschheit über die Natur stellt. Wie Bannier im Vortrag berichtete, basiert beispielsweise gerade die gegenwärtige Rechtfertigung von Methoden wie der Genschere CRISPR/Cas9 auf (wirtschaftlicher) Konkurrenz und Kampf gegen Abläufe der Natur. Die Prämisse in dieser Logik ist, durch regelmäßige „Neuzüchtungen“ mit Hilfe von Gentechnik der Natur und immer wieder auch gegen Krankheiten resistent werdenden Pflanzen immer gerade einen Schritt voraus zu sein.

Mit Äpfeln gegen die Natur

In den 1950er Jahren begann man in Deutschland, krankheitsanfällige Apfelsorten anzubauen, die (nur) mithilfe eines intensiven Einsatzes chemischer Spritzmittel gedeihen, mit denen man auf diesem Wege jedoch höchste Erträge erzielen konnte. Die daraus resultierenden Probleme im Apfelanbau versuchte man in den letzten Jahrzehnten dann züchterisch dadurch zu lösen, dass man die anfälligen Sorten mit einem japanischen Holzapfel kreuzte – in der Hoffnung, dass das dort entdeckte Resistenz-Gen gegen die Apfelschorf-Krankheit die Probleme lösen könne – und will dasselbe künftig mithilfe der neuen Gentechniken (CRISPR/Cas) erreichen. Weil einzelne Resistenz-Gene jedoch aus chemie-abhängigen Apfelsorten keine natur-gesunden Apfelsorten machen (und die Natur solche „mono-genetischen“ Resistenzen schnell überwindet), wollen Züchter heute die Probleme durch immer mehr gen-technische Eingriffe in den Griff bekommen.

Alle diese Strategien folgen einem von ökologischen Zusammenhängen entfremdeten mechanistischen Weltbild, das anthropozentrisch ist, den Menschen also außerhalb des Naturkreislaufs sieht und die Menschheit über die Natur stellt.

Die gleiche „Logik“ kennzeichnet unser heutiges Geld- und Wirtschaftssystem und in ähnlicher Weise sehr oft auch gesellschaftliche Entwicklungen im Umgang mit Randgruppen und sozialen Problemen. Statt den Kampf gegen einander und gegen unsere Mitwelt fortzusetzen und unser eigenes Überleben dadurch letztlich aufs Spiel zu setzen, wären wir gut beraten, die mehr-als-menschliche Welt wieder als Partner wertzuschätzen und im Sinn des systemischen Weltbilds Kooperation und Balance als Basis unseres Handelns zu nehmen.

Wer sich diesem Ansatz nähern und/oder ihn vertiefen möchte, ist herzlich eingeladen, an tiefenökologischen oder interkulturellen Seminaren bei Paths of Change teilzunehmen. Dort erproben wir gemeinsam, neue Wege zu gehen und gemeinsam einen Beitrag zu leisten für eine enkeltaugliche Zukunft. Im Vordergrund stehen dabei Methoden der Naturverbindung, die auch zu einer Selbstermächtigung beitragen: https://pathsofchange.net

Über eine Unterstützung zur Förderung der Diversität von Äpfeln und Birnen freut sich Apfelgut e. V. Die Spende kann direkt an den neu entstehenden Birnensortengarten des Arboretum Bielefeld weitergeleitet werden, wenn das Stichwort Birnenzucht angegeben wird.

 

Kontoinhaber: apfel:gut e.V.
IBAN: DE12 4306 0967 2078 0737 00
BIC: GENODEM1GLS (GLS Bank Bochum)
Stichwort: Birnenzucht

von Peter Zettel

Rote oder blaue Pille?

Gestern sah ich in einem Video-Gespräch im Hintergrund ein Bild mit einer roten und einer blauen Pille. Ganz klar eine Anspielung auf den Film „Matrix“. Was mich zu der erstaunten Frage veranlasste „Du hast dich noch nicht entschieden?“

Sein „Doch, habe ich!“ klang mir jedoch nicht überzeugend, denn hätte er sich entschieden, wäre da eine Pille weg. Falls Sie den Film nicht kennen:

Neo wird vor die Wahl gestellt, eine blaue oder eine rote Pille zu schlucken. Nimmt er die blaue, geht es für ihn zurück in seine heile Welt, die nicht der Realität entspricht. Die rote Pille bewirkt das genaue Gegenteil und befreit ihn aus der Simulation.

Also ich kenne keinen Philosophen oder Wissenschaftler, den ich ernst nehmen würde, der nicht die rote Pille geschluckt und eine eindeutige Meinung hätte. Der Weg Suche nach der Wahrheit lässt nämlich keinen anderen Weg zu. Rote oder blaue Pille?

Die Entscheidung muss man treffen: Will ich wirklich die Wahrheit über mich selbst wissen oder möchte ich nur meine Ansichten bestätigt haben? Die Wahrheit kann nämlich ganz schön hart sein.

Weiter mit Mit den Wölfen heulen …

Permakultur lässt sich aufs eigene Leben übertragen

“We are all elders in training …”
Mala Spotted Eagle

Mit „Krisen-Fest – wie wir aus Lebenslust die Welt retten. Eine Ode an unsere natürliche Resilienz“ schreibt Marit Marschall ein Handbuch für alle Menschen, die nicht „in Jammern und Leiden“ verharren wollen. „Wir Menschen haben Mist gebaut, und jetzt machen wir es besser“, konstatiert sie. Krisen-Fest ist ein poetisches, kluges Lehrbuch für all jene, die nach einer Methode suchen, wie sie in einer krisengeschüttelten Zeit persönlich als Mensch, aber auch – sofern sie das wollen – gärtnerisch, stabil werden und bleiben können.

Von Bobby Langer

Wie kann es sein, dass ein Ökosystem Jahrhunderte, ja Jahrtausende funktioniert, so lange der Mensch es in Ruhe lässt? Was sind die ineinandergreifenden Prinzipien eines solchen „Wunders“, haben sich die beiden Australier Bill Mollison und David Holmgren vor ein paar Jahrzehnten gefragt und haben sich auf die Suche nach Antworten gemacht. Heraus kam die „Permakultur“ mit Erkenntnissen, die sich in Windeseile über den Erdball verbreitet haben. Auch in Deutschland gibt es inzwischen Tausende von Anwendern der Permakultur-Prinzipien, die in Hausgärten ebenso gut funktionieren wie auf dem Bauernhof.

Längst hat sich Permakultur zu einer Agrar-Systemwissenschaft entwickelt, die die Grundlagen des biologischen Anbaus sowohl vervollständigt als auch erweitert. Und Permakultur lässt sich erlernen, in Deutschland in privaten Akademien, in Österreich sogar an der Universität für Bodenkultur Wien. Nach einer mehrjährigen Ausbildung erhält man den Abschluss als Permakultur-Designer/in.

Auch Marit Marschall hat auf der Suche nach der Quelle unserer natürlichen Resilienz diesen Weg gewählt. In ihrer Abschlussarbeit hat sie dargelegt, dass sich die „geistigen Werkzeuge“ der Permakultur auch auf die menschliche Lebensplanung anwenden lassen, als Design für die innere Landschaft. „Wir können uns ausprobieren als innerer Gärtner und Designer unseres Lebens“, sagt Marit Marschall. Dazu hat sie den „Baumplan“ entwickelt und seine Verwendung in ihrem Buch leicht verständlich, übersichtlich und kleinschrittig nachvollziehbar beschrieben. Die anmutigen und überraschenden Farbbilder der englischen Naturkünstlerin Amber Woodhouse verleihen dem Buch schon beim ersten Durchblättern einen gewissen Zauber.

„Krisen-Fest“ – die Schreibweise verweist auf eine Doppelbedeutung: Einerseits unterstützt die Autorin psychologisch wie permakulturell sachkundig dabei, krisenfest zu werden; dies aber nicht in einem statischen Sinn, sondern flexibel und widerstandfähig wie die Natur, in der jede Krise das Potential zu Entwicklung und Wachstum birgt.

Schritt für Schritt führt dieses Kompendium der Achtsamkeit aus der Permakultur-Perspektive die LeserInnen voran: vom sinnvollen Aufbau der eigenen Resilienzwurzeln über den Stamm des persönlichen Lebensbaums – die Analyse – bis hin zur zuverlässigen Ernte der Früchte: des eigenen Lebensertrags. Dabei gelingt Marit Marschall die Gratwanderung zwischen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und spirituellen Einsichten. Krisen-Fest ist kein Aufruf „Zurück auf die Bäume“, sondern vielmehr die Vision eines indigenen europäischen Lebens, bei dem Mitwelt und Mensch harmonisch klug miteinander verschmelzen. „Du lebst mehr im Einklang mit deinen Bedürfnissen und denen aller Lebewesen. Nicht mehr als Ausbeuter und ignoranter ‚Mensch‘, sondern als integrierter Bewohner des Planeten. So wie du es dir immer gewünscht hast.“

Im Kapitel „Die Wurzeln der Bedürfnisse“ zitiert die Autorin en berühmten Erfinder und Architekten R. Buckminster Fuller:

„Ich glaube, wir befinden uns in einer Art Abschlussprüfung, ob der Mensch mit dieser Fähigkeit zur Informationsbeschaffung und Kommunikation jetzt wirklich qualifiziert ist, die Verantwortung zu übernehmen, die uns übertragen werden soll. Und es geht hier nicht um eine Prüfung der Regierungsformen, es geht nicht um Politik, es geht nicht um Wirtschaftssysteme. Es hat etwas mit dem Individuum zu tun. Hat der Einzelne den Mut, sich wirklich auf die Wahrheit einzulassen?“

Krisen-Fest ist ein Mut-Buch in diesem Sinn, und ein Aufbruchsbuch für alle, die vielleicht noch einen letzten Impuls brauchen, um sich auf den Weg zu machen; ein Aufruf, die uns mögliche Souveränität anzunehmen und damit Verantwortung für unseren Lebensstil. Es ist aber auch eine detaillierte Aufmunterung voller gärtnerischer und permakultureller Details für alle, deren Weg sich manchmal beschwerlich anfühlt. „Handlungsfähig werden im individuellen wie im globalen Sinn“ – darum geht es hier. „Unsere innere Ausrichtung auf die konsequente Lebensqualität ist, was uns noch fehlt“, sagt Marit Marschall. „Mit diesem Buch kannst du dich darin schulen und ausbilden, deine Bedürfnisse als gesundes Ökosystem wieder zu spüren, deine Gedanken, dein Fühlen und Handeln an dem Maßstab der Prinzipien der Ökosystem zu prüfen und auszurichten. Du kannst damit deine ganze Qualität auf diesem schönen Planeten ohne Reue ausleben und verschenken.“

KRISEN-FEST – wie wir aus Lebenslust die Welt retten. Eine Ode an unsere natürliche Resilienz. Von Marit Marschall. Mit einem Interview mit Gerald Hüther.
310 S., 21,90 Euro, Europa Verlagsgruppe, ISBN 979-1-220-11656-5

 

[Dieser Artikel ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine inhaltlichen Bearbeitungen 3.0 Deutschland) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen darf er verbreiten und vervielfältigen werden.]

Kein Geringerer als Fritjof Capra meinte zu dem im Folgenden besprochenen Buch „Regenerative Kulturen gestalten“: „Dieses Buch ist ein wertvoller Beitrag zu der Diskussion über die Weltanschauung, die wir brauchen, um unsere gesamte Kultur so zu gestalten, dass sie sich regeneriert und nicht zerstört.“

Rezension von Bobby Langer

Womit Fritjof Capra die Aufgabenstellung, um die es geht, auf den Punkt gebracht hat: „unsere gesamte Kultur so zu gestalten, dass sie sich regeneriert und nicht zerstört.“ Die Betonung liegt auf „gesamte Kultur“. Kein Mensch, auch keine Organisation könnte diese Mammut-Aufgabe schaffen. Und doch muss sie sein, wenn wir nicht im größten anzunehmenden Unglück landen wollen, das dereinst die Menschheit ereilen wird.

Richtige Fragen statt richtiger Antworten

Daniel Christian Wahl (DCW) hat diese ungeheure Aufgabe mit seinem Buch in den Blick genommen. Nicht weil er wüsste, wie es geht, sondern weil er zumindest ganz gut weiß, wie es nicht geht: mit business as usual. So besteht seine Leistung letztlich aus einer gedanklichen Doppelarbeit: einerseits die ausgetretenen Pfade der Irrtümer und zuverlässigen Zerstörungen zu analysieren und andererseits Mittel und Methoden zu beschreiben, mit denen sich erstere vermeiden lassen. Die wichtigste Methode dabei lässt sich mit Rilkes berühmtem Satz zusammenfassen: „Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein.“ Es geht also nicht darum, die richtigen Antworten zu geben, sondern die richtigen Fragen zu stellen. Erst wenn es uns gelingt, die Richtung zu ändern, mit der wir uns in die Zukunft bewegen, können sich brauchbare Erfolge einstellen. Was geschieht, wenn wir das nicht tun, beschreibt ein chinesisches Sprichwort: „Wenn wir unsere Richtung nicht ändern, werden wir wahrscheinlich genau dort landen, wo wir gerade hingehen.“

Aber lohnt es sich denn überhaupt, die Richtung zu ändern, um die kulturellen Errungenschaften der Menschheit zu erhalten? Immer wieder taucht diese Frage auf, die wohl die gesamte Transformationsbewegung weltweit umtreibt. DCW hat darauf eine klare Antwort:

„Wir wissen weder, dass eine andere Spezies Gedichte schreibt oder Musik komponiert, um das verbindende Gefühl, das wir Liebe nennen, widerzuspiegeln, noch wissen wir, wie sich das Vergehen der Jahreszeiten für einen Mammutbaum anfühlt oder wie ein Kaiserpinguin subjektiv die ersten Sonnenstrahlen nach dem antarktischen Winter erlebt. Aber gibt es nicht etwas Schützenswertes an einer Spezies, die sich solche Fragen stellen kann?“

Vier Einsichten für eine lebenswerte Zukunft

Wie ein roter Faden zieht sich eine Kern-Einsicht des Autors durch alle Kapitel: dass wir nämlich nicht wissen können, was auf uns zukommt. Nur wenn wir kokreativ mit dieser Unsicherheit umzugehen bereit sind und unser Verhalten immer wieder neu justieren, haben wir eine echte Chance. Eine zweite Einsicht gesellt sich zur ersten. Sie ist der Natur abgeschaut: Zu schaffen sei ein lebendiger, ein regenerativer Prozess, der bis ins Detail das Leben fördert. Denn Natur ist Leben, das Leben fördert. Und auch mit einem dritten Prinzip ist die Natur als Vorbild zu nehmen: dass sie nämlich ­– so groß sie ist und so universell ihre Gesetze sind – nicht in Monopolen funktioniert, sondern in kleinen, lokalen und regionalen Netzwerken, Netze in Netzen in Netzen. Was wir brauchen, schreibt DCW, ist ein „Feingefühl für den Maßstab, die Einzigartigkeit des Ortes und die lokale Kultur“. Und: „Wir müssen das traditionelle ortsbezogene Wissen und die Kultur wertschätzen, ohne in die Fallen eines wiederauflebenden radikalen Regionalismus und engstirnigen Pfarrei-Denkens zu tappen … Systemische Gesundheit als emergente Eigenschaft regenerativer Kulturen entsteht, wenn lokal und regional angepasste Gemeinschaften lernen, innerhalb der durch die ökologischen, sozialen und kulturellen Bedingungen ihrer lokalen Bioregion gesetzten ‚förderlichen Einschränkungen‘ und Möglichkeiten in einem global kooperativen Kontext zu gedeihen.“

Ein viertes Prinzip lässt sich von diesen drei nicht trennen: das Vorsorgeprinzip, das damit beginnt, für die jederzeit möglichen Änderungen der Umstände vorgesorgt zu haben. Unter Vorsorge versteht DCW aber auch unsere Haltung, mit der wir gestaltend mit der Welt umgehen. „Wir brauchen dringend einen hippokratischen Eid für Design, Technologie und Planung: Do no harm! Um diesen ethischen Imperativ in die Tat umzusetzen, brauchen wir eine salutogene (gesundheitsfördernde) Absicht hinter allem Design, aller Technologie und Planung: Wir müssen Design machen für Menschen, Ökosysteme und die Gesundheit des Planeten.“ Ein solches Design „erkennt die untrennbare Verbindung zwischen menschlicher, ökosystemischer und planetarischer Gesundheit an“. Um da hinzukommen, sei das Meta-Design, das „Narrativ der Trennung“, zu ändern hin zu einem „Narrativ des Interbeing“; Design sei der Ort, an dem sich Theorie und Praxis treffen.

Mit Bescheidenheit und Zukunftsbewusstsein handeln

Auf Basis dieser Überlegungen und Analysen entsteht im Laufe der rund 380 Seiten dann doch eine Art Werkzeugkasten für den Umbau der westlichen Industriekultur. Dazu hat DCW alle gedanklichen und praktischen Ansätze der letzten Jahrzehnte ausgewertet und in seine Überlegungen miteinbezogen. Es geschieht ja schon so viel weltweit auf allen Kontinenten. Nun gilt es, alle diese Bemühungen in einen gemeinsamen Prozess einmünden zu lassen, um „the great turning“, wie Joana Macy das nannte, ins Werk zu setzen.

Konsequenterweise hat DCW zu jedem Kapitel ein Fragenset erarbeitet, das dabei unterstützen soll, den statischen Ist-Zustand des jeweiligen Themas aufzugeben und in einen zukunftsfähigen Prozess zu überführen: die chemisch-pharmazeutische Industrie, die Architektur, die Stadt- und Regionalplanung, die industrielle Ökologie, die Gemeinschaftsplanung, die Landwirtschaft, das Unternehmens- und Produktdesign. Denn „systemisches Denken und systemische Interventionen sind mögliche Gegenmittel für die unbeabsichtigten und gefährlichen Nebenwirkungen der jahrhundertelangen Konzentration auf reduktionistische und quantitative Analysen, die von dem Narrativ der Trennung geprägt sind“. So lautet eine Kernfrage, um die so unabdingbare „transformative Resilienz“ zu erreichen: „Wie können wir angesichts der Unvorhersehbarkeit und Unkontrollierbarkeit komplexer dynamischer Systeme mit Bescheidenheit und Zukunftsbewusstsein handeln und vorausschauende und transformative Innovationen anwenden?“

Tatsächlich hat es etwas Entlastendes zu wissen, dass wir keine endgültigen Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit geben müssen bzw. gar nicht geben sollen. „Indem wir die Fragen gemeinsam leben“, schreibt DCW, „anstatt uns mit endgültigen Antworten und dauerhaften Lösungen zu beschäftigen, können wir den vergeblichen Versuch aufgeben, unseren Weg in die Zukunft zu kennen.“ So hat sein Buch letztlich mehrere Wirkungen auf den Leser: Es ist entlastend, inspirierend, informativ, Hoffnung machend und praxisorientiert zugleich – ziemlich viel für ein Buch.

Daniel Christian Wahl, Regenerative Kulturen gestalten, 384 S., 29,95 Euro, Phänomen Verlag, ISBN 978-84-125877-7-7

von Isabel Batista

(zu Teil 1)

Ein eigener Garten am Haus, eine gepachtete Parzelle oder eine klassische Laube, vielleicht auch „nur“ ein Balkon oder ein Hochbeet in einem Gemeinschaftsgarten: Viele Menschen haben das Gärtnern für sich entdeckt.

Es macht Spaß, das eigene angebaute Gemüse und Obst zu ernten und in der Küche zu verarbeiten oder gleich vom Strauch zu naschen. Es bringt uns in Bewegung, senkt unseren Stresspegel und macht uns den Wert von Nahrung wieder bewusst.

Wie es bisher läuft

Weil vom kleinen Setzling bis hin zur Ernte viel Zeit und Mühe vergeht, greifen auch in Privatgärten immer noch viele Menschen zu Pestiziden oder helfen mit künstlichem Dünger nach, um das Wachstum ihrer Nutzpflanzen zu beschleunigen oder die Ernte vor Schädlingen zu schützen.

Wir dürfen hier den Wunsch nach maximaler Kontrolle und Ordnungssinn gerne hinterfragen. Wo bleibt die echte Natur, wenn sie in strikte Abschnitte gedrängt wird, jeder Laubhaufen verschwinden muss und sogar essbare Wildkräuter mit Chemie ausgemerzt werden?

In solch einem Garten finden Nützlinge keinen Anreiz zur Futtersuche oder Aufzucht ihrer Jungen. Eine Abwärtsspirale setzt ein: Schädlinge fallen über die Früchte unserer Arbeit her, und so setzen wir wieder die Chemiekeule ein.

Wir haben ein instabiles System geschaffen, in das wir immer wieder eingreifen müssen.

Es geht auch anders

Ein naturbelassener Garten bedeutet nicht, sich durch wucherndes Gestrüpp zu kämpfen oder jedem Schädling das Feld zu überlassen. Ein naturbelassener Garten bedeutet, dass man den Geschöpfen im und auf dem Boden, in der Luft und in den Zweigen der Bäume einen eigenen Spielplatz einrichtet.

Eine kleine Inspiration aus meinem Roman „Die Systemwandler“:

Im Garten waren die Schmetterlinge und Bienen zurückgekehrt und es summte überall. Die Farbenpracht war ein Genuss. Mit der Wildnisecke, die in jeden ausgewogenen Permakulturgarten gehörte, wollte Kerstin weitere Lebewesen anlocken.

Anja setzte sich nach einer kurzen Pause wieder zu ihr ins Gras und half ihr beim Schichten der Steine. „Wozu machen wir das?“, fragte sie interessiert.

Kerstin antwortete bereitwillig: „Der Steinhaufen ist für verschiedene Wildtiere als Zuflucht gedacht. Insekten, Spinnen, aber am meisten hoffe ich auf den Besuch von Eidechsen.“

„Die habe ich schon lange nicht mehr in freier Wildbahn gesehen“, sagte Anja bedrückt.

[…]

Während sie Stein auf Stein legten und so Stück für Stück ein Refugium für die weniger beachteten Lebewesen aufbauten, malte sich Kerstin im Geiste aus, wie die kleine Landschaft hier im hinteren Abschnitt ihres Gartens bald aussehen würde. „Die Steinburg der Kriech- und Krabbeltiere ist erst der Anfang“, ließ sie Anja an ihrer Vorstellungswelt teilhaben. „Geplant ist noch ein kleiner Tümpel für Frösche und Kröten, eine Ansitzstange für Greifvögel bei den Hochbeeten und ein Nistkasten für Eulen im Geäst des großen Pflaumenbaums.“

[…]

Neben dem Artenschutz hatten auch die Gärtner etwas von den Nützlingen, die durch das Futter- und Versteckangebot angelockt wurden. Sie lieferten einen Beitrag zum Schutz von Gemüse und Kräutern, indem sie die Schädlinge in Schach hielten. Zudem sollten sich einige von ihnen auch als Bestäuber nützlich machen.

“Die Systemwandler” von Isabel Batista

Ein Garten wie dieser fördert das natürliche Gleichgewicht und wird für jeden Menschen zum Abenteuer und Genuss. Unser Wohlbefinden steigt, denn jetzt können wir der echten, ein wenig wilden Natur nahe sein, sie beobachten, erleben und schätzen lernen. Vielleicht entdecken wir darin sogar unsere eigene wilde Natur.

Was Du als Systemwandler tun kannst:

  • Richte einen Garten oder Balkon ein, der ALLEN Geschöpfen einen Lebensraum bietet, oder inspiriere einen Gartenbesitzer dazu.
  • Vermeide chemische Mittel und greife für die Schädlingsbekämpfung stattdessen auf natürliche Mittel zurück (z.B. Brennesseljauche gegen Blattläuse oder die Ansiedlung von Nützlingen).
  • Vermeide Kunstdünger und belebe den Boden durch hilfreiche Pflanzen wie Klee oder mit Mulchmaterial.
  • Kaufe Pflanzensetzlinge, die ohne Pestizide herangezogen wurden (insbesondere bei bienenfreundlichen Pflanzen wie z.B. dem Lavendel).
  • Best Tipp: Mache Dich mit Permakultur vertraut (z.B. beim Permakultur-Institut) und gestalte Deinen Garten nach den Prinzipien dieser erstaunlichen Anbautechnik.

Auf diese Weise wirst Du Stück für Stück ein System erschaffen, in dem Du selbst glücklich bist, weil die Natur um Dich herum aufblüht und wirklich lebendig ist.

Wenn Du Interesse an weiteren Impulsen für einen naturbelassenen Garten, nachhaltige Lebensweisen und gute Neuigkeiten aus der Welt des sozial-ökologischen Wandels hast, dann melde Dich zu meinem Newsletter auf „Die Systemwandler“ an. Monatlich wirst Du mit dem Wissen versorgt, das ein Systemwandler zum Wandeln braucht.

Externe Links:

https://www.systemwandler.de
https://www.permakultur.de/home

Beitragsbild: Allmende Kontor auf dem Tempelhofer Feld in Berlin, ©Isabel Batista 2019

von Peter Zettel

Falsche Frage! Ich gestehe, ich habe das Buch nicht gelesen, nur das Abstract darüber. Vielleicht ist der Titel ja auch nur der Köder, damit es gekauft wird. Aber darum geht es mir nicht, sondern um eine grundsätzliche Frage. Im Abstract ist unter anderem das zu lesen:

„Immer wieder bekräftigen die Vereinten Nationen und Regierungen, die Biodiversität schützen zu wollen. Doch die politischen Ziele werden immer wieder verfehlt. Kann der Schutz der Biodiversität juristisch erzwungen werden? Dazu wurde schon vor Jahrzehnten die Idee eines Klagerechtes für Tiere und Ökosysteme entwickelt.“ Weiterlesen

von Peter Zettel

In einem Beitrag von Hans-Peter Dürr über „Bewusstsein und Verantwortung – Wir erleben mehr als wir begreifen“ schreibt er auf der ersten Folie, sozusagen als Einleitung: „Die revolutionären Erkenntnisse der Physik zu Beginn des 20. Jahrhundert führen zu einem neuen Welt- und Menschenbild. Moderne Physik ermöglicht den Brückenschlag zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und zu den Religionen.“

Ich habe den Beitrag nicht weitergelesen, weil ich an der Begriffsverbindung „ein neues Welt- und Menschenbild“ hängen blieb. Die weiteren Gedanken, mit denen ich mich an anderer Stelle schon oft beschäftigt habe, ließ ich einmal weg, denn die lenken schnell von dem Eigentlichen ab, ich verliere mich dann in technischen Überlegungen.

Zu Dürrs Prägung passt auch die Bemerkung von Anton Zeilinger, dass wir mittlerweile zwar sehr viel über die Welt der Quanten wissen, wir jedoch immer noch kein philosophisches Verständnis (meine Worte!) dafür haben. Was würden wir anders tun, würden wir die Erkenntnisse der modernen Physik wirklich ernst nehmen und unser Welt- und Menschenbild entsprechend ändern und nicht nur anpassen?

Würden wir dann eine Möglichkeit erkennen, wie wir ganz anders mit Konflikten umgehen können? Ich glaube definitiv ja. Mich erinnert das an Ueshiba Morihei und „sein“ Aikidō, das er zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte. Er erkannte, dass die Kunst der Samurai sinnlos und grausig war, jedoch akzeptierte er auch, dass es Menschen gibt, die andere angreifen. Aikidō ist die Antwort darauf, wie eine Verteidigung gegen Angreifer möglich ist, ohne sie besiegen zu wollen.

Die Samurai kämpften noch Mann gegen Mann, heute sind dem Aikidō entsprechende Möglichkeiten auf der wirtschaftlichen und politischen Ebene notwendig. Doch das setzt voraus, dass unser Welt- und vor allem unser Menschenbild stimmig ist. Ist es das nicht, können unsere Maßnahmen nicht funktionieren, solange die ihren Ursprung im falschen Denken haben.