Von Angela Brüning

„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“

Diesem Martin Luther (fälschlicherweise) zugeschriebenen Zitat ist Hans-Joachim Bannier wahrlich nachgekommen; in seinem Sortengarten in Bielefeld wachsen ca. 350 bis 400 überwiegend alte Apfelsorten. In seinem Online-Vortrag am 16. Februar 2023 „Ökologische Apfelzüchtung und Neue Gentechnik / CRISPR/Cas9“ stellte er abermals sehr klar und überzeugend dar, warum moderne auf ein oder wenige Resistenz-Gene reduzierte Pflanzenzüchtungen und insbesondere die aktuell oft angepriesene Gentechnik in eine Sackgasse führen. Bannier wies nach, dass die seit den 1940er Jahren entwickelten Sorten, die heutzutage in deutschen Läden angeboten werden, letztlich auf Inzucht innerhalb von 5 besonders krankheitsanfälligen Apfelsorten beruhen und überhaupt nur unter starkem Einsatz von Pestiziden und ähnlichen Behandlungsformen ertragreich und großflächig angebaut werden können. Wie im Vortrag verdeutlicht, kann die Abweichung vom traditionellen Züchtungsmuster (dem Kreuzen einer schmackhaften mit einer robusten Sorte) in Verbindung gebracht werden mit der parallelen Entwicklung von Pestiziden und Fungiziden, insbesondere in Leverkusen.

Gott spielen ist kontraproduktiv

In überzeugender Weise wurde durch den Vortrag offensichtlich, dass Diversität – in diesem Fall eine große Vielfalt verschiedener Apfelsorten – essentiell ist, um langfristig eine möglichst gute Nahrungsversorgung der Bevölkerung erreichen zu können.

Natürliche Diversität und dadurch auch Anpassungsfähigkeit sollten nicht nur bezogen auf Pflanzen, sondern weit darüber hinaus erneut zentral werden in unserem Umgang mit unserer Mitwelt – und auch mit unseren Mitmenschen. Wir können die Komplexität und das Zusammenspiel diverser Faktoren im Gefüge — beispielsweise von Pflanzen, Tieren, dem Boden, Wetterkonditionen, und vielem mehr — nicht einmal ansatzweise erfassen und verstehen. Gerade vor diesem Hintergrund täte etwas mehr Demut vor der mehr-als-menschlichen Welt unserer westlichen Gesellschaft gut. Statt Gott spielen zu wollen, sollten wir uns rückbesinnen auf unsere Vorfahren und Völker, heutzutage vor allem indigene Gruppen, die mit der Natur statt explizit gegen sie lebten und leben.

Aktuelle Trends in der Gentechnik und Apfelzüchtungen mit einem isolierten resistenten Gen folgen dem mechanistischen Weltbild, das auf Konfrontation, Konkurrenz und Ausbeutung beruht sowie anthropozentrisch ist, den Menschen also außerhalb des Naturkreislaufs sieht und die Menschheit über die Natur stellt. Wie Bannier im Vortrag berichtete, basiert beispielsweise gerade die gegenwärtige Rechtfertigung von Methoden wie der Genschere CRISPR/Cas9 auf (wirtschaftlicher) Konkurrenz und Kampf gegen Abläufe der Natur. Die Prämisse in dieser Logik ist, durch regelmäßige „Neuzüchtungen“ mit Hilfe von Gentechnik der Natur und immer wieder auch gegen Krankheiten resistent werdenden Pflanzen immer gerade einen Schritt voraus zu sein.

Mit Äpfeln gegen die Natur

In den 1950er Jahren begann man in Deutschland, krankheitsanfällige Apfelsorten anzubauen, die (nur) mithilfe eines intensiven Einsatzes chemischer Spritzmittel gedeihen, mit denen man auf diesem Wege jedoch höchste Erträge erzielen konnte. Die daraus resultierenden Probleme im Apfelanbau versuchte man in den letzten Jahrzehnten dann züchterisch dadurch zu lösen, dass man die anfälligen Sorten mit einem japanischen Holzapfel kreuzte – in der Hoffnung, dass das dort entdeckte Resistenz-Gen gegen die Apfelschorf-Krankheit die Probleme lösen könne – und will dasselbe künftig mithilfe der neuen Gentechniken (CRISPR/Cas) erreichen. Weil einzelne Resistenz-Gene jedoch aus chemie-abhängigen Apfelsorten keine natur-gesunden Apfelsorten machen (und die Natur solche „mono-genetischen“ Resistenzen schnell überwindet), wollen Züchter heute die Probleme durch immer mehr gen-technische Eingriffe in den Griff bekommen.

Alle diese Strategien folgen einem von ökologischen Zusammenhängen entfremdeten mechanistischen Weltbild, das anthropozentrisch ist, den Menschen also außerhalb des Naturkreislaufs sieht und die Menschheit über die Natur stellt.

Die gleiche „Logik“ kennzeichnet unser heutiges Geld- und Wirtschaftssystem und in ähnlicher Weise sehr oft auch gesellschaftliche Entwicklungen im Umgang mit Randgruppen und sozialen Problemen. Statt den Kampf gegen einander und gegen unsere Mitwelt fortzusetzen und unser eigenes Überleben dadurch letztlich aufs Spiel zu setzen, wären wir gut beraten, die mehr-als-menschliche Welt wieder als Partner wertzuschätzen und im Sinn des systemischen Weltbilds Kooperation und Balance als Basis unseres Handelns zu nehmen.

Wer sich diesem Ansatz nähern und/oder ihn vertiefen möchte, ist herzlich eingeladen, an tiefenökologischen oder interkulturellen Seminaren bei Paths of Change teilzunehmen. Dort erproben wir gemeinsam, neue Wege zu gehen und gemeinsam einen Beitrag zu leisten für eine enkeltaugliche Zukunft. Im Vordergrund stehen dabei Methoden der Naturverbindung, die auch zu einer Selbstermächtigung beitragen: https://pathsofchange.net

Über eine Unterstützung zur Förderung der Diversität von Äpfeln und Birnen freut sich Apfelgut e. V. Die Spende kann direkt an den neu entstehenden Birnensortengarten des Arboretum Bielefeld weitergeleitet werden, wenn das Stichwort Birnenzucht angegeben wird.

 

Kontoinhaber: apfel:gut e.V.
IBAN: DE12 4306 0967 2078 0737 00
BIC: GENODEM1GLS (GLS Bank Bochum)
Stichwort: Birnenzucht

Permakultur lässt sich aufs eigene Leben übertragen

“We are all elders in training …”
Mala Spotted Eagle

Mit „Krisen-Fest – wie wir aus Lebenslust die Welt retten. Eine Ode an unsere natürliche Resilienz“ schreibt Marit Marschall ein Handbuch für alle Menschen, die nicht „in Jammern und Leiden“ verharren wollen. „Wir Menschen haben Mist gebaut, und jetzt machen wir es besser“, konstatiert sie. Krisen-Fest ist ein poetisches, kluges Lehrbuch für all jene, die nach einer Methode suchen, wie sie in einer krisengeschüttelten Zeit persönlich als Mensch, aber auch – sofern sie das wollen – gärtnerisch, stabil werden und bleiben können.

Von Bobby Langer

Wie kann es sein, dass ein Ökosystem Jahrhunderte, ja Jahrtausende funktioniert, so lange der Mensch es in Ruhe lässt? Was sind die ineinandergreifenden Prinzipien eines solchen „Wunders“, haben sich die beiden Australier Bill Mollison und David Holmgren vor ein paar Jahrzehnten gefragt und haben sich auf die Suche nach Antworten gemacht. Heraus kam die „Permakultur“ mit Erkenntnissen, die sich in Windeseile über den Erdball verbreitet haben. Auch in Deutschland gibt es inzwischen Tausende von Anwendern der Permakultur-Prinzipien, die in Hausgärten ebenso gut funktionieren wie auf dem Bauernhof.

Längst hat sich Permakultur zu einer Agrar-Systemwissenschaft entwickelt, die die Grundlagen des biologischen Anbaus sowohl vervollständigt als auch erweitert. Und Permakultur lässt sich erlernen, in Deutschland in privaten Akademien, in Österreich sogar an der Universität für Bodenkultur Wien. Nach einer mehrjährigen Ausbildung erhält man den Abschluss als Permakultur-Designer/in.

Auch Marit Marschall hat auf der Suche nach der Quelle unserer natürlichen Resilienz diesen Weg gewählt. In ihrer Abschlussarbeit hat sie dargelegt, dass sich die „geistigen Werkzeuge“ der Permakultur auch auf die menschliche Lebensplanung anwenden lassen, als Design für die innere Landschaft. „Wir können uns ausprobieren als innerer Gärtner und Designer unseres Lebens“, sagt Marit Marschall. Dazu hat sie den „Baumplan“ entwickelt und seine Verwendung in ihrem Buch leicht verständlich, übersichtlich und kleinschrittig nachvollziehbar beschrieben. Die anmutigen und überraschenden Farbbilder der englischen Naturkünstlerin Amber Woodhouse verleihen dem Buch schon beim ersten Durchblättern einen gewissen Zauber.

„Krisen-Fest“ – die Schreibweise verweist auf eine Doppelbedeutung: Einerseits unterstützt die Autorin psychologisch wie permakulturell sachkundig dabei, krisenfest zu werden; dies aber nicht in einem statischen Sinn, sondern flexibel und widerstandfähig wie die Natur, in der jede Krise das Potential zu Entwicklung und Wachstum birgt.

Schritt für Schritt führt dieses Kompendium der Achtsamkeit aus der Permakultur-Perspektive die LeserInnen voran: vom sinnvollen Aufbau der eigenen Resilienzwurzeln über den Stamm des persönlichen Lebensbaums – die Analyse – bis hin zur zuverlässigen Ernte der Früchte: des eigenen Lebensertrags. Dabei gelingt Marit Marschall die Gratwanderung zwischen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und spirituellen Einsichten. Krisen-Fest ist kein Aufruf „Zurück auf die Bäume“, sondern vielmehr die Vision eines indigenen europäischen Lebens, bei dem Mitwelt und Mensch harmonisch klug miteinander verschmelzen. „Du lebst mehr im Einklang mit deinen Bedürfnissen und denen aller Lebewesen. Nicht mehr als Ausbeuter und ignoranter ‚Mensch‘, sondern als integrierter Bewohner des Planeten. So wie du es dir immer gewünscht hast.“

Im Kapitel „Die Wurzeln der Bedürfnisse“ zitiert die Autorin en berühmten Erfinder und Architekten R. Buckminster Fuller:

„Ich glaube, wir befinden uns in einer Art Abschlussprüfung, ob der Mensch mit dieser Fähigkeit zur Informationsbeschaffung und Kommunikation jetzt wirklich qualifiziert ist, die Verantwortung zu übernehmen, die uns übertragen werden soll. Und es geht hier nicht um eine Prüfung der Regierungsformen, es geht nicht um Politik, es geht nicht um Wirtschaftssysteme. Es hat etwas mit dem Individuum zu tun. Hat der Einzelne den Mut, sich wirklich auf die Wahrheit einzulassen?“

Krisen-Fest ist ein Mut-Buch in diesem Sinn, und ein Aufbruchsbuch für alle, die vielleicht noch einen letzten Impuls brauchen, um sich auf den Weg zu machen; ein Aufruf, die uns mögliche Souveränität anzunehmen und damit Verantwortung für unseren Lebensstil. Es ist aber auch eine detaillierte Aufmunterung voller gärtnerischer und permakultureller Details für alle, deren Weg sich manchmal beschwerlich anfühlt. „Handlungsfähig werden im individuellen wie im globalen Sinn“ – darum geht es hier. „Unsere innere Ausrichtung auf die konsequente Lebensqualität ist, was uns noch fehlt“, sagt Marit Marschall. „Mit diesem Buch kannst du dich darin schulen und ausbilden, deine Bedürfnisse als gesundes Ökosystem wieder zu spüren, deine Gedanken, dein Fühlen und Handeln an dem Maßstab der Prinzipien der Ökosystem zu prüfen und auszurichten. Du kannst damit deine ganze Qualität auf diesem schönen Planeten ohne Reue ausleben und verschenken.“

KRISEN-FEST – wie wir aus Lebenslust die Welt retten. Eine Ode an unsere natürliche Resilienz. Von Marit Marschall. Mit einem Interview mit Gerald Hüther.
310 S., 21,90 Euro, Europa Verlagsgruppe, ISBN 979-1-220-11656-5

 

von Isabel Batista

(zu Teil 1)

Ein eigener Garten am Haus, eine gepachtete Parzelle oder eine klassische Laube, vielleicht auch „nur“ ein Balkon oder ein Hochbeet in einem Gemeinschaftsgarten: Viele Menschen haben das Gärtnern für sich entdeckt.

Es macht Spaß, das eigene angebaute Gemüse und Obst zu ernten und in der Küche zu verarbeiten oder gleich vom Strauch zu naschen. Es bringt uns in Bewegung, senkt unseren Stresspegel und macht uns den Wert von Nahrung wieder bewusst.

Wie es bisher läuft

Weil vom kleinen Setzling bis hin zur Ernte viel Zeit und Mühe vergeht, greifen auch in Privatgärten immer noch viele Menschen zu Pestiziden oder helfen mit künstlichem Dünger nach, um das Wachstum ihrer Nutzpflanzen zu beschleunigen oder die Ernte vor Schädlingen zu schützen.

Wir dürfen hier den Wunsch nach maximaler Kontrolle und Ordnungssinn gerne hinterfragen. Wo bleibt die echte Natur, wenn sie in strikte Abschnitte gedrängt wird, jeder Laubhaufen verschwinden muss und sogar essbare Wildkräuter mit Chemie ausgemerzt werden?

In solch einem Garten finden Nützlinge keinen Anreiz zur Futtersuche oder Aufzucht ihrer Jungen. Eine Abwärtsspirale setzt ein: Schädlinge fallen über die Früchte unserer Arbeit her, und so setzen wir wieder die Chemiekeule ein.

Wir haben ein instabiles System geschaffen, in das wir immer wieder eingreifen müssen.

Es geht auch anders

Ein naturbelassener Garten bedeutet nicht, sich durch wucherndes Gestrüpp zu kämpfen oder jedem Schädling das Feld zu überlassen. Ein naturbelassener Garten bedeutet, dass man den Geschöpfen im und auf dem Boden, in der Luft und in den Zweigen der Bäume einen eigenen Spielplatz einrichtet.

Eine kleine Inspiration aus meinem Roman „Die Systemwandler“:

Im Garten waren die Schmetterlinge und Bienen zurückgekehrt und es summte überall. Die Farbenpracht war ein Genuss. Mit der Wildnisecke, die in jeden ausgewogenen Permakulturgarten gehörte, wollte Kerstin weitere Lebewesen anlocken.

Anja setzte sich nach einer kurzen Pause wieder zu ihr ins Gras und half ihr beim Schichten der Steine. „Wozu machen wir das?“, fragte sie interessiert.

Kerstin antwortete bereitwillig: „Der Steinhaufen ist für verschiedene Wildtiere als Zuflucht gedacht. Insekten, Spinnen, aber am meisten hoffe ich auf den Besuch von Eidechsen.“

„Die habe ich schon lange nicht mehr in freier Wildbahn gesehen“, sagte Anja bedrückt.

[…]

Während sie Stein auf Stein legten und so Stück für Stück ein Refugium für die weniger beachteten Lebewesen aufbauten, malte sich Kerstin im Geiste aus, wie die kleine Landschaft hier im hinteren Abschnitt ihres Gartens bald aussehen würde. „Die Steinburg der Kriech- und Krabbeltiere ist erst der Anfang“, ließ sie Anja an ihrer Vorstellungswelt teilhaben. „Geplant ist noch ein kleiner Tümpel für Frösche und Kröten, eine Ansitzstange für Greifvögel bei den Hochbeeten und ein Nistkasten für Eulen im Geäst des großen Pflaumenbaums.“

[…]

Neben dem Artenschutz hatten auch die Gärtner etwas von den Nützlingen, die durch das Futter- und Versteckangebot angelockt wurden. Sie lieferten einen Beitrag zum Schutz von Gemüse und Kräutern, indem sie die Schädlinge in Schach hielten. Zudem sollten sich einige von ihnen auch als Bestäuber nützlich machen.

“Die Systemwandler” von Isabel Batista

Ein Garten wie dieser fördert das natürliche Gleichgewicht und wird für jeden Menschen zum Abenteuer und Genuss. Unser Wohlbefinden steigt, denn jetzt können wir der echten, ein wenig wilden Natur nahe sein, sie beobachten, erleben und schätzen lernen. Vielleicht entdecken wir darin sogar unsere eigene wilde Natur.

Was Du als Systemwandler tun kannst:

  • Richte einen Garten oder Balkon ein, der ALLEN Geschöpfen einen Lebensraum bietet, oder inspiriere einen Gartenbesitzer dazu.
  • Vermeide chemische Mittel und greife für die Schädlingsbekämpfung stattdessen auf natürliche Mittel zurück (z.B. Brennesseljauche gegen Blattläuse oder die Ansiedlung von Nützlingen).
  • Vermeide Kunstdünger und belebe den Boden durch hilfreiche Pflanzen wie Klee oder mit Mulchmaterial.
  • Kaufe Pflanzensetzlinge, die ohne Pestizide herangezogen wurden (insbesondere bei bienenfreundlichen Pflanzen wie z.B. dem Lavendel).
  • Best Tipp: Mache Dich mit Permakultur vertraut (z.B. beim Permakultur-Institut) und gestalte Deinen Garten nach den Prinzipien dieser erstaunlichen Anbautechnik.

Auf diese Weise wirst Du Stück für Stück ein System erschaffen, in dem Du selbst glücklich bist, weil die Natur um Dich herum aufblüht und wirklich lebendig ist.

Wenn Du Interesse an weiteren Impulsen für einen naturbelassenen Garten, nachhaltige Lebensweisen und gute Neuigkeiten aus der Welt des sozial-ökologischen Wandels hast, dann melde Dich zu meinem Newsletter auf „Die Systemwandler“ an. Monatlich wirst Du mit dem Wissen versorgt, das ein Systemwandler zum Wandeln braucht.

Externe Links:

https://www.systemwandler.de
https://www.permakultur.de/home

Beitragsbild: Allmende Kontor auf dem Tempelhofer Feld in Berlin, ©Isabel Batista 2019