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Design für die Rettung der Welt – so der Anspruch eines kürzlich erschienenen Buches

„Wie können wir es schaffen, mit zehn bis zwölf Milliarden Menschen gut auf dieser Erde zu leben? Wie erreichen wir für alle ein Leben in angemessenem Wohlstand, in Frieden und Freiheit und in einem global intakten und vielfältigen Ökosystem?“ Jascha Rohr

Von Bobby Langer

Könnte man den geläufigen Ausdruck „das Buch der Stunde“ auf eine ganze Epoche übertragen, dann träfe er auf dieses Buch zu. Es erhitzt sich nicht an – immer diskutablen – Inhalten, sondern beschäftigt sich klug, systematisch und auf viel Erfahrung zurückgreifend mit den uns bleibenden Möglichkeiten, das Ruder herumzureißen.

Der Autor Jascha Rohr beschreibt sein Buch folgendermaßen: „Wir haben einen kokreative Werkstatt in Form eines Buches vor uns, die aus einer Reihe von Werkräumen besteht, den Kapiteln dieses Buches. Unser Ziel ist der Entwurf für die große Kokreation.“

Kein Was ohne Wie

Für viele Laien, aber auch Experten in Sachen Nachhaltigkeit, Erderwärmung oder Artensterben sieht es eher hoffnungslos aus. Gleich dem vom Auge der Schlange gebannten Kaninchen stehen sie dem lebensverschlingenden Verhalten der industriellen Zivilisation ratlos gegenüber. Jascha Rohr hat – wenigstens für sich – diesen Bann gebrochen. Statt sich dystopischen Gedanken zu überlassen, überlegt er, wie eine nachhaltige Umgestaltung der Welt funktionieren könnte. Denn, so findet er, ohne über das Wie nachgedacht zu haben, brauchen wir uns über das Was erst gar keine Gedanken zu machen. „Die große Kokreation“ ist für ihn ein „Entwurf darüber, wie wir unsere globalen Probleme besser miteinander lösen können“. Die Zukünftigen lässt er rufen: „Stellt euch den Herausforderungen und Schwierigkeiten, entwickelt positive Wirkung. Baut auf das, was euch Kraft gibt und im besten Sinne wirkmächtig macht – auf eure Lebendigkeit, Kreativität, Freude und Liebe, eure Lust, Begeisterung, Intelligenz und Empathie.“

Nicht nur lesenswert, sondern auch lesbar

Rohrs Buch ist eine „Werkstatt für alle, die nicht mehr untergehen wollen“ – so der Untertitel. Das kann nicht anders als komplex und auf hohem theoretischen Niveau angegangen werden. Und doch gelingt es dem Autor, sich dem großen Thema klar, übersichtlich und auch sehr persönlich und menschlich zu nähern. Mit anderen Worten: Man muss nicht Sozialwissenschaften studiert haben, um es lesen zu können. Dazu trägt bei, dass Jascha Rohr sowohl induktiv wie deduktiv arbeitet; d. h. manchmal begibt er sich von einem praktischen Beispiel ausgehend auf die Metaebene, manchmal startet er gedanklich auf der Metaebene und belegt seine Gedanken durch ein Beispiel. Selbst die Grafiken sind dank ihrer Skizzenhaftigkeit besser nachvollziehbar und einprägsamer, als dies „perfekte“, theoriebezogene Grafiken normalerweise sind. Und noch eines macht sein Buch lesenswert: Es ist getragen von dem unbedingten Willen, Positives in die Welt zu bringen – ohne die Augen vor den drängenden Problemen zu verschließen.

Methoden zur Neuerfindung der planetaren Zivilisation

Entscheidend für Jascha Rohr: Es geht nicht um fertige inhaltliche Lösungen, sondern um die „Beschreibung des Wie …, also eines Prozesses. Dieser Prozess hat im Grunde längst schon begonnen … Es ist ein Prozess, in dem wir miteinander lernen, unsere Probleme ganz anders zu lösen, als wir es bisher versuchen … Das Ziel ist nichts Geringeres als die Neuerfindung unserer planetaren Zivilisation.“ Ein hoher Anspruch.

Die zentrale Methode für dieses „Global Resonance Project“ nennt er „Resonanzarbeit“. Und das ähnelt keiner bekannten Methode, ganz im Gegenteil: „Resonanzarbeit folgt keiner festen Strategie, sondern ist mäandernd, verknüpfend, assoziativ. Sie stellt vielfältige Verbindungen und Beziehungen her, um Kreativität, Ideen und Innovationen anzuregen. Im Idealfall entsteht daraus am Ende ein kokreativer Entwurf.“ Der Prozess ist „entwurfsorientiert. Er ist ein Angebot zum Selbstdenken, zum Entwickeln und Mitgestalten … [Das Buch] bietet die Möglichkeit der Auseinandersetzung in einem Feld – in diesem Fall ist das die planetare Zivilisation –, damit dann aus dem eigenen Impuls heraus und mit den eigenen Potenzialen und Möglichkeiten transformatorische Projekte entwickelt und in die Umsetzung gebracht werden können, sodass am Ende eine reale Veränderung in der Welt entsteht“.

Aus einem alten Hut wird kein neuer

Jascha Rohr geht es um zwei Fragen:

„Wie kann es sein, dass wir als Spezies unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstören?“
Und: „Was kann Kokreation dazu beitragen, dass sich diese Dynamik zum Positiven wendet?“

Der Leser kann, wenn er möchte, mitverfolgen und dabei erlernen, wie sich Methoden in kokreativen Prozessen kontextspezifisch aus dem Prozess entwickeln und ist eingeladen, „in der eigenen Praxis mit diesen Ansätzen zu experimentieren“. Personen, die an eigenen Prozessen und Projekten arbeiten, empfiehlt Jascha Rohr, das Buch mit dem eigenen Projektteam zu lesen.

Klar: „Benutzen wir … die Werkzeuge der alten Zivilisation, kann nur eine neue Version der alten Zivilisation dabei herauskommen.“ Um diesem Fehler nicht zu erliegen, kommt die Kokreation ins Spiel, ein Wort, das der „Kooperation“ oder „Kollaboration“ ähnelt, sich aber deutlich davon unterscheidet. So bezieht sich das „Ko“ in Kokreation nicht nur auf Mitmenschen, sondern auf die gesamte Mitwelt, also auf alle Mitgeschöpfe, auch: Mitdinge. Es geht darum, Mittel und Wege zu finden, „mit der gesamten Welt gemeinsam zu gestalten, statt die gesamte Welt als Menschen zu gestalten“. Das klingt in der Tat nicht mehr nach einem „Werkzeug der alten Zivilisation“. Der Wortteil „kreation“ in Kokreation bezieht sich auf Kreativität als Grundlage von Emergenz in Kunst und Kultur, wozu unbedingt auch Architektur, Philosophie, Ingenieurskunst und Wissenschaft gehören. Anders als in der alten Zivilisation lässt sich in einem kokreativen Entwurfsprozess „meist gar kein klares Ergebnis definieren, sondern eher einen Ergebnistyp“. Auf der Suche nach neuen Lösungsansätzen werden „die Themen, Akteure und Kontexte aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und zueinander in Beziehung gesetzt“.

Das ontologische Grundproblem angehen

Der Vater aller Probleme ist der Subjekt-Objekt-Dualismus, den Jascha Rohr als „ontologisches Grundproblem der ökologischen Krise“ identifiziert. Um sich von ihm zu lösen, sind die entscheidenden begrifflichen Werkzeuge:

Das Feld: „die räumliche Konstellation von miteinander interagierenden Partizipateuren und ihre Wirkungen aufeinander“ (auch: „die Wirkungen und Kräfte, die sich zwischen den Elementen aufspannen“). Anders als „Systeme“ sind Felder nicht durchschaubar und nicht steuerbar.

Der Prozess: „die sich zeitlich entfaltende Dynamik eines Feldes“, bestehend „aus allen diesen Prozess prägenden Partizipateuren, deren Wirkungen und Interaktionen sowie der fortschreitenden generativen Entwicklung, die daraus resultiert“. Besonders wichtig und auch schon in kleinem Rahmen anwendbar und aufs Größere übertragbar: „Prozesse sind fraktal und verschachtelt.“ Zur Erklärung des damit Gemeinten: „Unser Leben ist ein Prozess, aber unsere Ausbildung, Beziehungsphasen und die Phasen, in denen wir einer bestimmten Profession nachgehen, sind ebenfalls Prozesse.“

Indem Rohr die Begriffe „Subjekt“ und „Objekt“ abschafft und durch „Partizipateur“ ersetzt, schafft er die gedankliche Voraussetzung für einen tatsächlich ontologischen Paradigmenwechsel: „Alle Dinge der Welt sind Dinge der Welt, weil sie an der Welt teilhaben.“ Folgerichtig können auch „eine Geschichte, eine Kaffeetasse, eine Blume und die Gravitation“ Partizipateure sein: „Alles in der Welt ist Partizipateur, wenn es wirkt und teilhat. Was nicht wirkt und an nichts teilhat, existiert nicht.“

Zusammenfassend: „Ein Feld ist ein Prozess zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ein Prozess ist ein Feld in seiner dynamischen Entfaltung.“ Die große Aufgabe, die Zukunft zu gestalten, kann folglich kein „funktionales Gestalten“ sein – das wäre das Übliche –, sondern „ein generatives, wechselseitiges, fluides Interagieren mit den Prozessen, die uns gestalten, während wir gestalten“. Erst wenn wir „die Dinge in ihrer jeweiligen intrinsischen Eigenart als Gegenüber anerkennen“, wird tatsächlich ein Ausweg aus dem Subjekt-Objekt-Dualismus vorstellbar hin zu einer ökologischen, kokreativen Demokratie.

Die dazu fähige und dafür notwendige Kulturtechnik ist die Kokreation. „Sie ist das Wie: Wie gestalten wir gemeinsam. Das Was ergibt sich dann daraus … das wird synchron passieren: Wir werden diese erst in den Anfängen sichtbare Kulturtechnik entdecken, entwickeln, erfinden, erlernen und trainieren müssen, während wir beginnen, sie anzuwenden und erste Ergebnisse zu produzieren.“

Und das ist dabei die Herausforderung: „Da rollt die phantastischste Wahnsinnswelle auf uns zu, die wir je haben reiten können. Der Einsatz ist hoch, die Welle gefährlich, möglicherweise tödlich, aber der Ritt, den wir nehmen könnten, kann der beste unseres Lebens werden.“ Sich dem zu stellen, ist eine gewaltige und riskante Aufgabe mit ungewissem Ausgang. Das schätzt auch Jascha Rohr so ein und gesteht: „Dieses Buch ist ein Wagnis und der Versuch, eine visionäre Geschichte zu erzählen.“ Ihm zuzuhören, ist fesselnd und lädt ein, dabei zu sein beim „planetaren Fest der Gestaltung“.

Jascha Rohr, Die große Kokreation. Eine Werkstatt für alle, die nicht mehr untergehen wollen. 400 S., 39 Euro, Murmann Verlag, ISBN 978-3-86774-756-1

Interview mit Jascha Rohr

Zusammenstellung der wichtigsten Textpassagen

Internetseite zum Buch

Von der Existenzangst zur Selbstversorgung – eine Einladung

Selbstversorgung – davon träumen viele, schrecken dann letzten Endes doch meistens davor zurück. Evelin Rosenfeld hat sich sehr konkret damit auseinandergesetzt. Der Name des ausgedehnten Landes, auf dem sie ihren Weg der Kreislaufwirtschaft praktiziert bezieht sich auf Aditi, die vedische Schöpfungsgöttin. Um bei so einem Projekt vorwärtszukommen und nicht einzuknicken, braucht es „Wild Natural Spirit“ (so heißt die Kräutermanufaktur, mit der Evelin das Projekt finanziert)***. „Spirit“ hat die Pionierin, dennoch meint sie, dass einerseits die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Mitteleuropa echte Autarkie verhindern, andererseits, dass die Idee von Autarkie dem Gedanken der Verbundenheit widerspricht.

Ökoligenta: Vielleicht schilderst du erst einmal, wie weit du mit deinem Projekt gekommen bist.

Nun, das Wichtigste ist wohl, dass ich es geschafft habe, 55.000 Quadratmeter Brach- und Ackerland in einen riesigen Permakulturgarten zu verwandeln, in dem nicht nur seltene Arten aus Fauna und Flora in Fülle leben, sondern der auch wertvolle Lebensmittel für viel mehr Menschen hervorbringt, als derzeit von dem Projekt wissen. Damit ist es gelungen, eine Vollerwerbs-Landwirtschaft untrennbar mit Naturschutz zu verbinden. Auch zeige ich ein Wirtschaften auf, das eben nicht ausbeutet und Lateralschäden vergesellschaftet, sondern im Gegenteil: ein Wirtschaften, das maßgeblich und nachhaltig zum Gemeinwohl beiträgt, während es gleichzeitig einen Lebensunterhalt eigenständig erwirtschaftet.
Zudem konnte ich das Projekt (einigermaßen) harmonisch in das herrschende Behördensystem integrieren. Mit insgesamt 11 Aufsichtsbehörden ist das eine echte Nervensache und Geduldsfrage. Auch die Beteiligten in den Behörden mussten an einigen Stellen das auf landwirtschaftliche Großbetriebe ausgelegte Regelwerk irgendwie in Einklang bringen mit dem, was ich hier mache. Wirklich erkennen, welche Chancen in diesem Projekt für die drängenden Fragen für uns alle liegen, tun aber wenige.

Ökoligenta: Momentan schaffst du das alles mit 1 Woman-Power, eigentlich unglaublich. Aus welchen Quellen sprudelt deine Energie?

Ich bin mit 33 Jahren, zwei akademischen Abschlüssen und einer bereits beachtlichen Karriere in der Wirtschaft „ausgestiegen“, weil ich die Rücksichtslosigkeit und Kurzsichtigkeit, die in Konzernen und auf Verwaltungsebene herrschen, nicht ertragen konnte. Dieser Ausstieg brachte mich in eine Lebenskrise, in der ich mich fragte, wie ich mein Leben, meine Gaben so einbringen kann, dass nicht nur noch mehr Schaden entsteht, sondern dass vor allem das Gefüge aus Angst und Gier durchbrochen werden kann; dass Wege sichtbar werden, wie wir in Frieden und in Fülle mit unserer Mitwelt leben können. Dazu braucht es ein tiefes Hinterfragen der Grundannahmen unserer Gesellschaft: von Familiengründung bis abhängiger Erwerbsarbeit, von Ressourcenkreisläufen bis hin zu spirituellen Zusammenhängen. All dem habe ich mich gestellt und Schritt für Schritt Antworten und Resonanz gefunden.
Mein unerschütterlicher Glaube an die Liebe in jedem Menschen und an eine göttliche Führung sind der Quell meiner Kraft – zudem meine besondere Beziehung zu diesem außergewöhnlich kraftvollen Ort hier.

Ökoligenta: In den Städten mieten sich Menschen bei SoLaWis am Stadtrand ein. Könnte dieses Modell auch für Aditi funktionieen ?

Nein, eher nicht. Die SoLaWis – für die es mittlerweile sogar eigene landwirtschaftliche und steuerrechtliche Regeln gibt, funktionieren normalerweise so, dass ein Landwirt die Flächen mit Maschinen vorbereitet und kleine Parzellen an Städter vermietet, die dann ihren Salat oder Rosenkohl oder was sie eben wollen, am Wochenende anbauen. Aditi in Parzellen aufzuteilen widerspricht meinem Anliegen, sie als Ganzheit zu fördern. Zudem nutze ich ja keine Maschinen und arbeite in Permakultur. Wenn, dann würde sich eine Gruppe von Menschen um die ganze Aditi kümmern, mit ihrem Wald, ihrem Beeren- und Saatgutgarten, mit den Kräutergärten, Obstbäumen und dem großen Gemüsegarten. Die Intention von Aditi geht über das „ich mach mein eigenes Gemüse“ hinaus.

Ökoligenta: Gibt es diese Gruppe schon? Wie können Menschen sich in das Projekt einbringen?

In 2022 waren wir ein starkes Team von sechs Menschen, die sich regelmäßig und aus verschiedenen Konstellationen auf Aditi eingebracht haben. Das Ergebnis war phänomenal: Für die überbordende Gemüseernte brauchten wir sogar einen Erdkeller über den Winter, das in 2022 geerntete Saatgut hat auch in diesem Jahr, 2025, gereicht, um ohne Zukäufe die Gärten zu bestücken. Das waren alles Leute hier aus der Gegend, die einfach Freude daran hatten, auf Aditi zu sein, zusammen zu arbeiten und die Abende gemeinsam am Feuer zu verbringen.
Einige waren bei mir „zwischengelandet“ wegen der Corona-Restriktionen und sind nun zurückgekehrt in ihre Ursprungsberufe. Aber so könnte es gehen.
Zudem habe ich immer mal wieder Lehrlinge für eine begrenzte Zeit, die sich mit der Anbau- und Lebensweise vertraut machen wollen.
Doch mittelfristig wünsche ich mir schon zwei bis vier Menschen, die hier oder in der Nähe wohnen und sich dauerhaft und hauptberuflich in das Projekt einbringen.
Dazu braucht es nicht nur etwas Kapital, sondern vor allem die Bereitschaft, eine körperlich doch recht anspruchsvolle Arbeit zu machen für ein sehr überschaubares Einkommen. Doch der „Lohn“ besteht ja letztlich darin, vollkommen selbstbestimmt inmitten überbordender Natur zu sein, Lebensmittel von höchster Qualität für sich und andere zu gewinnen und seine Lebensenergie in etwas fließen zu lassen, das Lebendigkeit schafft.

Die Zeit ist gut, denn mehr und mehr Menschen merken auf: Statt ein Online-Coaching, um eine Depression, eine Lebenskrise, einen Burn-Out zu „besprechen“, beginnen sie, neu Kontakt mit den wirklich heilenden Kräften der Natur aufzunehmen, lauschen den Bäumen, beobachten die Insekten. Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt, die Hacke in die Hand zu nehmen und nährende oder heilsame Pflanzen zu pflanzen, zu pflegen … und sich dabei ganz von allein mit kostbarer Lebensenergie aufzuladen.
Ich lade jedes Jahr zur Blütenernte ein. Das ist eine kleine Chance zu erleben, wovon ich hier spreche.

Ökoligenta: Was ist deiner Erfahrung nach das Haupthindernis für die Umsetzung einer echten Selbstversorgung?

Zuerst: Aufgrund der zahlreichen Systemzwänge – von Pflicht-Versicherungen bis Strom, Wasser, Müllentsorgung, von denen wir uns in Deutschland nicht abmelden können, ist es derzeit gar nicht möglich, wirklich autark zu leben und zu wirtschaften. Wir sind nicht nur gezwungen, System-Leistungen zu kaufen (und damit Geld beschaffen zu müssen) – Autarkie widerspricht auch der Einsicht, dass alles mit allem verbunden ist. Dieser Gedanke – der Gedanke von dynamischen Kreisläufen durch alle Ebenen des Erdenlebens hindurch – ist die Basis der Permakultur. Und er ist auch Tatsache in allen natürlichen Vorgängen.

Von daher bescheide ich mich auf den Anspruch, meinen Lebensunterhalt mit etwas zu verdienen, das meiner Liebe zur Erde Ausdruck verleiht und den aus meiner Sicht schädlichen Systemwirkungen nicht weiter zuträgt. Dass dabei durch eine einzelne Person 55.000 Quadratmeter Land renaturiert wurden, dass eine Fülle an Heilkräutern, Saatgut und Lebensmitteln bereitgestellt wurde für viele, viele andere Menschen, das macht mich glücklich und stolz.
Ich bin weit entfernt davon, mich „selbstzuversorgen“ – allerdings brauche ich keine moderne Medizin, habe Zugriff auf unbelastetes Gemüse, Obst und Kräuter, lebe in meinem eigenen natürlichen Rhythmus und brauche vergleichsweise wenig Geld – da ich nichts zu kompensieren habe. Ich bin satt und gesund aus dem, was mein täglich Werk ist.

Wenn ich nun auch einige andere Menschen begeistern kann von dieser Arbeit und vielleicht begleite zu ihren eigenen Projekten oder sie integriere in dieses Projekt hier bei mir – und da gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Aufgaben und Ausblicke – dann wirke ich MIT dem bestehenden System, dessen Teil ich ja auch bin.

Ökoligenta: Die Konsumwelt, in der wir aufwachsen und unsere Persönlichkeit ausbilden, ist vielfältig und spricht uns auf den verschiedensten Ebenen an. In den Worten von Günther Anders wird der Mensch schlaraffisiert und zu einem passiven Wesen modelliert. Dein Projekt erwartet ja eher eine Emanzipation von dieser Grundhaltung.

Ja, das ist mein Herzensanliegen an die Menschheit: „Dienst“, „Arbeit“, „Verantwortung“ sind bei vielen Menschen sehr negativ belegt. Weil sie immer in Abhängigkeiten denken, weil sie Arbeit als etwas sehen, was sie ZWANGsläufig tun müssen, weil sie Dienst als Unterwerfung kennen und weil sie „Verantwortung“ mit „Strafe/Konsequenzen“ verbinden.
Damit sind sie zu passiven Sklaven des Ausbeutungssystems geworden und verschanzen sich hinter Ansprüchen, Bequemlichkeit und Konsum.
Es ist so viel lebendiger und befriedigender – und möglich ! –, aus eigener Kraft ein eigenes Feld zu schaffen, in dem wir unsere Lebensenergie freiwillig in etwas geben, das uns am Herzen liegt. Und wem liegt die Natur nicht am Herzen? Welcher Mensch atmet nicht auf, wenn er unter Bäumen steht, welcher Mensch beginnt nicht  zu singen, wenn er frische Beeren erntet und gleich in den Mund steckt? Viele kommen gar nicht bis zu dem Erlebnis, ein im eigenen Schweiß bebautes Feld zu betrachten und dabei Stolz und Freude zu empfinden. Und so können sie auch nicht die Früchte ihrer eigenen Arbeit, ihrer freien Entscheidung ernten.

Um diesen Schritt in die Freiheit und in ein sinnstiftendes Leben zu tun, steht noch vor der harten körperlichen Arbeit vor der wirtschaftlichen Ungewissheit ein Schritt im Inneren an: Die Angst, zu wenig abzubekommen, die sich in Gier und Egoismus ausdrückt, muss überwunden werden zugunsten der Einsicht, dass Fülle aus Großzügigkeit und Begeisterung entstehen. Wer (sich) gibt, bekommt alles, was es braucht, um ein friedvolles und lebendiges Leben zu führen.

Doch wie viele Menschen leben das schon ?

Ich bin offen für eine Gruppe von Menschen, die sich gemeinschaftlich um Aditi kümmert und an ihr erfreut. Das wäre eine Erweiterung für alle Beteiligten. Mehr Hände – mehr Ernte – mehr Austausch – mehr Fülle.
Aber brauchen tun wir’s nicht …

Ökoligenta: Du hast angedeutet, mit den Potenzialen von Aditi könnte es in Richtung Binnenwirtschaft weitergehen. Kannst du uns dazu Näheres erzählen?

Es gibt einen Weg, den ich sehe, auf dem eine Gruppe von Menschen, die auf Aditi lebt, sich sehr, sehr weit lösen kann aus den Systemzwängen. Hier gibt es Antworten auf die klassischen Fragen von Gemeinschaftsleben, Arbeitsteilung, die Rolle von Kapital und die führende Kraft einer täglich praktizierten Spiritualität.
Ich schöpfe hier aus 25 Jahren Organisationsberatung und Coaching (siehe insbesondere meine beiden Bücher „Wertebasiertes Management“ und „Was Dir wirklich wichtig ist“) – vor allem aber aus der Beobachtung der Vorgänge in der Natur, der Erfahrungen mit dynamischen Gleichgewichten in der Ökologie.
Wenn die passenden Menschen hier angekommen sind, können wir darüber sprechen.

Für jetzt lade ich jeden, der das liest, herzlich ein, mal für eine Blütenernte oder eines der anderen Seminare nach Aditi zu kommen und sinnlich zu erfahren, wovon ich hier spreche. Eigentlich können wir dann erst sehen, ob eine Resonanz da ist, die das Sein berührt und zum Tun führt.

*** Evelin Rosenfelds Projekt liegt im nordbayerischen Landkreis Coburg.

Von Bobby Langer

„Buenos dias, madre. que tal? Wie geht’s, Mutter Erde? Du siehst ein wenig kränklich aus.“

„Es geht so, die meisten meiner Kinder haben mich im Stich gelassen – wer kümmert sich schon um seine alte Mutter – aber wenigstens ein paar von ihnen sorgen sich noch um mich. Immerhin.“

„Am 22. April ist dein Feiertag, so wie jedes Jahr seit 1970. Hast du einen Wunsch?“

„Ja, den habe ich tatsächlich. Damals kam nur ein kleines Häuflein zu meinem Feiertag. Alle dachten: ‚Nichts kann der Alten etwas anhaben.‘ Auch ich hielt mich Jahrmilliarden lang für unverletzlich, aber ich habe euch unterschätzt. Ihr Menschen seid wie Ameisen, die mir bis ins Gehirn, bis in meine Adern und Lungenbläschen vordringen und mir Energie und Atem nehmen. Doch immer mehr von euch beginnen zu verstehen: Werde ich krank, ist es auch um euch geschehen. Ohne mich seid ihr nicht mehr. Heute sind es schon Hunderttausende in 175 Ländern, die mich feiern. Das tut gut und macht mir Hoffnung; deshalb mein Wunsch: Verwandelt die Hunderttausend in Hundertmillionen!“

„Bescheiden bist du nicht gerade, oder?“

„Stimmt, dieser menschliche Begriff ist mir als Planetin fremd. Ich habe schon immer groß gedacht.“

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Gaia, so heißt Mutter Erde – nur wenige Namen haben sich international so durchgesetzt. Seit die Mikrobiologin Lynn Margulis und der Chemiker, Biophysiker und Mediziner James Lovelock Mitte der 1970er-Jahre die Gaia-Hypothese entwickelten, ging der Name Gaia viral. Und dabei gab es noch gar kein Internet. Sogar das Teleskop der Europäischen Weltraumorganisation wurde nach ihr benannt.

Das world-wide Gaia-Web

Natürlich gab es den Namen Gaia lange vor unserer Zeit. Schon in der altgriechischen Mythologie hieß die personifizierte Erde Gaia [Γαῖα]. Aus ihr stammte alles Leben, und alles Leben sank zurück in ihren Schoß. Gaia stand in direkter Verbindung mit der Göttin Kybele, die im westlichen Teil der heutigen Türkei [Kleinasien] verehrt wurde als Herrin der Tiere, als Berg- und Naturgöttin und Erdenmutter. Kybele erhielt in manchen Traditionen auch den Namen „magna mater“, Große Mutter; im Hinduismus hieß sie Parvati, Tochter der Himalaya-Berge; in Lateinamerika trug sie den Ehrennamen Pacha Mama und wurde zum Grundprinzip der aktuellen Verfassung von Ecuador. Nur vor diesem Hintergrund ist die immense Verehrung der „Mutter Gottes“ im Christentum erklärlich.

Doch mit Pacha Mama schließt sich der Kreis zum Heute. Die in indigenen Mysterien Amerikas verbreitete Erdmutter-Verehrung konnte durch das Christentum nie vollkommen unterdrückt und ausgemerzt werden und feiert seit Jahren unter dem spanischen Ruf „Buen Vivir“ – gut leben! – eine globale Wiederkehr. Pacha Mama ist die Rebe, die ihr Wasser aus großen Tiefen holt, sie ist der durchs Pflaster wachsende Löwenzahn. Die widerständigen mexikanischen Zapatistas fordern Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit, Land, Arbeit, Gesundheit, Bildung und Frieden – und berufen sich auf Pacha Mama. Pacha Mama ist der Ursprung ihrer Identität und Kern eines Bewusstseins, dass alles, was Leben hat, untrennbar miteinander verbunden ist: Tiere, Pflanzen, Insekten, aber auch Berge und Flüsse, Felsen und Himmel. Es ist gut vorstellbar, dass Pacha Mama zum Inbegriff einer Bewegung wird, die gegen alles aufbegehrt, was Gaia Gewalt antut. Die Energie für einen solchen Aufstand für das Leben ist längst – global in uns allen – vorhanden wie die Lava unter einem schlummernden Vulkan.

Gaia – wer oder was ist das?

Doch was ist dran an der Gaia-Hypothese? Durchsetzungsfähig war sie, weil sich in ihr intuitives, archaisches Wissen mit modernem Wissenschaftsverständnis verknüpfte – in der Frage nämlich nach dem Urgrund des Lebens. Leben äußert sich in Form von Lebewesen, die sich in selbstorganisierenden biologischen Rückkopplungsprozessen erhalten, so der wissenschaftliche Blickwinkel. Auch der Planet Erde, Gaia, so Lovelock, lasse sich derart beschreiben. Ganz Naturwissenschaftler, untermauerte er seine Hypothese mit phänomenalen Argumenten. Deren bekanntestes ist der seit ewigen Zeiten gleichbleibende Salzgehalt der Meere, der sich logisch nur erklären lasse, wenn es etwas – nämlich das Wesen Gaia – gebe, das ihn aufrechterhalte: „Obwohl vom Land weiterhin beträchtliche Mengen an Mineralien gelöst und ins Meer verfrachtet werden, ist der Salzgehalt seit Jahrmillionen nicht mehr gestiegen. Nimmt man an, dass die Mineralfracht in früheren Zeiten ähnlich hoch war wie heute, müsste inzwischen so viel Salz in den Meeren sein, dass höhere Lebensformen nicht mehr existieren könnten. Tatsächlich gibt es Prozesse, die Salz auch wieder aus dem Ozean entfernen.“ (Wikipedia)

Obwohl Lovelock selbst sich einer Romantisierung der Gaia-Hypothese widersetzte, hatte er doch viel Verständnis für deren Anhängerinnen:

„Wenn ich von einem lebendigen Planeten spreche, soll das keinen animistischen Beiklang haben; ich denke nicht an eine empfindungsfähige Erde oder an Steine, die sich nach eigenem Willen und eigener Zielsetzung bewegen. Ich denke mir alles, was die Erde tun mag, etwa die Klimasteuerung, als automatisch, nicht als Willensakt; vor allem denke ich mir nichts davon als außerhalb der strengen Grenzen der Naturwissenschaften ablaufend. Ich achte die Haltung derer, die Trost in der Kirche finden und ihre Gebete sprechen, zugleich aber einräumen, dass die Logik allein keine überzeugenden Gründe für den Glauben an Gott liefert. In gleicher Weise achte ich die Haltung jener, die Trost in der Natur finden und ihre Gebete vielleicht zu Gaia sprechen möchten.“

There’s something that calls for you

Obschon sich die Gaia-Hypothese auf naturwissenschaftliche Aspekte berief, hatte sie doch stark spirituelle Auswirkungen, etwa hinein in die Hippie- und New-Age-Bewegung. Doch das ist lange her und hat sich gewissermaßen „überlebt“.  „It’s all over now, baby blue. | Leave your stepping stones behind | There’s something that calls for you“, sang Bob Dylan, der seine mystische Sicht der Welt stets sorgfältig hinter seiner schnarrenden Stimme versteckte.

Der vielleicht wichtigste Aspekt des zunehmenden Gaia-Booms ist seine nicht nur völkerverbindende, sondern menschheitsverbindende Kraft: Wenn wir spüren, dass wir alle Bewohner und Geschöpfe von Gaia sind, dann sind wir ein Volk von Feuerland bis Alaska, von Spitzbergen bis Andalusien, von Cabo da Roca bis Tschuktschen; dann verstehen wir, dass eine Hierarchie innerhalb des Lebens eine absurde Annahme ist; dass wir alle gleichwürdig sind. Gaia wirkt in unseren Kindern, sie ist die große Hebamme aller Menschen und Lebewesen aller Länder.

Aber Gaia macht uns nicht alle gleich; im Gegenteil. Was wäre eine Alpenwiese ohne ihre 5000 Pilzarten, 2500 Flechtenarten, 4500 Gefäßpflanzen und 800 verschiedenen Laubmoose? Sie wäre eine Monokultur, eine menschliche Wahnidee und nicht das Wunderwerk einer durch Jahrmillionen sich steigernden Vielfalt. Gaia, das verstehen immer mehr von uns, ist das Gegenteil industrieller Standardisierungen, Gaia ist Leben pur, das sich in unerreichbarer Individualität ausdrückt, in uns, in dir und in mir.

Gaia lädt uns ein

Und vor allem: Gaia gibt es wirklich. Sie ist keine „Idee“, es sei denn, wir selbst wären Ideen und nicht, von ihr und aus ihr gemacht, aus Fleisch und Blut. Gaia ist der Apfel, in den wir beißen, und der seinen süßen Saft auf unsere Zunge sprüht; Gaia ist die Frühlingswiese, in die wir uns legen und die in uns aufblüht, sobald die Sonne uns strahlend berührt. Gaia ist aber auch der Rost, der am alten, vergessenen Traktor frisst – drüben am Ackerrand. Gaia ist Kraft und Versprechen und Zukunft.

Gaia ist das Ende des gefährlichen Glaubens, hier sei der Mensch und dort die Natur. Gaia ist wir und wir sind Gaia, aber eben nicht exklusiv, sondern im Sinne einer Einladung, einer Ineinsnahme: Der Tag der Erde ist eine Festtagseinladung, bei der uns die Erde zum Feiern ruft, zum Feiern der Geschwister aus Tiefsee und Himmel, zum Feiern unserer Geschwister in und über der Erde, zum Feiern unserer Schwestern und Brüder in Nord und Süd, Ost und West. Denn wir sind ein Volk, Geschwister und Kinder der Erde. Gaia ist Frieden, jeden Tag.

Entnommen aus „(Wandel-) Reiseführer in eine zukunftsfreundliche Lebensweise“ (mit diesem Link copyrightfrei verfügbar)

Evelin Rosenfeld beweist, dass auch eine optimal naturnahe Wirtschaftsweise funktionieren kann

Es gehört zu den beliebten Argumenten der konventionellen Landwirtschaft, man könne nur mit dem Einsatz von Großmaschinen und massiver Schädigung von Mitwelt und Bodenleben wirtschaftlich überleben. Evelin Rosenfeld  beweist das Gegenteil. Im Interview ist Ökoligenta ihrem Ansatz nachgegangen.

Ökoligenta: Du betonst auf deiner Homepage die Kreislaufwirtschaft, und zwar nicht nur irgendeine, sondern eine konsequente. Wenn wir die „Kreislaufwirtschaft“ mal als den einen Pol möglichen Wirtschaftens ansehen, wie würdest du denn den anderen Pol beschreiben?

Evelin Rosenfeld: Der andere Pol ist, mit möglichst wenig Eigenleistung möglichst billig irgendwelche Rohstoffe und Vorleistungen zusammenzukaufen und teuer weiterzuverkaufen. Die Bedingungen der Gewinnung, die nicht eingerechneten Verbräuche auf dem Weg zum „Händler“ und die Entsorgung des verbrauchten Produkts spielen dann ebenso wenig eine Rolle wie der immaterielle Aspekt des „Produkts“. Das Produkt ist dann seelenlos.

Ö: Um jetzt mal konkret von deiner Branche zu sprechen: Wie funktioniert die konventionelle Pflanzen- und Kräuterproduktion üblicherweise?

E.R.: So viel Land wie möglich pachten um so viel Nutztiere wie möglich unter Leben verachtenden Bedingungen möglichst schnell zu vermehren und die Exkremente auf den Flächen auszubringen (man braucht je Vieheinheit eine bestimmte Fläche). Auf diesen Flächen fahren dann Maschinen von mehreren zig Tonnen und reißen mehrmals zwischen Herbst und Frühjahr den Boden auf.

Das Bodenleben stirbt, der Boden verdichtet und verarmt. Dann wird giftig gebeiztes, oft genmanipuliertes Saatgut ausgebracht, das unter Einsatz von mehreren „Gängen“ Mineraldünger (Wasser und Bodenleben werden geschädigt), den Exkrementen aus dem Stall (s.o.) und Pflanzenschutz (einheimische Pflanzenarten, Insekten, Eidechsen etc. werden mitvernichtet) hochgezogen wird. Wieder mehrfach schwere Maschinen auf dem Boden – und Abgase und Lärm.

Wenn der Bestand erntereif ist, kommt eine noch größere, noch schwerere Maschine, rasiert die „Ware“ ab, die vom Schneidwerk mit Hochdruck in den Tank geschleudert wird. Das so misshandelte Pflanzgut wird zum Hof geschafft und mit Fließbändern, Rüttelsieben und Trockengebläsen erneut so massiv verletzt, dass unweigerlich Oxidation und damit Vergiftung und Zerfall der Pflanzen einsetzt.

Was dann noch übrig und trocken ist, wird maschinell kleingehackt, in Säcke geblasen und auf zum Teil langen Wegen – Abgase – zum Händler geschafft, teils mehrere Handelsetappen, bis zuletzt das mausetote Material wieder maschinell in Verkaufspackungen untergebracht wird und erneut auf den Transport zu Einzelhändlern geht.

Ö: Gibt’s da denn keinerlei Unterschiede zwischen konventionellen und Biobetrieben?

E.R.: Der Unterschied besteht lediglich darin, dass Biobetriebe bestimmte Dünge- und Spritzmittel nicht verwenden dürfen, dafür nur Biosaatgut verwenden dürfen und sich einmal jährlich kontrollieren lassen müssen. Wenn man einmal davon absieht, dass Demeter-Betriebe immerhin das Futter für ihre Tiere selbst anbauen müssen, ist der Unterschied marginal.

Ö: Kreislaufwirtschaft und Cradle to Cradle – sind das verschiedene Ansätze?

E.R.: Kreislaufwirtschaft ist eine Überkategorie. Cradle to cradle fokussiert speziell auf Recycling, soweit ich weiß.

Ö: Gibt’s bei dir gar keine nicht wiederverwertbaren Abfälle?

E.R.: Doch: Die Glasflaschen, die Kartons und die Flyer. Die Flaschen zurückzunehmen, zu reinigen und wiederzuverwenden würde mehr Ressourcen verbrauchen, als sie dem großen Recycling vor Ort bei meinen Kunden zuzuführen. Da meine Kunden ja auch sehr bewusst sind und handeln, finden sie ganz sicher eine Wiederverwendung.
Meine Kunden sind übrigens ein paar eigene Zeilen wert. Denn wer mich findet und Gefallen an den Produkten hat, bleibt und bestellt immer wieder. Es ist wirklich so, dass ein paar tausend Namen mir vertraut sind, wenn eine neue Bestellung kommt. Oft mit ein paar lieben, wertschätzenden Zeilen. Manchmal bekomme ich sogar Post von meinen Kunden: schöne Karten, Bücher – einfach: ganz viel Liebe und Verbundenheit, die da schwingt.

Ö: Die Rohstoffe für deine Produkte entnimmst du dem Boden? Wie kommen die entnommenen Nährstoffe wieder in den Boden zurück? Düngst du, und wenn ja, wie?

E.R.: Es muss viel gejätet werden. Hieraus entsteht Kompost, den ich wieder auf die Flächen bringe. Bei Kulturen, die es vertragen, mulche ich zudem. Dem Boden werden durch Photosynthese und Witterung eine Reihe von Elementen aus der Luft und aus dem Sonnenlicht zugeführt. Zudem führt die unbeschadete Fauna (Kleintiere und Insekten) sowie das Mykorhizza [Red.: das in ungeschädigten Böden vorhandene Pilzgewebe] dem Boden alles zu, was vor Ort gebraucht wird. Zusätzlicher Dünger ist da nicht nötig.

Ö: Verschwendung findet ja üblicherweise im Bereich des Energieeinsatzes und im Ressourcenverbrauch statt. Mit welchen Methoden minimierst du diese beiden Faktoren?

E.R.: Ich mähe drei Hektar von Hand, trockne das Pflanzgut in selbst konstruierten Solardarren (komplett frei von Elektrizität) und destilliere auf offenem Feuer.

Ö: Du brauchst ja auch Verpackungen für deine Produkte, wenn du sie verschicken willst. Die sind vermutlich vom Kreislauf ausgenommen? Oder nicht?

E.R.: Ich hole einen Teil der Versandkartons, die ich brauche, vom Einzelhandel aus Rodach: Da fällt so viel an – das kann ich gut wiederverwenden. Allerdings kaufe ich auch Kartons in Recylingqualität zu.

Ö: Du hast dich ja auf Kräuteranbau spezialisiert. Ich habe den Eindruck, dass sich diese Art von Produktion besonders gut für Kreislaufwirtschaft eignet. Ist denn auch eine Landwirtschaft, die Grundnahrungsmittel wie Getreide, Kartoffeln herstellt, als Kreislaufwirtschaft vorstellbar?

E.R.: Ich habe auch einen 5.000 qm großen Gemüsegarten. Das Gemüse erfreut Menschen und Restaurants im unmittelbaren Umfeld. Also: Ja
Zu beachten ist, dass nachhaltiger Landbau > 60% mit mehrjährigen Lebensmittelpflanzen arbeitet. Also heißt das auch für die Nutznießer der Gärten: Weg von einjährigem und oft auch ökosystemfremdem Gemüse – und zurück zu leckeren Dauerkohlen, Spargel, zahlreichen Beeren und vieljährigen Knollen und Wurzelgemüsen.

Ö: Kann man denn ein auch nur halbwegs modernes Leben führen, wenn man arbeitet und denkt wie du?

E.R.: Klar !

Ö: Warum ist dir das alles so wichtig?

E.R.: Weil ich die Erde liebe. Und weil ich dazu beitragen möchte, dass die Menschen endlich Hass, Gier und Verblendung loslassen, um das Leben im Garten Eden zu feiern, statt immer neues Leid zu erzeugen.

Evelin Rosenfeld betreibt die Homepage Wild Natural Spirit mit so naturnah wie möglich naturreinen Pflanzenpräparaten, die sie in Permakultur auf 55.000 qm Land maschinenfrei anbaut. Darüber hinaus bietet sie Seminare zu Permakultur & Heilkräutern an.
Evelin Rosenfeld studierte Biochemie und Betriebswirtschaft, und verabschiedete sich als Konzernstrategin mit 32 Jahren von einem linearen, mitweltfeindlichen Wirtschaften.
Heute sucht sie nach einem/r Geschäftspartner/in, der/die sich den Spagat zwischen ökonomischen Sachzwängen und naturnahem Wirtschaften zutraut.

Kennen Sie den Begriff der Allmende?

„Die Allmende (auch die Gemeindeflur oder das Gemeindegut) ist ein Teil des Gemeindevermögens (Landfläche, Gewässer, Wald), das als gemeinschaftliches Eigentum von der gesamten Bevölkerung benutzt werden darf“ (Quelle: Wikipedia).

Eine kurze Geschichte dazu:

Auf einer gemeinschaftlich genutzten Weidefläche halten Bauern ihre Rinder. Anfangs passt die Anzahl der Tiere zur Kapazität der Wiese, um Überweidung zu vermeiden. Doch als ein Landwirt mehr Rinder hinzufügt, leidet das Gras und wächst schlechter. Dieser Bauer profitiert finanziell, während die Wiese Schaden nimmt. Obwohl allen klar ist, dass zu viele Tiere die Weide zerstören, überwiegt oft der Eigennutz. Und so fragt sich jeder Einzelne, warum ausgerechnet er sich an die Regeln halten soll, wenn die Weide doch nun ohnehin übernutzt ist. Infolgedessen bringen die Bauern immer mehr Kühe auf die Allmende. Bald hat sich das grüne Grasland in ein Schlammfeld verwandelt, unbrauchbar für die Rinderhaltung. Die Bauern sahen das Ende voraus, aber jeder von ihnen wusste, dass es nichts bringt, als Einziger bescheiden zu bleiben. Denn die Wiese wäre trotzdem von den anderen zerstört worden und man selbst hätte außerdem noch weniger verdient. So haben die Bauern, indem sie die Grenzen nachhaltiger Nutzung missachteten, letztendlich alles verloren – eine wahre Tragödie.

Auch unsere Atmosphäre stellt ein solches gemeinschaftliches Eigentum dar, das jeder nach Gutdünken nutzen und leider auch übernutzen darf. Die Folge dieser Übernutzung ist die globale Klimakrise. Der einzelne Mensch glaubt jedoch, nur einen begrenzten Einfluss beim Thema Klimaschutz zu haben, was zu einem Mangel an Verantwortungsbewusstsein führt. Ähnlich wie die Vernachlässigung öffentlicher Orte, wie etwa herumliegender Abfall in Parks oder die mangelnde Sauberkeit auf Toiletten von Autobahnraststätten. Es handelt sich hierbei um das gleiche Prinzip: die Tragödie der Allmende.

Wie kann das Dilemma zwischen Eigennutz und Gemeinschaftswohl gelöst werden?

Dazu braucht es verbindliche Spielregeln, die das begrenzte Allgemeingut gerecht aufteilt. Bezogen auf den Klimawandel bedeutet dies, dass das Recht, die Atmosphäre durch klimaschädliche Emissionen zu belasten, einer Rationierung unterliegen sollte. Dabei versteht es sich von selbst, dass jeder Mensch ein gleichberechtigtes Nutzungsrecht an der gemeinsamen Ressource, der Atmosphäre, besitzen sollte.

Wie solch ein Modell auf EU-Ebene aussehen könnte, beschreibt die gemeinnützige Organisation für nachhaltige Ökonomie mit dem Konzept der komplementären Klimawährung ECO (Earth Carbon Obligation). Das Ausgabevolumen des ECO setzt dabei die konsequenten Rahmenbedingungen, die zwingend erforderlich sind, um das Klimaziel zuverlässig einzuhalten. So dient die Klimawährung als ökologisches Grundeinkommen, das jedem Bürger gleichermaßen zusteht und handelbar ist. Es wird sichergestellt, dass niemand über seine Verhältnisse CO2 emittieren kann, zu Lasten aller anderen. Auch dient die ECO-Währung Produkten als zusätzliches Preisschild, das den CO2-Fußabdruck der Produktion widerspiegelt. Damit ermöglicht sie den Verbrauchern, klimafreundliche Entscheidungen zu treffen. So wird ein verantwortungsvoller Umgang mit den begrenzten Ressourcen unseres Planeten gefördert und die Defossilisierung der Industrie beschleunigt.

Erfahren Sie mehr über diesen Vorschlag, der bereits von renommierten Klimawissenschaftlern, wie z.B. Professor Dr. Dr. Hans-Joachim Schellnhuber befürwortet wird: https://www.saveclimate.earth

Im Moment werden Wirtschaft und Umwelt als getrennte Systeme behandelt. Das ist ein großes Problem, denn so konkurrieren sie miteinander, und am Ende gewinnt immer die Ökonomie. Dies ist ein systemimmanentes Problem unseres gegenwärtigen Wirtschaftssystems, das auf Gewinnstreben und Übernutzung natürlicher Ressourcen fixiert ist. Deshalb können wir die Klimakrise nicht innerhalb des bestehenden Geldsystems lösen.

Die vereinfachte Gleichung „Geld = Konsum = Emissionen“ bringt die allgegenwärtige Klima- bzw. Emissionsungerechtigkeit zwischen Arm und Reich anschaulich zu Tage. Zudem beschreibt sie den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Vermögen und klimaschädlichen Emissionen – jedenfalls solange unsere Konsumgüter noch nicht klimaneutral produziert werden.

 

Also klimaschädliche Produkte verteuern?

Nein, denn eingespartes Geld durch Einschränkung oder Verzicht bzw. wirkungsvollere Technologien an der einen Stelle wird in der Regel an anderer Stelle wieder ausgegeben – z.B. für einen zusätzlichen Urlaub (Rebound-Effekt). Auch deshalb sind wirksamer Klimaschutz bzw. unsere konsumbedingten Emissionen vom Geldsystem abzukoppeln – beispielsweise durch eine komplementäre Klimawährung!

Unser herkömmliches Geld alleine ist ungeeignet, die Belastung der Ökosysteme durch unseren Konsum transparent abzubilden. Es gibt nämlich viele Produkte, die zwar ökonomisch sehr günstig herzustellen sind und folglich auch billig verkauft werden, deren Herstellung oder Betrieb aber ausgesprochen umweltschädlich sind. Auch verhindert der im Produktpreis enthaltene CO2-Preisaufschlag eine wünschenswerte Transparenz, denn dieser geht nahezu gänzlich im Gesamtpreis unter. Dies erschwert den Verbrauchern die Möglichkeit sich für das klimafreundlichere Produkt zu entscheiden.

Deswegen werden wir weder durch den Zertifikatehandel noch über Verteuerungen die notwendige Emissionsreduktion erreichen. Es braucht ein Modell, das nationalstaatliche Interessen mit globalen Notwendigkeiten vereinbaren kann. Denn die Emissionen drastisch zu reduzieren, um planetare Grenzen einzuhalten, ist nicht optional, sondern zwingend notwendig!

 

„Eine wirkungsvolle und zugleich sozial-gerechte Alternative könnte ein konsequent verursacherbasiertes System auf Konsumentenebene sein.“

 

Die Einführung persönlicher handelbarer CO2-Budgets würde das Kaufverhalten der großen Menge der Verbraucher verändern. So ließe sich der notwendige Veränderungsdruck auf die Wirtschaft aufbauen, ihre Produktionsprozesse aus eigenem Interesse immer nachhaltiger zu gestalten – hin zu deutlich mehr grünen Alternativen für die Konsumenten. Denn die Industrie produziert das was wir mit unseren begrenzten Budgets kaufen (können).

 

Die Klimakrise ist ein globales, multikausales und vielschichtiges Problem. 

Wir können sie nicht mit Einzelregelungen bekämpfen. Wir brauchen einen mess- und regulierbaren Handlungsrahmen, mit dem wir auf ökologische Herausforderungen zügig und angemessen reagieren können. Nur wenn wir unsere Wirtschafts-, Konsum- und Lebensweise nachhaltig gestalten, und ökologische wie auch soziale Gesichtspunkte gleichrangig zu ökonomischen berücksichtigen, werden wir unserer Verantwortung für zukünftige Generationen gerecht.

 

Wir brauchen einen Paradigmenwechsel …

  • der Treibhausgase im Zusammenhang mit unserem Konsum zugleich lückenlos erfasst, transparent abbildet, und gerecht abrechnet
  • hin zu einem System, bei dem der Einzelne frei über sein Konsumverhalten entscheiden kann, allerdings innerhalb klar gesteckter Grenzen für alle
  • welcher ein punktgenaues und flexibles Erreichen des Klimaziels garantiert
  • hin zu einem Modell, das administrativ relativ unaufwändig ist, und darüber die soziale Ungleichheit reduziert
  • weg von Maßnahmen, die überwiegend auf Verteuerung bzw. Einschränkung und Verzicht setzen, überwiegend einkommensschwächere Haushalte überproportional betreffen, und die inländische emissionsintensive Industrie ins Ausland vertreiben, wo weniger strenge Umweltauflagen gelten
  • weg von kleinteiligen oft unpopulären Maßnahmen, hin zu persönlichen handelbaren Emissionsbudgets

 

Mit einer komplementären Klimawährung und persönlichen Emissionsbudgets zum Klimaziel

Eine sozial-gerechte und vor allem effektivere Alternative zu den gängigen Werkzeugen zur Emissionsreduktion könnte eine Klimawährung sein, die parallel zur Landeswährung existiert. Mit einer solchen digitalen Kohlenstoff-Ressourcenwährung könnten die Bürger ihre konsumbasierten CO2-Emissionen bezahlen. Diese Währung würde mittels persönlicher handelbarer Emissionsbudgets das Steuerungspotential für Klimaschutz in die Hände aller Verbraucher legen, und Unternehmen intrinsisch motivieren umweltfreundlicher zu produzieren. Zusätzlich könnte ein solcher Emissionshandel auf Bürgerebene zur Verringerung der Wohlstandsschere beitragen, da unverbrauchtes Budget gegen Geld verkauft werden kann. Einkommensschwächere Haushalte oder Bürger ärmerer Länder, die meist weniger klimaschädlich konsumieren, erhielten so ein zusätzliches finanzielles Einkommen.

Das Modell würde eine sozio-ökologische Transformation fördern, indem es die Verantwortung und das Steuerungspotential für Klimaschutz auf die Konsumenten überträgt, und gleichzeitig ohne zusätzliche ordnungsrechtliche Verteuerungen auskommt. Darüber hinaus entbindet es die Politik kleinteilige und oft unpopuläre Maßnahmen zu verhängen, umzusetzen und kontrollieren zu müssen.

Mehr dazu unter: www.saveclimate.earth

Vielen Bürgern ist nicht bewusst, welche enormen Treibhausgas-Einsparungen notwendig wären, um die Erderwärmung zumindest auf ein akzeptables Maß zu begrenzen. In Deutschland liegt der durchschnittliche CO2 Pro-Kopf-Verbrauch bei ca. 10 Tonnen im Jahr. Tatsächlich müsste der Verbrauch weniger als 2 Tonnen betragen, d.h. der Energieverbrauch jedes Einzelnen von uns müsste um ca. 80 Prozent sinken.

Was lässt sich also tun?

Politik, Industrie, Gesellschaft – oder die Diffusion von Verantwortung

 

Die Politik kann es nicht richten, die Industrie will es nicht richten, und wir Bürger sehen uns vor einer unlösbaren Aufgabe aufgrund der Größe des Problems.

 

Warum ist dies so?

Von Seiten der Politik betrachtet:

Wer wiedergewählt werden will, ist auf Massenzustimmung der Bevölkerung angewiesen. Verbote und Zwänge finden deshalb keine gesellschaftliche Mehrheit. Außerdem sind Wirtschaft und Politik eng miteinander verflochten. Eine Regierung ist ferner massiv von einer gut funktionierenden Wirtschaft abhängig, die keine zusätzlichen Aufwände für Klimaschutz will. Politik ist in Sachzwängen verhaftet und unterstützt vornehmlich ihre wirkmächtigste Klientel. Wirklich wirkungsvolle Maßnahmen gegen den Klimawandel bedeuten politischen Selbstmord.

Von Seiten der Industrie betrachtet:

Das primäre Ziel der Industrie ist Wachstum und Profit, nicht Klimaschutz. Ein Umbau der Produktion, hin zu klimafreundlichen Prozessen bedeutet zunächst Investitionen, die die Wettbewerbsfähigkeit negativ (z.B. gegenüber den USA und China) beeinflussen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor: Inwieweit sind die Konsumenten gewillt, für echte CO2-freie Produkte einen höheren Preis zu akzeptieren.
Die mit Erdöl und Erdgas arbeitende Industrie wird zurzeit doppelt gefördert:

  • Sie muss für die Folgekosten der verursachten Schäden nicht bezahlen
  • Sie erhält umfangreiche Subventionen

Welche Unternehmen würden freiwillig unwirtschaftliche Entscheidungen treffen und dadurch einen Wettbewerbsnachteil riskieren?

Welche Rolle spielen wir Konsumenten?

Betreffen die erforderlichen Klimaschutz-Maßnahmen die persönliche Komfortzone (oder den eigenen Geldbeutel), nimmt die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen dramatisch ab. Zudem ist der Einfluss des Einzelnen sehr begrenzt, und führt daher schnell zur Resignation. Auch der Effekt der Abnutzung spielt eine Rolle. Immer wiederkehrenden Katastrophenmeldungen führen zu einer Gewöhnung, und irgendwann hört man nicht mehr zu. Darüber hinaus schmelzen die Gletscher ja nicht in unseren Vorgärten und die untergehenden Inseln in der Karibik sind weit weg. Doch ist die Umwelt- und Klimakrise die zentrale Bedrohung des künftigen Wohlstands. Vom Wegschauen hat sich aber noch selten ein Problem gelöst. Ebenso wenig hilft Wunschdenken weiter à la: Der Markt wird schon die richtigen Technologien zur Lösung der Erderwärmung entwickeln. Neue Techniken tauchen nicht einfach aus dem Nichts auf, um dann zeitgerecht unsere Probleme zu lösen.

Ein möglicher Gamechanger in der Klimapolitik

Unterschiedlichste Zielkonflikte, ökologisches Bewusstsein und ökonomische Zwänge, Eigennutz und Moral sowie die Unschärfe gesellschaftlicher Verantwortung bilden einen Teufelskreis. Klimaschutz darf daher nicht der Freiwilligkeit des Einzelnen, der Industrie oder den Regierungen von Staaten überlassen werden.

Eine Lösung des Problems ist nur denkbar, wenn marktwirtschaftliche Gesetze im Einklang mit ökologischer Nachhaltigkeit funktionieren. Möglich wird dies durch ein System, das nach dem Verursacherprinzip die kleinste Einheit am Markt berücksichtigt, nämlich den Konsumenten. Denn er hat eine enorme Steuerungswirkung auf die Produktionsprozesse der Industrie. Ein solches System könnte mittels eines ökologischen Grundeinkommens die Macht und das Steuerungspotential für Klimaschutz komplett in die Verantwortung aller Bürger legen – mehr dazu am Ende des Artikels.

Wir leben alle innerhalb desselben Systemdesigns, das den gegenwärtigen Zustand unserer Mitwelt ermöglichte. Deshalb müssen wir als Gesellschaft auch wieder gemeinsam aus der Krise herausfinden, und zwar ohne jemanden dabei abzuhängen. Die Frage nach mehr oder weniger Schuld hilft dabei nicht weiter. Wir müssen die generellen Spielregeln ändern. Dazu braucht es einen Paradigmenwechsel – einen systemischen Ansatz, der all die teils sehr unterschiedlichen Lebensrealitäten, individuellen Konsumpräferenzen und Interessenkonflikte der Menschen berücksichtigt, und nur so weit regulierend eingreift, wie absolut unerlässlich ist.

Zu schaffen ist ein Modell ökologischer Leitplanken, in dem jeder Bürger mittels persönlicher Emissionsbudgets selbst darüber entscheiden kann, wie er Klimaschutz in sein Leben integriert – und nicht ob. Und überdies ein Maximum an persönlicher Konsumentscheidungsfreiheit ermöglicht, allerdings innerhalb ganz klar gesteckter ökologischer Grenzen für alle. Ein solches Konzept entbindet die Politik von der Notwendigkeit, kleinteilige und oft unpopuläre ordnungsrechtliche Maßnahmen erlassen, umsetzen und kontrollieren zu müssen

Emissionsminderung – „too little and too late“

Mit den gängigen Werkzeugen EU-Emissionshandel und CO2-Steuer werden wir das Klimaziel voraussichtlich verfehlen. Die Wunschvorstellung, über Geldpreissignale die erforderlichen Verhaltensänderungen bei den Konsumenten zu bewirken, ist krachend gescheitert. Das was durch die enormen Preissteigerungen an den Tankstellen und beim Heizen tatsächlich an Emissionen eingespart wurde, bewegt sich leider nur im einstelligen Prozentbereich. Wie sollte es auch über Verteuerungen funktionieren können?! Schließlich stehen uns Verbrauchern nicht annähernd in ausreichendem Maße klimaneutrale Konsum- und Mobilitätsalternativen zur Verfügung.
Darüber hinaus ist der Weg, Klimapolitik über Konsumverteuerung zu gestalten, aus verschiedenen weiteren Gründen nicht zielführend. Zum einen unterliegt man der irrigen Annahme, dass ein höherer Preis automatisch auch in gleichem Maße die Nachfrage reduziert. Die Lenkungswirkung eines höheren Geldpreises ist unzureichend, weil es den Effekt der Preiselastizität gibt. Nach den eisernen Gesetzen des Marktes führt normalerweise ein Ansteigen des Preises zu einer verringerten Nachfrage – jedoch bei weitem nicht in gleichem Maße. Die Bürger zahlen die Aufschläge zwar widerwillig, aber sie zahlen sie – notgedrungen. Deshalb trifft es auch beim Klima nicht zu, dass sich durch Verteuerungsmaßnahmen die (Über)Nutzung der Atmosphäre mit klimaschädlichen Gasen in ausreichendem Umfang verringern, geschweige denn limitieren ließe. Denn ein jeder kann grundsätzlich nach wie vor unbegrenzt emittieren, einzig die Kosten dafür erhöhen sich. Es fehlt eine konkrete Verknappung der Emissionen durch Budgetierung!

Warum man die Klimakrise nicht innerhalb des Geldsystems lösen kann

Unser herkömmliches Geld alleine ist ungeeignet, die Belastung der Ökosysteme durch unseren Konsum transparent abzubilden. Denn es gibt viele Produkte in unserer modernen Konsumgesellschaft, die zwar ökonomisch sehr günstig herzustellen sind, und folglich auch billig verkauft werden, deren Herstellung oder Betrieb aber mit hohen Umweltkosten verbunden sind. Solange unsere Konsumgüter nicht generell klimaneutral produziert werden, veranschaulicht die vereinfachte Gleichung „mehr Geld = mehr Emissionen“ die allgegenwärtige Klima- bzw. Emissionsungerechtigkeit zwischen Arm und Reich. Dennoch nutzen Verteuerungen im Kampf gegen den Klimawandel wenig. Denn eingespartes Geld an der einen Stelle wird in der Regel an anderer Stelle wieder ausgegeben – z.B. für einen zusätzlichen Urlaub (Rebound-Effekt). Auch deshalb ist es unerlässlich, wirksamen Klimaschutz bzw. unsere konsumbedingten Emissionen vom Geldsystem abzukoppeln – beispielsweise durch eine komplementäre Klimawährung!

Nationalstaatliche Interessen mit globalen Notwendigkeiten vereinbaren

Die Umweltbelastungen drastisch zu reduzieren um planetare Grenzen einzuhalten, ist keine Wahlmöglichkeit, sondern eine zwingende Notwendigkeit. Es braucht also ein Modell, das nationalstaatliche Interessen mit globalen Notwendigkeiten vereinbaren kann. Eine wirkungsvolle und zugleich sozial-gerechte Alternative könnte ein Vorschlag der NGO SaveClimate.Earth sein. Deren Lösungsvorschlag besteht darin, ein konsequent verursacherbasiertes System auf Konsumentenebe zu etablieren. Persönliche handelbare CO2-Budgets und das daraus resultierende veränderte Kaufverhalten baut den notwendigen Veränderungsdruck auf die Wirtschaft auf, ihre Produktionsprozesse immer nachhaltiger zu gestalten, denn die Industrie produziert das, was wir mit unseren begrenzten Budgets kaufen (können). Ein solches System erlaubt uns, auf ökologische Herausforderungen zügig und angemessen zu reagieren.

Wir brauchen einen Paradigmenwechsel …

  • der Treibhausgase im Zusammenhang mit unserem Konsum zugleich lückenlos erfasst, transparent abbildet, und gerecht abrechnet
  • hin zu einem System, bei dem der Einzelne frei über sein Konsumverhalten entscheiden kann, allerdings innerhalb klar gesteckter Grenzen für alle
  • der ein punktgenaues und flexibles Erreichen des Klimaziels garantiert
    hin zu einem Modell, das administrativ relativ unaufwändig ist, und darüber hinaus zur Verringerung der sozialen Ungleichheit beiträgt
  • weg von Maßnahmen die überwiegend auf Verteuerung bzw. Einschränkung und Verzicht setzen, überwiegend einkommensschwächere Haushalte überproportional betreffen, und die inländische emissionsintensive Industrie ins Ausland vertreiben, wo weniger strenge Umweltauflagen gelten
  • weg von kleinteiligen oft unpopulären Maßnahmen, hin zu persönlichen handelbaren Emissionsbudgets

 

Die politischen Debatten über Regelungen bis ins kleinste Detail könnten entfallen, da die Konsumenten durch ihre Kaufentscheidungen, auf Basis günstigerer ökologischer Preise, die notwendigen Transformationsprozesse in der Wirtschaft auslösen und unterstützen.
Denn durch den marktwirtschaftlichen Ansatz einer vom Geldsystem entkoppelten Klimawährung kommen automatisch die am besten geeigneten Methoden bzw. Techniken zur Anwendung, die mit dem geringsten Aufwand die beste Emissionsreduktion bewirken. Und dies ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Verteuerungen bzw. staatlicher oder ordnungsrechtlicher Interventionen.

 

Die NGO SaveClimate.Earth, Organisation für nachhaltige Ökonomie, hat zu handelbaren persönlichen Emissionsbudgets ein Konzept ausgearbeitet, das Initial auf EU-Ebene eingeführt werden könnte.

 

Es gibt Antworten darauf,

  • wieso ein Emissionshandel auf Bürger-Ebene dem Zertifikatehandel der Industrie und der CO2-Steuer überlegen ist.
  • wie persönliche handelbare Emissionsbudgets der effektive und sozial-gerechte Gegenentwurf zu allen aktuellen Maßnahmen sein könnten und wir so ein festgelegtes Emissionsziel garantiert einhalten können.
  • wie die Etablierung einer komplementären Ressourcenwährung ECO (Earth Carbon Obligation) als globales CO2-Äquivalent aussehen könnte.
  • wie die monatliche Auszahlung des ECO als ökologisches Grundeinkommen in Form eines persönlichen handelbaren CO2-Budgets funktioniert.
  • wie ein separates Emissionspreisschild in der Klimawährung ECO dafür sorgt, dass die Klimaschädlichkeit von Produkten miteinander vergleichbar wird.
  • wie wir unseren individuellen CO2-Konsum über ein eigenes Klimakonto bezahlen könnten.

 

 

Das Buch zum Konzept der Klimawährung ECO ist im Oekom Verlag erschienen und kann kostenlos als E-Book heruntergeladen werden.

 

 

 

In diesem dritten Teil geht es darum, dass wir lernen, innerhalb der planetaren Grenzen zu leben.

Teil 3 von Daniel Christian Wahl

Teil 1

Teil 2

In diesem zweiten Teil der Reihe geht es um den sogenannten Earth Overshoot Day, den Tag im Jahr, an dem wir dem Ökosystem mehr entnommen haben, als dieses natürlicherweise regenerieren kann.

Teil 2 von Daniel Christian Wahl

Teil 1

Teil 3