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Von Charles Eisenstein

Vor ein paar Wochen traf ich eine Frau, die mit einem Kogi Mama, einem Schamanen aus der kolumbianischen Sierra Nevada, zusammenarbeitet. Dieser Schamane war vor einigen Jahren in Kalifornien, um auf einem bestimmten Stück Land umfangreiche Zeremonien durchzuführen. Er hatte gesagt: „Ihr solltet hier besser regelmäßig Zeremonien abhalten, sonst wird es schwere Waldbrände geben.“ Niemand machte die Zeremonien, und im folgenden Jahr gab es Waldbrände. Er kam später zurück und wiederholte seine Warnung: „Wenn ihr die Zeremonien nicht macht, dann werden die Waldbrände noch schlimmer.“ Im folgenden Jahr waren die Waldbrände noch schlimmer. Er kam wieder, um noch ein drittes Mal zu warnen: „Macht diese Zeremonien, sonst werden die Waldbrände in diesem Teil der Welt noch schlimmer sein als bisher.“ Bald darauf verwüstete das sogenannte Camp Fire die gesamte Region.

Im Nachhinein fand die Frau heraus, dass in der Umgebung dieser vom Kogi-Schamanen bestimmten Ritualstelle ein kaltblütiger Völkermord an den vormals dort lebenden indigenen Menschen stattgefunden hatte. Er konnte das irgendwie wahrnehmen. Seinem Verständnis nach hat solch ein Trauma nicht nur Auswirkungen auf die Menschen, sondern auch auf das Land. Letzteres wird wütend, gerät aus der Balance und kommt erst wieder ins Gleichgewicht, wenn es durch eine Zeremonie geheilt wird.

Vor zwei Jahren traf ich einige Priester der Dogon und fragte sie, wie sie den Klimawandel sähen. Die Dogon haben, genauso wie die Kogi, ihre zeremoniellen Praktiken über tausende von Jahren erhalten. Die Männer sagten: „Es ist nicht so, wie ihr denkt. Das Klima spielt vor allem deshalb verrückt, weil ihr Heiligtümer, die mit großer Sorgfalt platziert wurden, von ihren Bestimmungsorten geraubt habt, um sie in Museen nach London und New York zu bringen.“ Ihrem Verständnis nach halten diese Gegenstände und die sie begleitenden Zeremonien den Bund zwischen Menschen und Erde lebendig. Im Gegenzug für das von den Menschen dargebrachte Schöne und die Aufmerksamkeit bietet die Erde den Menschen einen bewohnbaren Lebensraum.

Meine Freundin Cynthia Jurs hält schon seit einigen Jahrzehnten Zeremonien ab, in denen sie sogenannte „Erd-Schatz-Vasen“ (engl. „Earth Treasure Vases“) eingräbt. Diese Kultgefäße werden in einem Kloster in Nepal einem bestimmten Ritual folgend hergestellt. Cynthia lernte die zeremonielle Praxis (das klingt jetzt nach einem Klischee, aber es ist wirklich so passiert) von einem 106 Jahre alten Lama in einer Höhle im Himalaya. Sie fragte ihn: „Wie kann ich der Heilung dieser Welt am besten dienen?” Er antwortete: „Nun, wann immer du Menschen zu einer Meditation zusammenbringst, bewirkt das Heilung. Aber wenn du noch mehr machen willst, dann kannst du Erd-Schatz-Vasen eingraben.” Anfangs war Cynthia enttäuscht von dem Vorschlag. Als Anhängerin des tibetischen Buddhismus zweifelte sie nicht an der Schönheit dieser Zeremonie, aber mal ehrlich, es gibt auf der Welt doch reale soziale und ökologische Wunden, die Heilung brauchen. Menschen müssen sich zusammentun. Systeme müssen sich ändern. Was bringt da eine Zeremonie?

Trotzdem nahm sie einige der Vasen, die der Lama in einem Kloster in der Nähe in Auftrag gegeben hatte, als Geschenk an. Fünf Jahre später begann sie ihre Weltreise an Orte, wo Land und Menschen schwere Traumata erlitten hatten, um die Vasen den zeremoniellen Anweisungen entsprechend zu vergraben. An manchen dieser Orte geschahen große und kleine Wunder, unter anderem recht „banale“ (irdische) soziale Wunder wie die Gründung von Friedenszentren. Nach allem, was sie beobachtet, funktionieren diese Zeremonien.

Rituale, Zeremonien und Materialismus

Wie erklären wir uns solche Geschichten? Der politisch korrekte, moderne Geist will andere Kulturen respektieren, aber er zögert, ihre radikal andere Sichtweise auf kausale Zusammenhänge ernst zu nehmen. Die Zeremonien die ich meine, entsprechen nicht dem modernen Verständnis wirkungsvollen Handelns in der Welt. Eine Klimakonferenz kann vielleicht damit beginnen, dass ein indigener Mensch die vier Himmelsrichtungen anruft, anschließend aber geht man wieder zum harten Geschäft der Metriken, Modelle und Regulierungen über.

In diesem Essay will ich aus einem anderen Blickwinkel erforschen, was moderne Menschen aus einem zeremoniellen Zugang zum Leben mitnehmen können, wie ihn traditionelle, indigene und ortsverbundene Ethnien (die Orland Bishop “Kulturen der Erinnerung” nennt) und auch esoterische Strömungen innerhalb der dominanten Kultur praktizieren.

Dieser alternative Blickwinkel soll kein Ersatz für pragmatische oder rationale Ansätze zur Lösung persönlicher und sozialer Probleme sein. Er ist auch nicht parallel zu – und getrennt von – pragmatischen Ansätzen zu verstehen. Und er ist auch nicht von anderer Leute Ritualen geborgt oder übernommen.

Er basiert auf einer fundamental anderen Sicht auf die Welt und vereint das Zeremonielle mit dem Pragmatischen.

Beginnen wir mit einer vorläufigen Unterscheidung zwischen Zeremonie und Ritual. Auch wenn wir sie vielleicht oft nicht als solche sehen, ist unser modernes Leben voll von Ritualen. Eine Kreditkarte an der Kasse durchziehen ist ein Ritual. In der Schlange stehen ist ein Ritual. Medizinische Behandlungen sind Rituale. Die Unterzeichnung eines Vertrages ist ein Ritual. Ein Häkchen bei „Ich habe die allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Kenntnis genommen“ setzen ist ein Ritual. Die Steuererklärung einreichen ist ein kompliziertes Ritual, für dessen ordnungsgemäße Vollziehung viele den Beistand eines Priesters brauchen – eines Menschen, der in die geheimnisvollen Riten und Regeln eingeweiht ist, eine für Laien kaum verständliche, sonderbare Sprache fließend spricht und dessen Rang und Ehre sich durch einen dem Namen beigefügten Ehrentitel auszeichnet. Mithilfe der Steuerberaterin kannst du das Ritual vollziehen und ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft bleiben. Rituale umfassen die Verarbeitung von Zeichen in einer vorgeschriebenen Art und Reihenfolge, um mit der sozialen und materiellen Welt in Beziehung zu bleiben.

Dieser Definition zufolge sind Rituale weder gut noch schlecht, sondern schlichtweg eine Art, wie Menschen und andere Wesen ihre Realität zusammenhalten.

Eine Zeremonie ist nun eine besondere Art des Rituals. Sie ist ein Ritual, das in der bewussten Präsenz des Heiligen vollzogen wird; im Bewusstsein, dass göttliche Wesen uns zusehen oder dass Gott uns bezeugt.

Für jene, in deren Weltsicht das Heilige, göttliche Wesen oder Gott keinen Platz haben, sind Zeremonien entweder abergläubischer Unsinn oder bestenfalls noch ein psychologischer Trick, mit dem man seine Aufmerksamkeit konzentrieren und sein Gemüt beruhigen kann.

Moment mal. In einer Weltsicht, in der es das Heilige, göttliche Wesen oder Gott gibt, würde Er oder Sie, oder würden sie alle, uns dann nicht ständig beobachten – und alles sehen, was wir tun? Und wäre dann nicht alles eine Zeremonie?

Ja, das wäre es – wenn du dir der Gegenwart des Göttlichen ständig bewusst wärst. Wie oft ist das der Fall? Und wie oft würdest du auf eine Frage hin lediglich vorgeben, die Präsenz des Göttlichen zu spüren, ohne sie wirklich voll und ganz zu spüren? Bis auf ganz wenige Ausnahmen scheinen die religiösen Menschen, die ich kenne, sich nicht so zu verhalten, als würde Gott alles sehen und hören. Beispiele für solche Ausnahmen finden sich über alle Konfessionsgrenzen hinweg. Man erkennt sie an einer Art Tiefe und Bedeutsamkeit, die sie ausstrahlen. Alles, was sie sagen oder tun, hat Gewicht. Diese Würde verkörpern sie nicht nur zu besonderen Anlässen, sondern ständig: in ihrem Lachen, ihrer Wärme, ihrer Wut und ihren Alltagsmomenten. Wenn so ein Mensch eine Zeremonie abhält, ist es, als würde sich die Schwerkraft im Raum verändern.

Zeremonien sind keine Flucht vor der chaotischen, materiellen Welt in eine spirituelle Hokuspokus-Welt, sondern im Gegenteil: die vollere Annahme des Stofflichen. Es ist die ständige Übung, der Materie den angemessenen Respekt zu zollen – sei es, weil die Materie an sich heilig ist oder deshalb, weil sie Teil von Gottes Meisterwerk ist. Am Altar stellt man die Kerze in einer ganz bestimmten Weise hin. Ich habe ein Bild des Mannes vor Augen, von dem ich gelernt habe, was Zeremonie bedeutet. Er ist bedächtig und präzise, nicht streng, aber auch nicht nachlässig. Den Anforderungen des Momentes und des Ortes lauschend wird jede seiner Bewegungen zu einem Kunstwerk.

In einer Zeremonie ist man ganz bei der Sache. Man macht alles genau so, wie es sein soll. In der Zeremonie übt man also für alle anderen Momente des Lebens, alles genau richtig zu machen. Eine aufrichtige zeremonielle Praxis zieht wie magnetisch andere Bereiche des Lebens in ihr Feld. Sie ist wie ein Gebet mit dem Wunsch: „Möge alles, was ich tue, eine Zeremonie sein. Möge ich jede Handlung in höchster Achtsamkeit, Sorgsamkeit und mit größtem Respekt für die Sache tun.“

Pragmatismus und Pietismus

Die Kritik, die vielen mit Zeremonien verplemperten Tage wären doch mit Bäume pflanzen oder Kampagnen gegen die Holzindustrie besser genutzt, übersieht also ganz klar etwas Wichtiges. Der Gärtner wird sich – von der Zeremonie beseelt – um die richtige Stelle für jeden Baum und die richtige Baumart je nach Mikroklima und ökologischer Nische kümmern. Er wird darauf achten, den Baum in der richtigen Tiefe einzupflanzen. Und er wird dafür sorgen, dass der Baum weiterhin geschützt und gepflegt wird. Er wird danach streben, es genau richtig zu machen. Genauso wird die Aktivistin unterscheiden können, was zielführend ist, um die Abholzung zu verhindern, und was bloß ihrem falschen missionarischen Stolz, ihrem Märtyrer-Komplex oder ihrer Selbstgerechtigkeit dient. Sie wird nicht aus den Augen verlieren, welcher Sache sie dient.

Es ist Quatsch, über eine indigene Kultur zu sagen: „Dass sie fünftausend Jahre lang nachhaltig auf diesem Land gelebt haben, hat nichts mit ihren abergläubischen Zeremonien zu tun, sondern damit, dass sie scharfsinnige Beobachter der Natur sind und sieben Generationen in die Zukunft denken.“ Einen Ort zu verehren und auf seine Bedürfnisse achtzugeben ist integraler Bestandteil ihrer zeremoniellen Lebensweise. Die Geisteshaltung, die uns eine Zeremonie vollziehen lässt, lässt uns auch die Frage stellen: „Was möchte das Land? Was möchte der Fluss? Was möchte der Wolf? Was möchte der Wald?“ – und ihren Antworten lauschen. Die Geisteshaltung sieht Land, Fluss, Wolf und Wald als Wesenheiten – und zählt sie zu jenen göttlichen Wesen, die uns immer bezeugen, und deren Bedürfnisse und Interessen mit den unseren verflochten sind.

Was ich sage, mag für manche klingen, als würde ich gegen die Theologie sprechen. Deshalb werde ich für jene, die an einen Schöpfergott glauben, eine Übersetzung anbieten. Aus jedem Baum, Wolf, Fluss und Wald schaut uns Gott zu. Alles wurde mit einer Bestimmung und Absicht geschaffen. Und so fragen wir: Wie können wir unseren Teil zur Erfüllung der Bestimmung beitragen? Und die Antwort wird dieselbe sein wie auf die Frage: Was möchte der Wald? So kannst du auch den Rest des Textes für dich übersetzen, wenn du an einen Schöpfergott glaubst.

Ich persönlich kann nicht behaupten zu wissen, dass göttliche Wesen mich immer beobachten. So wie ich erzogen wurde, waren göttliche Wesen wie der Himmel, die Sonne, der Mond, der Wind, die Bäume und die Ahnen überhaupt keine göttlichen Wesen. Der Himmel war eine gewisse Menge an Gaspartikeln, die sich im Nichts des Alls verlieren. Die Sonne war ein Ball aus verschmelzendem Wasserstoff. Der Mond war ein Felsbrocken (und ein Felsbrocken ist ein Agglomerat an Mineralien, und Mineralien sind ein Haufen lebloser Moleküle…). Der Wind war das Zusammenspiel von bewegten Molekülen und geomechanischen Kräften. Bäume waren biochemische Säulen, und die Ahnen waren Leichen unter der Erde. Die Welt außerhalb von uns war stumm und tot, ein zufälliges Tohuwabohu aus Kraft und Masse. Da draußen gab es nichts, keine Intelligenz, die mein Sein und Handeln bezeugte; und keinen Grund, irgendetwas besser zu machen, als sich durch die rational vorhersehbaren Konsequenzen rechtfertigen ließ.

Warum sollte ich die die Kerze auf meinem Altar genau richtig hinstellen? Ist sie doch bloß Wachs, das um einen Docht herum oxidiert. Die Position der Kerze übt keine Kraft auf die Welt aus. Warum sollte ich mein Bett machen, wenn ich eh in der nächsten Nacht wieder darin schlafen werde? Warum sollte ich für irgendetwas mehr tun, als die Note, der Chef oder der Markt es verlangen? Warum sollte ich mich je bemühen, etwas schöner zu machen, als es sein muss? Ich mogle mich ein bisschen durch – das fällt schon keinem auf. In meiner kindlichen Fantasie konnten die Sonne und der Wind und das Gras mich sehen, aber mal ehrlich, sie sehen mich nicht wirklich, sie haben keine Augen, sie haben auch kein zentrales Nervensystem, sie sind keine lebendigen Wesen, wie ich eines bin. In dieser Ideologie bin ich aufgewachsen.

Die zeremonielle Weltsicht leugnet nicht, dass es nützlich sein kann, den Himmel als einen Haufen Gaspartikel und einen Stein als Zusammensetzung aus Mineralien zu sehen. Aber sie beschränkt den Himmel und den Stein nicht darauf. Statt einzig ihre Zusammensetzung als ihre „eigentliche“ Natur zu betrachten, erachtet sie andere Interpretationen als genauso wahr und nützlich. Die Alternative zu der Weltsicht meiner Kindheit ist deswegen nicht, alles Nützliche für irgendeine zeremonielle Ästhetik über Bord zu werfen. Die Trennung zwischen Nützlichkeit und Ästhetik ist falsch. Sie wird nur einer kausalen Weltsicht gerecht und übersieht die mysteriöse und elegante Intelligenz des Lebens. Die Wirklichkeit ist nicht so, wie sie uns erklärt wurde. In der Welt wirken Intelligenzen, die die menschliche weit übersteigen, und andere kausale Prinzipien als physikalische Kräfte. Synchronizität, morphische Resonanz und Autopoiese (Prozess der Selbsterschaffung und -erhaltung eines Systems) können, während sie keine Antithesen zur Kausalität der Kräfte darstellen, unseren Möglichkeitshorizont erweitern. Dementsprechend wird eine Zeremonie nicht Dinge in der Welt „machen“, sondern die Wirklichkeit in eine Form bringen, in der andere Dinge passieren.

In einem Leben ohne Zeremonie stehen wir ohne Verbündete da. Nachdem wir sie aus unserer Realität verbannt haben, entlassen sie uns in eine Welt ohne Intelligenz – die modernistische Ideologie. Das mechanistische Weltbild wird zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung, sodass uns tatsächlich nur bleibt, mittels Kraft auf die Welt einzuwirken.

Traditionelle Gesellschaften wie die Kogi oder die Dogon wollen nicht, dass wir ihre Zeremonien nachahmen; sie laden uns ein, zu einer Weltsicht überzugehen, in der wir Menschen als Gefährten an einer Welt teilhaben, deren Intelligenzen miteinander im Gespräch sind, in einem Universum voller lebendiger Wesen. Eine Zeremonie ist Ausdruck der Entscheidung, in so einem Universum zu leben und an der Erschaffung seiner Wirklichkeit teilzuhaben.

Zeremonien zur Heilung der Umwelt

In der Praxis – warte mal! Alles, was ich gesagt habe, ist schon wunderbar praktisch. Ich möchte stattdessen darüber sprechen, wie die zeremonielle Geisteshaltung auf Umweltpolitik und -Praxis ausgeweitet werden kann. Das heißt, jedem Ort auf der Erde gerecht zu werden, ihn als Wesenheit zu sehen; zu wissen, dass, wenn wir jeden Ort, jede Spezies und jedes Ökosystem als heilig ansehen, wir den ganzen Planeten in eine heilige Ganzheit bringen.

Manchmal passen die Handlungen, die daraus entspringen, jeden Ort als heilig anzusehen, gut in die Logik der Kohlenstoffsequestrierung und des Klimawandels; zum Beispiel wenn wir ein Pipeline-Projekt verhindern, um einen heiligen Fluss zu beschützen. Manchmal scheint die Logik von CO2-Budgets dem Instinkt der zeremoniellen Geisteshaltung zu widersprechen. Heutzutage werden Wälder abgeholzt, um riesigen Solar-Anlagen Platz zu machen, und Vögel sterben in den Rotorblättern riesiger Windräder, die über der Landschaft thronen. Außerdem wird alles, was keinen besonderen Einfluss auf die Treibhausgas-Bilanz hat, für umweltpolitische Entscheidungsträger unsichtbar. Was ist der praktische Nutzen einer Wasserschildkröte? Eines Elefanten? Was spielt es für eine Rolle, wenn ich meine Kerze schludrig auf den Altar stelle?

In einer Zeremonie spielt jedes Detail eine Rolle. Durch den zeremoniellen Blick auf ökologische Heilung weitet sich unsere Wahrnehmung. Während die Wissenschaft mehr und mehr die Wichtigkeit von zuvor unsichtbaren oder banalisierten Lebewesen entdeckt, wächst auch der Einflussbereich der Zeremonie. Boden, Myzelien, Bakterien, die Form von Wasserläufen – sie alle fordern einen Platz auf dem Altar unserer Land- und Forstwirtschaft und in allen Beziehungen mit dem Rest des Lebens. Je feiner unser Gespür für kausale Zusammenhänge wird, desto mehr erkennen wir auch, wie entscheidend beispielsweise Schmetterlinge oder Frösche oder Wasserschildkröten für eine gesunde Biosphäre sind. Am Ende stellen wir fest, dass das zeremonielle Auge angemessen war: dass die Gesundheit unserer Umwelt nicht auf ein paar messbare Größen reduziert werden kann.

Das soll keine Empfehlung sein, ökologische Sanierungsprojekte aufzugeben, die auf einem plumperen Verständnis von der Welt, also zum Beispiel auf einem mechanistischen Verständnis von Natur, beruhen. Die Frage lautet: Was ist der nächste Schritt zur Vertiefung unserer zeremoniellen Beziehung zur Natur? Vor Kurzem hatte ich mit Ravi Shah zu tun, einem jungen Inder, der atemberaubende Arbeit zur Regeneration von Teichen und dem umliegenden Land leistet. Ganz nach dem Vorbild von Masanobu Fukuoka arbeitet er mit einer feinspürigen Liebe zum Detail, pflanzt ein bisschen Schilf hier, reißt dort einen invasiven Baum aus und vertraut auf die regenerative Kraft der Natur. Je kleiner sein Eingriff, umso größer der Effekt. Das heißt nicht, dass gar kein Eingriff den allergrößten Effekt hätte. Sondern: Je feiner und präziser er die natürliche Bewegung der Natur versteht, umso mehr kann er sich ihr anpassen und ihr dienen, und umso weniger muss er eingreifen. Das Ergebnis ist, dass Ravi eine üppige, grüne Oase inmitten einer kargen Landschaft, einen lebendigen Altar geschaffen – oder genauer gesagt, dass er dessen Entstehung gedient – hat.

Ravi ist verständlicherweise unglücklich mit großdimensionierten Wasserrestaurationsprojekten wie denen, die ich in meinem Buch beschrieben habe: Rajendra Singhs Arbeit in Indien und die Wasserrückhaltemaßnahmen am Lössplateau, die niemals der Hingabe und Ehrerbietung nahekommen, die Ravi den unmittelbaren örtlichen Eigenheiten entgegenbringt. Diese Projekte erwachsen aus einem konventionelleren, mechanistischen Verständnis von Hydrologie. „Wo ist das Heilige?“, möchte er wissen. Wo ist die Demut vor der Weisheit miteinander verflochtener Ökosysteme und ihrer jeweiligen örtlichen Einzigartigkeit? Sie bauen doch nur Teiche. „Vielleicht stimmt das,“ war meine Antwort, „aber wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie sind, und jeden Schritt in die richtige Richtung würdigen.“ Selbst diese mechanistischen, hydrologischen Projekte sind im Kern von einem Respekt für das Wasser getragen. Ravis Arbeit bietet einen Einblick, wo es hingehen könnte; ohne die Projekte, welche die ersten von vielen Schritten dorthin darstellen, schlechtzumachen.

Ich möchte anfügen, dass ein Land für seine Heilung ein gesundes Vorbild braucht; ein Reservoir der Gesundheit, von dem es lernen kann. Ravis Oasen ökologischer Gesundheit können nach außen in die soziale und ökologische Umgebung abstrahlen und heilend auf angrenzende Orte wirken (zum Beispiel als Zufluchtsorte oder Laichplätze für Pflanzen und Tiere), und sie können Inspiration für andere Menschen sein, die sich um die Heilung der Erde bemühen. Deswegen ist der Amazonas so entscheidend, besonders seine Quellgebiete, die möglicherweise das größte intakte Reservoir und die Quelle von ökologischer Gesundheit auf der Erde sind. Hier ist Gaias Gedächtnis von Gesundheit, einer vergangenen und zukünftigen heilen Welt, noch intakt.

Ravis Arbeit zur Wiederherstellung von Ökosystemen funktioniert genau wie eine Zeremonie. Man könnte jetzt sagen, man sollte besser keine bestimmten Zeremonien machen – jede Handlung sollte eine Zeremonie sein. Warum sollten nur diese 10 Minuten heilig sein? Gleichermaßen könnte man darauf bestehen, dass jeder Ort auf der Welt so behandelt werden sollte, wie Ravi seine Orte behandelt. Die meisten von uns (wie auch die Gesellschaft als Ganzes), sind für so einen Schritt aber noch nicht bereit. Die zu überwindende Kluft ist zu groß. Wir können nicht erwarten, unsere techno-industriellen Systeme, unsere gesellschaftlichen Systeme oder unsere tief eingeprägte Psychologie über Nacht zu verändern. Was hingegen für die meisten von uns funktioniert, ist eine Oase der Perfektion – die Zeremonie – so gut es geht zu verankern, bis sie in unserer Lebenslandschaft Wellen schlägt, und damit mehr und mehr Aufmerksamkeit, Schönheit und Kraft in jede Handlung bringt. Jede Handlung zur Zeremonie zu machen beginnt damit, eine Handlung zur Zeremonie zu machen.

Zeremonien aus erster Hand

Der Rest des Lebens wird nicht automatisch profan und unzeremoniell, wenn man einen bestimmten Teil zur Zeremonie macht. Im Gegenteil, in der Durchführung der Zeremonie hegen wir die Absicht, sie möge auf den Tag oder die Woche ausstrahlen. Sie ist ein Fels in der Brandung des Lebens. Ebenso wenig wollen wir nur einige ausgewählte Orte verwilderter Natur, Naturreservate und Nationalparks bewahren oder einige Orte in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Diese Orte sind vielmehr wie Leitsterne: Beispiele und Erinnerung daran, was möglich ist. Weil Menschen wie Ravi solche Orte hegen, sind wir dazu aufgerufen, ein bisschen, und Stück für Stück mehr davon an alle Orte zu bringen. Mit der Einbettung eines kurzen zeremoniellen Moments in unser Leben wächst der Ruf, ein bisschen davon, und Stück für Stück mehr davon in jeden Augenblick mitzunehmen.

Wie erwecken wir in einer Gesellschaft, in der sie fast ausgestorben sind, Zeremonien wieder zum Leben? Das Imitieren oder Importieren von Zeremonien aus anderen Kulturen ist, wie ich bereits schrieb, nicht die Lösung. Es ist auch nicht notwendig, den Zeremonien der eigenen Ahnen nachzujagen, ein Unterfangen, mit dem wir scheinbar das Risiko der kulturellen Aneignung ausschließen aber gleichzeitig riskieren, unsere eigene Kultur zu vereinnahmen. Zeremonien sind lebendig; beim Versuch sie zu imitieren oder zu konservieren erzeugen wir nur eine Attrappe.

Welche Möglichkeit bleibt uns nun? Uns unsere eigenen Zeremonien zu schaffen? Nein, streng genommen nicht. Zeremonien werden nicht erschaffen, sondern entdeckt.

Folgendermaßen könnte es gehen. Du beginnst mit einer rudimentären Zeremonie, vielleicht zündest du jeden Morgen eine Kerze an und nimmst dir einen Moment Zeit, darüber nachzudenken, wer du heute sein willst. Aber wie zündest du die Kerze richtig an? Wie zündest du sie perfekt an? Vielleicht nimmst du sie in die Hand und hältst sie schräg über das Streichholz. Und wo legst du das Streichholz hin? Auf einen kleinen Teller an der Seite vielleicht. Dann stellst du die Kerze wieder zurück, genau richtig. Dann schlägst du vielleicht ein Glöckchen drei Mal an. Mit wie viel Abstand zwischen den Schlägen? Hast du es eilig? Nein, du wartest bei jedem Ton, bis er in Stille übergeht? Ja, genau so ist es richtig …

Mir geht es nicht darum, dass diese Regeln und Abläufe deine Zeremonie bestimmen sollen. Um eine Zeremonie zu entdecken, folge dem Gefühl von „Ah ja, so ist es genau richtig“, das deine Achtsamkeit enthüllt. Im Lauschen, Beobachten, im aufmerksamen Da-Sein erspüren wir, was zu tun, was zu sagen ist, und wie wir uns daran beteiligen. Nicht anders haben Menschen wie Fukuoka gelernt, richtig mit dem Land umzugehen.

Vielleicht wird aus der Kerze ein kleiner Altar, und aus dem Entzünden wird eine etwas längere Zeremonie, sich um diesen Altar zu kümmern. Dann strahlt es aus. Vielleicht räumst du bald deinen Schreibtisch mit derselben Sorgsamkeit auf. Oder dein Zuhause. Und bald wendest du dich mit derselben Sorgfalt und demselben Wohlwollen deinem Arbeitsplatz, deinen Beziehungen und dem Essen, das du in deinen Körper gibst, zu. Mit der Zeit wird die Zeremonie ein Anker, eine Brücke hinüber in die Realität, in der du lebst. Vielleicht hast du das Gefühl, dass sich dein Leben rund um die Intention deiner Zeremonie neu ausrichtet. Womöglich erlebst du Synchronizitäten, die zu bestätigen scheinen, dass hier tatsächlich eine größere Intelligenz am Werk ist.

Wenn dies geschieht, taucht das Gefühl auf, dass uns hier unzählige Wesen begleiten. Die Zeremonie, die nur Sinn hat, wenn heilige Wesen uns zuschauen, befördert uns in eine erfahrbare Realität, in der diese heiligen Wesen tatsächlich anwesend sind. Je mehr wir diese Anwesenheit spüren, umso inniger ist die Einladung, mehr Handlungen, wirklich jede Handlung als Zeremonie und mit unserer vollen Aufmerksamkeit und Wahrhaftigkeit zu begehen. Wie wäre dann das Leben? Was wäre dann die Welt?

Volle Aufmerksamkeit und Wahrhaftigkeit kann unter unterschiedlichen Umständen ganz verschieden aussehen. In einem Ritual äußert sie sich ganz anders als in einem Spiel, in einem Gespräch, oder beim Kochen. Eine Situation erfordert Präzision und Ordnung, eine andere Spontanität, Wagemut oder Improvisation. Die Zeremonie schlägt einen Grundton an, an dem sich jede Handlung und jedes Wort stimmig danach ausrichten kann, wer man wirklich ist, wer man sein möchte und in welcher Welt man leben möchte.

Eine Zeremonie gewährt uns Einblick in das heilige Ziel, wo gilt:

Jede Handlung eine Zeremonie.
Jedes Wort ein Gebet.
Jeder Schritt eine Pilgerschaft.
Jeder Ort eine heilige Stätte.

Eine heilige Stätte verbindet uns mit dem Heiligen, das über die eine heilige Stätte hinausgeht und alle heiligen Stätten miteinschließt. Eine Zeremonie kann aus einem Ort eine heilige Stätte machen und bietet so einen Rettungsanker hinüber in eine Realität, in der alles heilig ist. Sie ist der Vorposten dieser Realität oder dieser Geschichte über die Welt. Genauso ist jedes regenerierte Stück Erde ein Vorposten der verbliebenen Oasen ursprünglicher Lebendigkeit wie dem Amazonas, dem Kongo, vereinzelten Resten unberührter Korallenriffe, Mangrovenwälder und so weiter. Wir schauen verzweifelt auf die Pläne der neuen brasilianischen Regierung zur Plünderung des Regenwaldes und fragen, was wir tun können, um ihn zu retten. Politische und wirtschaftliche Handlungen sind bestimmt notwendig, aber wir können zeitgleich auf einer anderen Ebene handeln. Jeder Ort, der geheilt wird, nährt den Amazonas und bringt uns einer Welt näher, in der er intakt bleibt. Mit der Vertiefung unserer Beziehung zu solchen Orten rufen wir bislang unerkannte Kräfte her, unsere Entschlossenheit zu stärken und unsere Bündnisse zu koordinieren.

Die Wesen, die wir aus unserer Realität ausgeschlossen haben, die wir in unserer Wahrnehmung zu Nicht-Wesen degradierten, sind noch immer da und warten auf uns. All meinem angelernten Unglauben zum Trotz (mein eigener innerer Zyniker, der Naturwissenschaften, Mathematik und analytische Philosophie studiert hat, ist mindestens so penetrant wie deiner) spüre ich, wenn ich mir einen Moment aufmerksame Stille erlaube, dass diese Wesen sich versammeln. Stets hoffend scharen sie sich um die ihnen gewidmete Aufmerksamkeit. Spürst du sie auch? Inmitten deiner Zweifel – vielleicht – und ohne Wunschdenken: Kannst du sie spüren? Es ist dasselbe Gefühl, wie im Wald zu stehen und plötzlich wie zum ersten Mal zu erkennen: Der Wald lebt. Die Sonne schaut mir zu. Und ich bin nicht allein.

Übersetzung: Christoph Peterseil, Nikola Winter, Vanessa Groß und Stephan Pfannschmidt

Spenden ans Übersetzerteam werden gerne angenommen:

GLS Bank, DE48430609677918887700, Verwendungszweck: ELINORUZ95YG

 

Hinweis zur deutschen Übersetzung:

Die Unterscheidung zwischen profanen und „heiligen“ ( = „in der Präsenz des Göttlichen durchgeführten“) Handlungen ist wesentlicher Gegenstand des Textes. Zur Unterscheidung stellt Charles die beiden Begriffe „Ceremony“ und „Ritual“ gegenüber. „Ritual“ ist bei Charles das Profane, „Ceremony“ das Heilige.

Die Übersetzung dieser Begriffe ins Deutsche erwies sich als unvermutet knifflig. Schließlich ist in der Ritualarbeit (z.B. Visionssuche) im deutschen Sprachraum vielerorts das Wort „Ritual“ gebräuchlich, wo man in Nordamerika „Ceremony“ sagt. Eine direkte Vertauschung der beiden Begriffe für den deutschen Text wurde in Erwägung gezogen, schien aber auch nicht stimmig – unter anderem, weil dann ein vergleichendes Lesen der verschiedenen Sprach-Fassungen Verwirrung stiften würde. Deshalb blieben die Kernbegriffe bei ihren gleichlautenden Pendants: das englische „Ritual“ für das deutsche „Ritual“, „Ceremony“ für „Zeremonie“.

Interview mit Bobby Langer im SOL-Magazin 1/2023:

Nur so ist die Transformation unserer Gesellschaft zu einer nachhaltigen möglich, meint Bobby Langer im Interview. Von Mario Sedlak

Bobby Langer arbeitet von Würzburg aus unermüdlich am Wandel. Sein Hauptwerkzeug ist die von ihm mitgegründete Website www.oekoligenta.de.

SOL: „Ökoligenta“ ist die Nachfolge von „intelligenter“?

Bobby Langer: Das ist ein Begriff aus dem Roman Jamilanda von Alander Baltosée, in dem detailliert dargelegt wird, wie eine sozial-ökologische Gesellschaft aussehen könnte. Mit „Ökoligenz“ ist ein Bewusstsein gemeint, das ökologisch wertvoll und kulturell intelligent handelt. Emotionale und rationale Intelligenz werden mit der Intelligenz natürlicher Kreisläufe verbunden. Das ist eine neue Eigenschaft, die der Mensch braucht.

Also wir brauchen einen neuen Menschen?

Nicht einen neuen, sondern einen „erweiterten“ Menschen, der sich seines Eingebettetseins in die großen natürlichen Zusammenhänge bewusst ist und die auch immer mitdenkt.

Wie hat die Ökoligenta-Plattform begonnen?

Vor 4 Jahren ist sie entstanden. Ursprünglich wollten Freunde und ich eine Umweltmesse zur Vernetzung der sozial-ökologischen Bewegungen machen. Leider ist das grandios an Sachzwängen gescheitert. Aber der Gedanke der Zusammensicht der verschiedenen Aspekte der sozial-ökologischen Transformation war da, und daraus haben wir die Seite Ökoligenta gebaut.

Wie habt ihr euch gefunden?

Ich bin seit 1976 in der Umweltbewegung aktiv und habe da 1001 Kontakte. Ungefähr 15 Leute konnte ich für die Idee, Ökoligenta zu gründen, begeistern.

Und heute?

Aktuell sind wir zu sechst. Teamverstärkung wäre dringend gewünscht. Bei vielen Leuten lässt das Engagement erheblich nach, sobald es in Arbeit ausartet.

Einmal im Monat schicken wir einen Wandel-Newsletter. Das sind 30-40 Stunden Arbeit pro Monat. Wir achten darauf, dass in dem Newsletter keine Negativinformationen sind, sondern wirklich nur Aspekte, die zum Wandel beitragen. Über das, was nicht geht, wird ohnehin sehr viel berichtet.

Der Wandel-Newsletter geht auch als Presseaussendung an rund 1000 Redaktionen in Deutschland. Dafür zahle ich 2400 € im Jahr. Da geht’s darum, den Leuten Material an die Hand zu liefern, an das sie sonst häufig gar nicht kommen.

Was wollt ihr erreichen? Was sind eure Erfolge?

Wir wollen die verschiedenen „Blasen“ innerhalb der Transformationsbewegung überbrücken, d. h. die Leute vernetzen und damit den Wandel beschleunigen. Wir haben 350 Organisationen aufgelistet. Oft sage ich Leuten: „Schau in die Liste, da gibt’s noch die und die Organisation!“ In 50 % der Fälle wissen die Leute nicht, dass es noch eine andere Organisation gibt, die das Gleiche macht wie sie selber.

Eine große Kluft gibt es nach wie vor z. B. zwischen Linken und Naturschützern, die einander verachten, obwohl beide eigentlich das Gleiche wollen. Beide haben viel mehr Gemeinsamkeiten, als sie denken.

Ein interessanter Aspekt aus der gewaltfreien Kommunikation ist, dass man in dem Augenblick, wo man ganz bestimmte feste Positionen einnimmt, bereits beginnt, eine Gewaltposition aufzubauen. In der Natur und im gesamten Kosmos gibt’s nie feste Positionen, sondern alles befindet sich in einem ständigen Wandel. Es ist eine jugendliche Form des Denkens, wo man gerne Dinge verabsolutiert, weil man jetzt „weiß“, was die Wahrheit ist. Auch wenn Windräder heute gut sind, könnte es in 5 Jahren was Besseres geben.

Wir dürfen die Leute nicht verschrecken. Dann können wir die kritische Masse erreichen, und die sozial-ökologische Transformation kommt ins Rollen. Man sagt, dass dafür schon 5 % ausreichend wären.

Die Himmel sind weit
und weniger fern, als wir dachten.
Es gibt ein Über-den-Wolken
in uns auch,
nicht nur die Dunkelheit und die Blendgranaten,
sondern tausend Lichter am Ende der Tunnel;
die Hoffnung, die uns, und sei sie noch so klein,
für einander am Leben hält und
uns in einem Lächeln verbindet,
in einem heimlichen, verstohlenen,
revolutionären Lächeln.

Nun lasst uns also die Hände ergreifen,
die dargebotenen, die ausgestreckten,
die hilfesuchenden auch.
Nun seht, dass die Tage länger werden
und nicht von Dauer sind Krieg und Verderben.
Die Bleikammern der Herzen sind überwindbar
und die Birken vor Birkenau grünen
wider alles Erwarten.

Bobby Langer

 

von Isabel Batista

(zu Teil 2)

Unsere Welt ist ein lebendiges System aus Zyklen, Rhythmen und Prozessen. Es unterliegt bestimmten Naturgesetzen. Doch mit unserer Art des Lebens und Wirtschaftens verstoßen wir jeden Tag aufs Neue gegen diese Naturgesetze. Das hat schwerwiegende Veränderungen auf dem Planeten Erde verursacht. Um den Prozess der Zerstörung zu stoppen, müssen wir zu Systemwandlern werden. Wir müssen die von uns geschaffenen Systeme wieder in Einklang mit den Naturgesetzen bringen. Eines dieser Systeme ist die Landwirtschaft. Weiterlesen

Nein, diese Überschrift, so sehr sie einer ähnelt, ist keine. Sie fasst nichts zusammen, liefert allenfalls Stichworte, wirkt „nach unten“ in den Text hinein, und der Text klimmt nach oben und keimt in den drei Lücken zwischen den Worten und den dreißig Buchstaben. Die Kommata und später die Punkte sind Pflanzlöcher, größere Verschnaufpausen, durch die hindurch – wie durch die kleinen Lücken – Sinn entsteht und wieder verraucht.

Wohin?

Seit einer geraumen Weile denkt es in mir über die neue Ontologie nach, die wir so dringend brauchen, keinen Paradigmenwechsel, der sich so leicht dahinsagen und einfordern lässt, sondern tatsächlich ein neues Verständnis für das Wesen des Seins und, sich daraus entwickelnd, einen anderen Umgang mit unserer Mitwelt, der sich so sehr von allem Bisherigen unterscheidet wie Traumwelt von Alltagswelt, eine neue, geistige Weltordnung.

Es geht also um nichts weniger als um einen Ontologiewechsel*. Ein paar Sätze zum Ausgangspunkt, nein zur Ausgangsebene, die so selbstverständlich unser tägliches Sein bestimmt, dass es schwerfällt, sie sprachlich fassend der bewussten Wahrnehmung zuzuführen: Wir schlafen ein und erwachen, schlafen ein und erwachen, immerzu in dieser Richtung vom ersten bis zum letzten Atemzug. Dieser Rhythmus unserer geistigen Bewegung verläuft Tag für Tag in eine Richtung: von der Traumwelt zur sogenannten Wirklichkeit. Im abgrenzenden Begriff der Wirklichkeit spiegelt sich eine maßlose Überheblichkeit gegenüber der Traumebene, der ich nicht folgen möchte. Ich werde die beiden Wirklichkeiten deshalb im Folgenden entweder einfach Nacht und Tag oder “Traumwirklichkeit” und “Standardwirklichkeit” nennen.

Dieser Richtungsverlauf von der Nacht zum Tag durchzieht unsere komplette Weltanschauung, von Alpha bis Omega, von der Art, wie wir fühlen, bis hin zu metaabstraktem Denken. Die Richtung ist uns vorgegeben: Wir sollen nicht nur der Traumwirklichkeit entkommen, sondern auch der Kindheit entrinnen, um erwachsen zu werden, den Idealen der Jugend, um sachlich und pragmatisch zu werden, den romantischen Gefühlen, um nüchtern zu werden, und einer spielerisch anarchischen, mystischen Weltwahrnehmung, um kalkulierbar und beherrschbar zu werden. Das uns vorgegebene Ziel ist eine vorgestellte „höhere Plattform“ der Standardwirklichkeit, von der herab wir auf die Welt schauen: erwachsen, objektiv, wissenschaftlich, nüchtern, diszipliniert und eingeordnet in eine logisch erklärbare, durchstrukturierte Welt, die Emotion, Gefühl und Intuition allenfalls einen Unterhaltungswert zuweist. Weg also von der undurchschaubaren, dämonischen Nacht, hin zum Tag, zu gedanklicher Klarheit und patriarchaler Würde.

Und doch ist diese Ausrichtung unserer lebenslangen, inneren Orientierung schon bei einem oberflächlichen Blick irreführend. Denn wir kommen nicht aus dem Tag und wir enden nicht im Tag, sondern in der Nacht bzw. einer zeitlosen Traumwirklichkeit, der wir anfangs entstiegen sind.

Was würde es nun bedeuten, wenn wir vom Tag zur Nacht hin lebten, wenn nicht eine turmhohe Ratio das Ziel unserer täglichen, inneren Ausrichtung wäre, sondern zeitentiefe Intuition; wenn wir den allbestimmenden Zeitpfeil infrage stellten, wenn wir uns innerlich nicht bewegten wie ein technikgetriebenes Schiff auf den jeweils nächsten Hafen zu, sondern wie das allbewegte Meer und seine Gezeiten im Wechselspiel mit dem Himmel? Was würde das bedeuten hinsichtlich der großen Komplexe Arbeit, Bildung, Erziehung, Gewalt, Industrie, Justiz, Mann/Frau, Mitwelt, Sexualität, Sprache, Werte und Wirtschaft?

Und als letzte große Frage: Was machte es mit unserer Vorstellung des Heiligen? Auf jeden Fall würde es aus den konfessionellen Katakomben an die frische Luft geholt. Würde es am Ende bedeuten, das Ziel allen Denkens und Handelns wäre ein heiliges Leben, die in den Alltag übersetzte Ultima Intuitio?

*Ontologie ist die Lehre von den Grundstrukuren der uns bestimmenden Wirklichkeit.

von Peter Zettel

Wir sehen die Fragmentierung in der Welt und suchen, sie zu überwinden. Durch mehr Menschlichkeit, einen anderen Umgang miteinander, humanitäres Verhalten. Doch es wird uns wohl kaum wirklich gelingen, dadurch die Fragmentierung im Denken der Menschen zu überwinden.

Solange wir nach dem Licht streben und der Dunkelheit in uns selbst zu begegnen scheuen, solange werden wir nicht erkennen können, worum es in Wirklichkeit geht. Denn es ist nicht wie in einem Zimmer, wo ich nur das Licht anzumachen brauche, um die Dunkelheit zu vertreiben. Weiterlesen

„Wenn es um die territoriale Integrität eines Landes geht,
müssen Menschenleben schon mal hintanstehen.“ (Volker Pispers)

(als PDF zum Herunterladen)

Wir sind alle gegen den Krieg, alle. „Aber diesmal“, sagen mir viel zu viele, „machen wir eine Ausnahme.“ Warum das so ist? Dafür gibt es überzeugende Gründe. Ob sie gut sind, ist eine ganz andere Frage. Aber der Reihe nach.

Die einen sagen, wir müssen uns gegen den Westen und die NATO wehren, die anderen sagen, wir müssen uns gegen den russischen Totalitarismus wehren. Und beide haben sich auf den größten gemeinsamen Nenner geeinigt, den „Krieg“.

Dahinter, etwas mehr in der Tiefe, steckt ein weiterer gemeinsamer Nenner: Weiterlesen

Das Paradies ist der Ort, den wir gerne erreichen würden. Aber er liegt hinter uns, unerreichbar verschollen in der Vergangenheit. Erst allmählich dämmert uns, dass es nicht nur der Apfel war, weshalb wir von dort vertrieben wurden. Und je mehr wir das verstehen und verinnerlichen, desto mächtiger baut sich ein neuer Sehnsuchtsort auf, ein Ort, an dem wir sein können, ohne haben zu müssen, an dem wir nicht an Geld oder Leistung gemessen werden, an dem wir zu Hause sein und uns geborgen fühlen können; und der dennoch ein moderner Ort ist. Weiterlesen

Wie doch Daniel Christian Wahls Satz: “Wir müssen die kulturellen Narrative, die unsere vorherrschende Weltsicht und damit auch unser Handeln prägen, überdenken” auch gerade jetzt stimmt. Seinen höchst lesenswerten Aufsatz haben wir ins Deutsche übersetzt.

Neues Lernen

Von Daniel Christian Wahl

„Bildung … ist das Mittel, mit dem Männer und Frauen sich kritisch und kreativ mit der Realität auseinandersetzen und entdecken, wie sie an der Veränderung ihrer Welt teilnehmen können.“  Paulo Freire

Eine Reihe konvergierender Krisen macht nun eine grundlegende Veränderung des menschlichen Einflusses auf die Erde notwendig – ja sogar dringend erforderlich – und zwar von einem überwiegend ausbeuterischen, zerstörerischen und degenerativen zu einem wiederherstellenden, heilenden und regenerativen Verhalten.

Der Klimawandel, der Verlust der biologischen Vielfalt und das obszöne Ausmaß an Ungleichheit sind nur Symptome der zugrunde liegenden Ursachen. Um sie wirksam zu bekämpfen, müssen wir flussaufwärts gehen. Wir müssen uns nicht nur genauer ansehen, was wir wissen, sondern auch, wie wir es wissen. Wir müssen die kulturellen Narrative, die unsere vorherrschende Weltsicht und damit auch unser Handeln prägen, überdenken.

In seinem Buch „The Turning Point“, das vor über 30 Jahren veröffentlicht wurde, nannte Fritjof Capra die Ursache dieser konvergierenden Krisen „eine Krise der Wahrnehmung“. Einer von Capras Mentoren, Gregory Bateson, formulierte es so: „Die großen Probleme in der Welt sind das Ergebnis des Unterschieds zwischen der Art und Weise, wie die Natur funktioniert, und der Art und Weise, wie die Menschen denken“, und fügte hinzu: „Es gibt Zeiten, in denen ich mich selbst dabei ertappe, zu glauben, dass es etwas gibt, das von etwas anderem getrennt ist.“

In dieser Zeit des Übergangs sind wir – wie Joanna Macy vorschlug – in eine doppelte Rolle berufen, nämlich sowohl Sterbebegleiter eines obsoleten Systems („die industrielle Wachstumsgesellschaft“) als auch Hebammen für etwas Neues zu sein: vielfältige regenerative Kulturen überall („die lebenserhaltende Gesellschaft“). In dieser Zeit des Übergangs muss die Bildung Menschen aller Altersgruppen zu drei Dingen befähigen:

i) sich an „Halteaktionen“ zu beteiligen, die den anhaltenden Schaden des zerstörerischen und ausbeuterischen Systems, von dem wir uns entfernen, verringern und/oder stoppen,
ii) mit anderen beim „Aufbau neuer Systeme“ zusammenzuarbeiten und auf gemeinschaftlicher und bioregionaler Ebene an der Einführung regenerativer Muster zu arbeiten, und
iii) die Menschen in die Lage zu versetzen, „mit neuen Augen zu sehen“, indem wir die kulturellen Narrative, Organisationsideen und Geschichten, die wir darüber erzählen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, und über unsere Beziehung zur größeren Lebensgemeinschaft verändern.
Wir befinden uns in einer Zeit zwischen den Narrativen, in der wir uns von einem Narrativ und einer Weltanschauung, die sich auf Trennung und konkurrierende Knappheit konzentrieren, hin zu einem Narrativ und einer Weltanschauung entwickeln, die unser „Zusammensein“ mit allem anderen und unser Potenzial zur gemeinsamen Schaffung von Fülle anerkennt.

Die Bereitschaft, regenerativ zu leben und gemeinsam mit den Menschen um uns herum regenerative Kulturen zu schaffen, wird durch das Verständnis unserer grundlegenden Verflechtung, gegenseitigen Abhängigkeit und unseres „Zusammenseins“ mit den Prozessen genährt, die Gesundheit, Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit auf der Ebene des Einzelnen und seiner Gemeinschaften aufrechterhalten.

Die Erziehung zu regenerativen Kulturen ist ein nie endender Prozess des Aufbaus und der Erneuerung der Fähigkeit der Menschen vor Ort, sich an der koevolutiven Gegenseitigkeit zu beteiligen – untereinander, mit den regionalen Ökosystemen, in planetarischer Solidarität und mit der Fähigkeit zu reagieren.
Gesundheit und Ganzheit sind keine statischen Zustände, sondern evolutionäre Prozesse, an denen wir teilnehmen. Ein Rückzug auf die Aufrechterhaltung von Strukturen, die nicht mehr funktionieren, ist also keine gesunde Reaktion auf die Krisen, mit denen wir jetzt konfrontiert sind. Wenn wir Gesundheit als einen dynamischen Prozess koevolutiver Gegenseitigkeit verstehen, der die Gesundheit der Zellen mit der Gesundheit der Organe, des Einzelnen, der Familien, der Gemeinschaften, der Städte, der Bioregionen, der Ökosysteme und der Gesundheit des Planeten verbindet, erkennen wir, dass systemische Gesundheit und Wohlbefinden ein viel besserer Erfolgsindikator sein könnten als unzureichende wirtschaftliche Indikatoren wie das BIP.

Aus dieser Perspektive schlug ich in meinem Buch vor, dass eine „regenerative menschliche Kultur gesund, widerstandsfähig und anpassungsfähig ist; sie kümmert sich um den Planeten und um das Leben in dem Bewusstsein, dass dies der effektivste Weg ist, um eine blühende Zukunft für die gesamte Menschheit zu schaffen.“ Die erste Hälfte dieses Satzes wurde inzwischen als eines der Prinzipien der globalen zivilgesellschaftlichen Antwort auf den Klimawandel und den kaskadenartigen Zusammenbruch der Ökosysteme aufgegriffen, als Prinzip Nummer 3 von Extinction Rebellion.

Es ist wichtig zu betonen, dass solche regenerativen Kulturen je nach den Orten und Bioregionen, aus denen sie hervorgehen, unterschiedlich sein werden. So wie die biologische Vielfalt des Lebens zu seiner Fähigkeit zur kreativen Evolution beiträgt, so stellt auch unsere kulturelle Vielfalt einen Reichtum an Erfahrungen und Perspektiven dar. Es geht nicht darum, dass wir alle in allem übereinstimmen oder die Welt auf die gleiche Art und Weise sehen müssen, sondern darum, dass wir uns alle in unserer Vielfalt auf eine Art und Weise beteiligen wollen, die die Gesundheit, das Wohlbefinden und das evolutionäre Potenzial der gesamten Menschheit und des gesamten Lebens fördert.

Es gibt kein Patentrezept für die Schaffung regenerativer Kulturen. Ich muss Sie da leider enttäuschen. Es gibt nur einen Prozess der Auseinandersetzung mit der Gemeinschaft und dem Ort auf eine Art und Weise, die Sinn- und Beziehungsmuster webt, die dazu beitragen, das einzigartige, dem Ort entspringende Potenzial einer regenerativen Kultur zu manifestieren, die ein Ausdruck dieser Menschen an diesem Ort – oder besser als dieser Ort – ist.

Generell sollten wir uns vor Menschen hüten, die Patentrezepte und schnelle Antworten anbieten, da wir mit einer Vielzahl konvergierender Krisen und so genannter „bösartiger Probleme“ konfrontiert sind. Regenerative Praxis geht nicht von Problemen aus, sondern von Potenzialen. Das Potenzial von Menschen und Orten, ihre einzigartige Essenz auf eine Weise zu manifestieren, die einem größeren Ganzen Wert, Bedeutung und Gesundheit verleiht.

Kulturen werden nicht entworfen, sie entstehen durch die Beteiligung von uns allen. Fragen statt Antworten und Lösungen sind ein zuverlässigerer Kompass auf unserem Weg in eine ungewisse Zukunft. Diese Erkenntnis war – für mich persönlich – ein wichtiger Schritt, um zu verstehen, wie es möglich sein könnte, das Entstehen vielfältiger regenerativer Kulturen überall zu fördern, ohne ein vorgefertigtes Paket von Lösungen vorzuschreiben.

Ich glaube, dass der Prozess des “gemeinsamen Auslebens der Fragen” im Mittelpunkt der gemeinsamen Schaffung von regenerativen Kulturen steht. Ich glaube auch, dass lebenslanges Lernen und Bildung eine entscheidende Rolle bei der jetzt notwendigen Neugestaltung des menschlichen Einflusses auf die Erde und auf einander spielen.

Bildung ist der Prozess, durch den wir uns selbst und einander befähigen, unsere einzigartigen Beiträge im Dienst der evolutionären Reise des Lebens anzubieten. Sie sollte uns in die Lage versetzen, das zu tun, was das Leben zuallererst tut: “Bedingungen schaffen, die dem Leben förderlich sind” (Janine Benyus).
Das Loslassen von Mustern, die nicht mehr dienlich sind, um das latente Potenzial dessen, was entstehen will, zu manifestieren, ist Teil der regenerativen Musterbildung des Lebens. Wahrhaft transformative Bildung unterstützt uns auf einem lebenslangen Lernweg – einer Pilgerreise und einer Ausbildung -, wie wir angemessen an der größeren Gemeinschaft des Lebens teilnehmen können.
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Vollständiger englischer Originaltext mit Links:

Neues Lernen DCW

“Education … the means by which men and women deal critically and creatively with reality and discover how to participate in the transformation of their world.”
— Paulo Freire

A series of converging crisis is now creating a necessity — even an urgency — for a fundamental transformation of the human impact on Earth from being predominantly exploitative, destructive and degenerative to being restorative, healing and regenerative.
Climate change, biodiversity loss, and obscene levels of inequality are but symptoms of underlying causes. To address them effectively we have to go upstream. We have to take a closer look at not just ‘what we know’ but ‘how we know’. We have to reexamine the cultural narratives that inform our dominant worldview and through that our actions.

In his book ‘The Turning Point’ — published over 30 years ago, Fritjof Capra called the route cause of these converging crises ‘a crisis of perception.’ One of Capra’s mentors, Gregory Bateson put it this way: “The major problems in the world are the result of the difference between how nature works and the way people think” and added “there are times when I catch myself believing there is something which is separate from something else.”

In this time of transition we are — as Joanna Macy suggested — called into a dual role of being both hospice workers of a dying system (“the industrial growth society”) and midwifes of something new: diverse regenerative cultures everywhere (“the life-sustaining society”). In this time of transition education has to enable people of all ages to do three things:

i) engage in ‘holding action’ that reduce and/or stop the ongoing damage of the destructive and exploitative system we are moving away from,
ii) to cooperate with others in ‘building new systems’ and work on putting regenerative patterns in place at the community and bioregional scale, and
iii) to enable people to ‘see with new eyes’ by shifting the cultural narratives, organising ideas, and stories we tell about what it means to be human and about our relationship with the wider community of life.

We are in a time between narratives, changing from a narrative and worldview focussed on separation and competitive scarcity to a narrative and worldview that recognizes our ‘interbeing’ with everything else and our potential to co-create collaborative abundance.

The intention to live regeneratively and to co-create regenerative cultures with the people around us is nutured by understanding our fundamental interconnectedness, interdependence and ‘interbeing’ with the processes that maintain health, resilience, and adaptability at the level of individuals and their communities.

Education for regenerative cultures is a never ending process of building and renewing the capacity of people in place to participate in co-evolving mutuality — with each other, with the regional ecosystems — in planetary solidarity — and with response-ability.

Health and wholeness are not a static states but evolutionary processes in which we participate. So a bounce-back to maintain structures that no longer serve is not a healthy response to the crises we are now facing. If we understand health as a dynamic process of co-evolving mutuality that links cellular health to organ health to individuals, families, communities, cities, bioregions, ecosystems and to planetary health, we come to see that systemic health and wellbeing might be a much more appropriate indicator of success than inadequate economic indicators like GDP.

It is from this perspective I suggested in my book that a “regenerative human culture is healthy, resilient and adaptable; it cares for the planet and it cares for life in the awareness that this is the most effective way to create a thriving future for all of humanity.” The first half of this sentence has since been taken up as one of the principles of the global civic response to climate change and cascading ecosystems collapse, as principle number 3 of the Extinction Rebellion.

It is important to highlight that such regenerative cultures will be different depending on the places and bioregions they emerge from. Just as life’s biodiversity adds to its capacity for creative evolution, so does our cultural diversity constitute a wealth of experience and perspectives. The point is not that we all need to agree on everything or see the world in the same way, rather it is that in our diversity we all aim to participate in ways that support the health, well-being and evolutionary potential of all of humanity and all of life.

There is no one-size-fits-all receipt for creating regenerative cultures. Sorry to disappoint. There is only a process of engaging with community and place in ways that weave patterns of meaning and relationship which will contribute to manifesting the unique place-sourced potential of a regenerative culture that is an expression of these people in — or better as — that place.

In general we should be wary of people who are offering silver bullet solutions and quick answers as we are faced with multiple converging crises of so called ‘wicked problems’. Regenerative practice does not start from problems it starts from potential. The potential of people and place to manifest their unique essence in ways that add value, meaning and health to a greater whole.

Cultures are not designed, they emerge through the participation of all of us. Questions rather than answers and solutions are a more reliable compass as we navigate our way into an uncertain future. This insight was — for me personally — an important step in understanding how it might be possible to nurture the emergence of diverse regenerative cultures everywhere without prescribing a pre-supposing cookie-cutter set of solutions.

I believe the process of ‘living the questions together’ lies at the heart of how we can co-create regenerative cultures. I also believe that life-long learning and education play a critical role in the now necessary redesign of the human impact on Earth and on each other.
Education is the process by which we enable ourselves and each other to offer our unique contributions in service to life’s evolutionary journey. It should enable us to do what life does first and foremost “creating conditions conducive to life” (Janine Benyus).
Letting go of patterns that no longer serve in order to manifest the latent potential of what wants to come into being is part of life’s regenerative patterning. Truly transformative education supports us on a life long path of learning — a pilgrimage and an apprenticeship — of how to participate appropriately in the wider community of life.

Rezension von „Das Gottesmädchen“

Um es gleich vorweg zu sagen: Männer spielen in dem Roman von Ismael Wetzky keine herausragende Rolle. In den Hauptrollen sind Gisele, eine Philosophiestudentin, und ihre ultrasexy Freundin Chloë, beide definitiv U30. Noch jünger ist nur noch Gott bzw. ihre Erscheinungsform. Gott tritt nämlich in Gestalt eines jungen Mädchens von elf, zwölf Jahren auf.

Damit nicht genug der Überraschungen in diesem Roman. Die Sprache auf den rund 400 Seiten ist so jung – und gekonnt jung – wie die Protagonistinnen. Man begrüßt sich lässig mit „Hi!“, findet Dinge „abgefahren“, „ultraspannend“ oder „echt mega“, und dass Modeschimpfwörter wie „Fuck“ etc. fallen, stört nicht, sondern passt. Tatsächlich gelingt es Ismael Wetzky, seine Mädels in einer Jugend-Kunstsprache reden zu lassen, die überzeugend ist, in keiner Weise aufgesetzt wirkt und auch für ältere Semester wie den Rezensenten gut und amüsant lesbar ist. Fiktion und Realität mischen sich, etwa, wenn echt funktionierende Links in den Text eingefügt sind. Weiterlesen