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Design für die Rettung der Welt – so der Anspruch eines kürzlich erschienenen Buches

„Wie können wir es schaffen, mit zehn bis zwölf Milliarden Menschen gut auf dieser Erde zu leben? Wie erreichen wir für alle ein Leben in angemessenem Wohlstand, in Frieden und Freiheit und in einem global intakten und vielfältigen Ökosystem?“ Jascha Rohr

Von Bobby Langer

Könnte man den geläufigen Ausdruck „das Buch der Stunde“ auf eine ganze Epoche übertragen, dann träfe er auf dieses Buch zu. Es erhitzt sich nicht an – immer diskutablen – Inhalten, sondern beschäftigt sich klug, systematisch und auf viel Erfahrung zurückgreifend mit den uns bleibenden Möglichkeiten, das Ruder herumzureißen.

Der Autor Jascha Rohr beschreibt sein Buch folgendermaßen: „Wir haben einen kokreative Werkstatt in Form eines Buches vor uns, die aus einer Reihe von Werkräumen besteht, den Kapiteln dieses Buches. Unser Ziel ist der Entwurf für die große Kokreation.“

Kein Was ohne Wie

Für viele Laien, aber auch Experten in Sachen Nachhaltigkeit, Erderwärmung oder Artensterben sieht es eher hoffnungslos aus. Gleich dem vom Auge der Schlange gebannten Kaninchen stehen sie dem lebensverschlingenden Verhalten der industriellen Zivilisation ratlos gegenüber. Jascha Rohr hat – wenigstens für sich – diesen Bann gebrochen. Statt sich dystopischen Gedanken zu überlassen, überlegt er, wie eine nachhaltige Umgestaltung der Welt funktionieren könnte. Denn, so findet er, ohne über das Wie nachgedacht zu haben, brauchen wir uns über das Was erst gar keine Gedanken zu machen. „Die große Kokreation“ ist für ihn ein „Entwurf darüber, wie wir unsere globalen Probleme besser miteinander lösen können“. Die Zukünftigen lässt er rufen: „Stellt euch den Herausforderungen und Schwierigkeiten, entwickelt positive Wirkung. Baut auf das, was euch Kraft gibt und im besten Sinne wirkmächtig macht – auf eure Lebendigkeit, Kreativität, Freude und Liebe, eure Lust, Begeisterung, Intelligenz und Empathie.“

Nicht nur lesenswert, sondern auch lesbar

Rohrs Buch ist eine „Werkstatt für alle, die nicht mehr untergehen wollen“ – so der Untertitel. Das kann nicht anders als komplex und auf hohem theoretischen Niveau angegangen werden. Und doch gelingt es dem Autor, sich dem großen Thema klar, übersichtlich und auch sehr persönlich und menschlich zu nähern. Mit anderen Worten: Man muss nicht Sozialwissenschaften studiert haben, um es lesen zu können. Dazu trägt bei, dass Jascha Rohr sowohl induktiv wie deduktiv arbeitet; d. h. manchmal begibt er sich von einem praktischen Beispiel ausgehend auf die Metaebene, manchmal startet er gedanklich auf der Metaebene und belegt seine Gedanken durch ein Beispiel. Selbst die Grafiken sind dank ihrer Skizzenhaftigkeit besser nachvollziehbar und einprägsamer, als dies „perfekte“, theoriebezogene Grafiken normalerweise sind. Und noch eines macht sein Buch lesenswert: Es ist getragen von dem unbedingten Willen, Positives in die Welt zu bringen – ohne die Augen vor den drängenden Problemen zu verschließen.

Methoden zur Neuerfindung der planetaren Zivilisation

Entscheidend für Jascha Rohr: Es geht nicht um fertige inhaltliche Lösungen, sondern um die „Beschreibung des Wie …, also eines Prozesses. Dieser Prozess hat im Grunde längst schon begonnen … Es ist ein Prozess, in dem wir miteinander lernen, unsere Probleme ganz anders zu lösen, als wir es bisher versuchen … Das Ziel ist nichts Geringeres als die Neuerfindung unserer planetaren Zivilisation.“ Ein hoher Anspruch.

Die zentrale Methode für dieses „Global Resonance Project“ nennt er „Resonanzarbeit“. Und das ähnelt keiner bekannten Methode, ganz im Gegenteil: „Resonanzarbeit folgt keiner festen Strategie, sondern ist mäandernd, verknüpfend, assoziativ. Sie stellt vielfältige Verbindungen und Beziehungen her, um Kreativität, Ideen und Innovationen anzuregen. Im Idealfall entsteht daraus am Ende ein kokreativer Entwurf.“ Der Prozess ist „entwurfsorientiert. Er ist ein Angebot zum Selbstdenken, zum Entwickeln und Mitgestalten … [Das Buch] bietet die Möglichkeit der Auseinandersetzung in einem Feld – in diesem Fall ist das die planetare Zivilisation –, damit dann aus dem eigenen Impuls heraus und mit den eigenen Potenzialen und Möglichkeiten transformatorische Projekte entwickelt und in die Umsetzung gebracht werden können, sodass am Ende eine reale Veränderung in der Welt entsteht“.

Aus einem alten Hut wird kein neuer

Jascha Rohr geht es um zwei Fragen:

„Wie kann es sein, dass wir als Spezies unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstören?“
Und: „Was kann Kokreation dazu beitragen, dass sich diese Dynamik zum Positiven wendet?“

Der Leser kann, wenn er möchte, mitverfolgen und dabei erlernen, wie sich Methoden in kokreativen Prozessen kontextspezifisch aus dem Prozess entwickeln und ist eingeladen, „in der eigenen Praxis mit diesen Ansätzen zu experimentieren“. Personen, die an eigenen Prozessen und Projekten arbeiten, empfiehlt Jascha Rohr, das Buch mit dem eigenen Projektteam zu lesen.

Klar: „Benutzen wir … die Werkzeuge der alten Zivilisation, kann nur eine neue Version der alten Zivilisation dabei herauskommen.“ Um diesem Fehler nicht zu erliegen, kommt die Kokreation ins Spiel, ein Wort, das der „Kooperation“ oder „Kollaboration“ ähnelt, sich aber deutlich davon unterscheidet. So bezieht sich das „Ko“ in Kokreation nicht nur auf Mitmenschen, sondern auf die gesamte Mitwelt, also auf alle Mitgeschöpfe, auch: Mitdinge. Es geht darum, Mittel und Wege zu finden, „mit der gesamten Welt gemeinsam zu gestalten, statt die gesamte Welt als Menschen zu gestalten“. Das klingt in der Tat nicht mehr nach einem „Werkzeug der alten Zivilisation“. Der Wortteil „kreation“ in Kokreation bezieht sich auf Kreativität als Grundlage von Emergenz in Kunst und Kultur, wozu unbedingt auch Architektur, Philosophie, Ingenieurskunst und Wissenschaft gehören. Anders als in der alten Zivilisation lässt sich in einem kokreativen Entwurfsprozess „meist gar kein klares Ergebnis definieren, sondern eher einen Ergebnistyp“. Auf der Suche nach neuen Lösungsansätzen werden „die Themen, Akteure und Kontexte aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und zueinander in Beziehung gesetzt“.

Das ontologische Grundproblem angehen

Der Vater aller Probleme ist der Subjekt-Objekt-Dualismus, den Jascha Rohr als „ontologisches Grundproblem der ökologischen Krise“ identifiziert. Um sich von ihm zu lösen, sind die entscheidenden begrifflichen Werkzeuge:

Das Feld: „die räumliche Konstellation von miteinander interagierenden Partizipateuren und ihre Wirkungen aufeinander“ (auch: „die Wirkungen und Kräfte, die sich zwischen den Elementen aufspannen“). Anders als „Systeme“ sind Felder nicht durchschaubar und nicht steuerbar.

Der Prozess: „die sich zeitlich entfaltende Dynamik eines Feldes“, bestehend „aus allen diesen Prozess prägenden Partizipateuren, deren Wirkungen und Interaktionen sowie der fortschreitenden generativen Entwicklung, die daraus resultiert“. Besonders wichtig und auch schon in kleinem Rahmen anwendbar und aufs Größere übertragbar: „Prozesse sind fraktal und verschachtelt.“ Zur Erklärung des damit Gemeinten: „Unser Leben ist ein Prozess, aber unsere Ausbildung, Beziehungsphasen und die Phasen, in denen wir einer bestimmten Profession nachgehen, sind ebenfalls Prozesse.“

Indem Rohr die Begriffe „Subjekt“ und „Objekt“ abschafft und durch „Partizipateur“ ersetzt, schafft er die gedankliche Voraussetzung für einen tatsächlich ontologischen Paradigmenwechsel: „Alle Dinge der Welt sind Dinge der Welt, weil sie an der Welt teilhaben.“ Folgerichtig können auch „eine Geschichte, eine Kaffeetasse, eine Blume und die Gravitation“ Partizipateure sein: „Alles in der Welt ist Partizipateur, wenn es wirkt und teilhat. Was nicht wirkt und an nichts teilhat, existiert nicht.“

Zusammenfassend: „Ein Feld ist ein Prozess zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ein Prozess ist ein Feld in seiner dynamischen Entfaltung.“ Die große Aufgabe, die Zukunft zu gestalten, kann folglich kein „funktionales Gestalten“ sein – das wäre das Übliche –, sondern „ein generatives, wechselseitiges, fluides Interagieren mit den Prozessen, die uns gestalten, während wir gestalten“. Erst wenn wir „die Dinge in ihrer jeweiligen intrinsischen Eigenart als Gegenüber anerkennen“, wird tatsächlich ein Ausweg aus dem Subjekt-Objekt-Dualismus vorstellbar hin zu einer ökologischen, kokreativen Demokratie.

Die dazu fähige und dafür notwendige Kulturtechnik ist die Kokreation. „Sie ist das Wie: Wie gestalten wir gemeinsam. Das Was ergibt sich dann daraus … das wird synchron passieren: Wir werden diese erst in den Anfängen sichtbare Kulturtechnik entdecken, entwickeln, erfinden, erlernen und trainieren müssen, während wir beginnen, sie anzuwenden und erste Ergebnisse zu produzieren.“

Und das ist dabei die Herausforderung: „Da rollt die phantastischste Wahnsinnswelle auf uns zu, die wir je haben reiten können. Der Einsatz ist hoch, die Welle gefährlich, möglicherweise tödlich, aber der Ritt, den wir nehmen könnten, kann der beste unseres Lebens werden.“ Sich dem zu stellen, ist eine gewaltige und riskante Aufgabe mit ungewissem Ausgang. Das schätzt auch Jascha Rohr so ein und gesteht: „Dieses Buch ist ein Wagnis und der Versuch, eine visionäre Geschichte zu erzählen.“ Ihm zuzuhören, ist fesselnd und lädt ein, dabei zu sein beim „planetaren Fest der Gestaltung“.

Jascha Rohr, Die große Kokreation. Eine Werkstatt für alle, die nicht mehr untergehen wollen. 400 S., 39 Euro, Murmann Verlag, ISBN 978-3-86774-756-1

Interview mit Jascha Rohr

Internetseite zum Buch

Eine Rezension von „Schöner grüner Schein“

Von Bobby Langer

„Was auch immer Sie lieben, es ist bedroht. Aber lieben ist ein Tätigkeitswort. Möge diese Liebe uns ins Handeln bringen.“

Es gibt so etwas wie das „fröhliche gute Gewissen der Grünen“. Gemeint sind damit nicht nur die Parteimitglieder, sondern alle, die auf diesem Segelschiff der Illusionen mitschwimmen. Im Schiffsbauch befindet sich die Vorstellung eines Green New Deal, mit dem wir die westliche Industriegesellschaft ohne sonderliche Abstriche retten und weiterbetreiben können.

Die Autoren von „Schöner grüner Schein“, Derrick Jensen, Lierre Keith und Max Wilbert, bezeichnen die Segelmeister und Passagiere dieses Segelschiffs als die „Hellgrünen“.  Mit ihrem jüngst auf Deutsch erschienenen Buch tun sie alles, um Bewegung in die Wogen zu bringen und dieses ruhige Gewissen aufzuscheuchen. Kapitel für Kapitel belegen sie, dass eine „grüne“ Industriegesellschaft nur um den Preis weiterer und unaufhaltsamer Umweltzerstörungen möglich ist. „Hellgrüne Lösungen sind nur dazu da, den lebenden Planeten wieder und immer weiter zu zerstören.“

So sei also an den Anfang dieser Besprechung einerseits eine Warnung gestellt, andererseits ein Versprechen. Eine Warnung, weil die Lektüre der 463 Textseiten einem die „grüne Unschuld“ nimmt und der „deflorierte Leser“ danach ernüchtert seine Positionen überdenken muss; ein Versprechen hingegen für all jene, die schon immer das „Weiter so“ unter grüner Flagge mit Bauchgrimmen wahrgenommen haben. Hier bekommen sie endlich das inhaltliche, argumentative Rüstzeug für die nächste Debatte. Denn wenn in diesem Buch etwas nicht fehlt, dann sind das die Fakten: Fakten zur Solar- und Windindustrie, Fakten zur grünen Energiespeicherung, Fakten zu Recycling und Effizienz, zur grünen Stadt, zum grünen Netz und zur Wasserkraft sowie diversen Scheinlösungen wie Geothermie oder Kohlenstoffabscheidung.

Das Spektrum des Umweltschutzes [aus Sicht der Autoren]

Tiefgrün

Sowohl der lebende Planet als auch die nichtmenschlichen Lebewesen haben das Recht zu existieren. Das menschliche Wohlergehen hängt von einer gesunden Ökologie ab. Um den Planeten zu retten, müssen die Menschen innerhalb der Grenzen der natürlichen Welt leben.

Lifestylisten

Der Mensch ist von der Natur abhängig, und die Technologie wird die Umweltprobleme wahrscheinlich nicht lösen, aber politisches Engagement ist entweder unmöglich oder unnötig. Das Beste, was wir tun können, ist, uns in Eigenverantwortung zu üben … Der Rückzug wird die Welt verändern.

Hellgrüne

Es gibt ernsthafte Umweltprobleme, aber grüne Technologie und grünes Design sowie ethisches Konsumverhalten werden es möglich machen, den modernen, energieintensiven Lebensstil auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.

Vernünftige Nutzer

Es gibt zwar ökologische Probleme, aber die meisten davon sind nicht so schlimm und können durch ein angemessenes Management gelöst werden.

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Alles, worum Derrick Jensen bittet, ist „ehrlich mit uns selbst zu sein“. Was er damit meint, zeigt er am Beispiel einer „unschuldigen“ Brille: „Sie besteht aus Plastik, für das Öl und Transportinfrastrukturen benötigt werden, und aus Metall, für das Bergbau, Öl und Transportinfrastrukturen erforderlich sind … und die moderne Glasherstellung erfordert Energie und Transportinfrastruktur. Die Minen, aus denen die Materialien für meine Lesebrille kommen, müssen irgendwo liegen, und die Energie für die Herstellung muss auch irgendwoher kommen.“ Es gibt nun mal kein Abrakadabra-Simsalabim für irgendein Industrieprodukt, auch wenn es uns so vorgespiegelt wird. Wir meinen, wir bräuchten nur das nötige Kleingeld zu haben, und schon „zaubern“ wir uns, ohne Umweltkosten, unseren Komfort herbei – eine kindliche Vorstellung.

Ein kleiner Wermutstropfen angesichts der vielen Fakten ist ihr relatives Alter. Der US-Titel „Bright Green Lies: How the Environmental Movement Lost Its Way and What We Can Do About It” erschien 2021. Die im Buch genannten Zahlen sind also wenigstens fünf Jahre alt. Andersherum wissen wir: So gut wie nichts hat sich seither zum Besseren gewendet.

Wie gut, dass das Autorenteam einen nicht im Regen stehen lässt. Auf rund 40 Seiten befasst es sich mit „wirklichen Lösungen“, an denen – zumindest dieser Logik nach – kein Weg vorbeigeht. Letzten Endes gehe es um alles oder nichts. Zu einer zukunftsfähigen Lösung, so die Autoren, werden wir erst kommen, wenn wir bereit sind, „eine Lawine von Wehmut auszuhalten … Aber wenn man diesen Planeten liebt, muss man es tun“. Was anstehe, sei eine Reindigenisierung der westlichen Lebensweise. „Wir müssen erkennen, dass, da die Erde die Quelle allen Lebens ist, die Gesundheit der Erde bei unseren Entscheidungsprozessen an erster Stelle stehen muss … Wenn wir unsere Werte ändern, werden bisher unlösbare Probleme lösbar.“ Wir müssen aufhören, uns die falschen Fragen zu stellen.  „‚Wie können wir weiterhin industrielle Energiemengen gewinnen, ohne Schaden anzurichten?‘, ist die falsche Frage. Die richtige Frage lautet: ‚Was können wir tun, um der Erde zu helfen, die durch diese Kultur verursachten Schäden zu reparieren?‘“

Zurück zum Einstieg: Dieses Buch ist schwer verdauliche Kost, nicht weil es schwer zu lesen wäre, sondern weil es seinen Leserinnen und Lesern von Kapitel zu Kapitel mehr den Staub der Illusionen aus dem Zivilisationsmäntelchen klopft. „Schöner grüner Schein“, schreibt Vandana Shiva, sei „ein dringend notwendiger Weckruf, wenn wir verhindern wollen, dass wir schlafwandelnd aussterben – und damit den 200 unserer Mitgeschöpfe und Verwandten folgen, die täglich von einer extravistischen, kolonisierenden Geldmaschine in den Tod getrieben werden, die von grenzenloser Gier geschmiert und vom mechanistischen Geist des Industrialismus geleitet wird.“

Schöner grüner Schein. Warum »grüne« Technologien derselbe Irrweg in Grün sind. Von Derrick Jensen, Lierre Keith und Max Wilbert, Verlag Neue Erde, 517 S., 36 Euro, ISBN 978-3-89060-838-9

Von Angela Brüning

„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“

Diesem Martin Luther (fälschlicherweise) zugeschriebenen Zitat ist Hans-Joachim Bannier wahrlich nachgekommen; in seinem Sortengarten in Bielefeld wachsen ca. 350 bis 400 überwiegend alte Apfelsorten. In seinem Online-Vortrag am 16. Februar 2023 „Ökologische Apfelzüchtung und Neue Gentechnik / CRISPR/Cas9“ stellte er abermals sehr klar und überzeugend dar, warum moderne auf ein oder wenige Resistenz-Gene reduzierte Pflanzenzüchtungen und insbesondere die aktuell oft angepriesene Gentechnik in eine Sackgasse führen. Bannier wies nach, dass die seit den 1940er Jahren entwickelten Sorten, die heutzutage in deutschen Läden angeboten werden, letztlich auf Inzucht innerhalb von 5 besonders krankheitsanfälligen Apfelsorten beruhen und überhaupt nur unter starkem Einsatz von Pestiziden und ähnlichen Behandlungsformen ertragreich und großflächig angebaut werden können. Wie im Vortrag verdeutlicht, kann die Abweichung vom traditionellen Züchtungsmuster (dem Kreuzen einer schmackhaften mit einer robusten Sorte) in Verbindung gebracht werden mit der parallelen Entwicklung von Pestiziden und Fungiziden, insbesondere in Leverkusen.

Gott spielen ist kontraproduktiv

In überzeugender Weise wurde durch den Vortrag offensichtlich, dass Diversität – in diesem Fall eine große Vielfalt verschiedener Apfelsorten – essentiell ist, um langfristig eine möglichst gute Nahrungsversorgung der Bevölkerung erreichen zu können.

Natürliche Diversität und dadurch auch Anpassungsfähigkeit sollten nicht nur bezogen auf Pflanzen, sondern weit darüber hinaus erneut zentral werden in unserem Umgang mit unserer Mitwelt – und auch mit unseren Mitmenschen. Wir können die Komplexität und das Zusammenspiel diverser Faktoren im Gefüge — beispielsweise von Pflanzen, Tieren, dem Boden, Wetterkonditionen, und vielem mehr — nicht einmal ansatzweise erfassen und verstehen. Gerade vor diesem Hintergrund täte etwas mehr Demut vor der mehr-als-menschlichen Welt unserer westlichen Gesellschaft gut. Statt Gott spielen zu wollen, sollten wir uns rückbesinnen auf unsere Vorfahren und Völker, heutzutage vor allem indigene Gruppen, die mit der Natur statt explizit gegen sie lebten und leben.

Aktuelle Trends in der Gentechnik und Apfelzüchtungen mit einem isolierten resistenten Gen folgen dem mechanistischen Weltbild, das auf Konfrontation, Konkurrenz und Ausbeutung beruht sowie anthropozentrisch ist, den Menschen also außerhalb des Naturkreislaufs sieht und die Menschheit über die Natur stellt. Wie Bannier im Vortrag berichtete, basiert beispielsweise gerade die gegenwärtige Rechtfertigung von Methoden wie der Genschere CRISPR/Cas9 auf (wirtschaftlicher) Konkurrenz und Kampf gegen Abläufe der Natur. Die Prämisse in dieser Logik ist, durch regelmäßige „Neuzüchtungen“ mit Hilfe von Gentechnik der Natur und immer wieder auch gegen Krankheiten resistent werdenden Pflanzen immer gerade einen Schritt voraus zu sein.

Mit Äpfeln gegen die Natur

In den 1950er Jahren begann man in Deutschland, krankheitsanfällige Apfelsorten anzubauen, die (nur) mithilfe eines intensiven Einsatzes chemischer Spritzmittel gedeihen, mit denen man auf diesem Wege jedoch höchste Erträge erzielen konnte. Die daraus resultierenden Probleme im Apfelanbau versuchte man in den letzten Jahrzehnten dann züchterisch dadurch zu lösen, dass man die anfälligen Sorten mit einem japanischen Holzapfel kreuzte – in der Hoffnung, dass das dort entdeckte Resistenz-Gen gegen die Apfelschorf-Krankheit die Probleme lösen könne – und will dasselbe künftig mithilfe der neuen Gentechniken (CRISPR/Cas) erreichen. Weil einzelne Resistenz-Gene jedoch aus chemie-abhängigen Apfelsorten keine natur-gesunden Apfelsorten machen (und die Natur solche „mono-genetischen“ Resistenzen schnell überwindet), wollen Züchter heute die Probleme durch immer mehr gen-technische Eingriffe in den Griff bekommen.

Alle diese Strategien folgen einem von ökologischen Zusammenhängen entfremdeten mechanistischen Weltbild, das anthropozentrisch ist, den Menschen also außerhalb des Naturkreislaufs sieht und die Menschheit über die Natur stellt.

Die gleiche „Logik“ kennzeichnet unser heutiges Geld- und Wirtschaftssystem und in ähnlicher Weise sehr oft auch gesellschaftliche Entwicklungen im Umgang mit Randgruppen und sozialen Problemen. Statt den Kampf gegen einander und gegen unsere Mitwelt fortzusetzen und unser eigenes Überleben dadurch letztlich aufs Spiel zu setzen, wären wir gut beraten, die mehr-als-menschliche Welt wieder als Partner wertzuschätzen und im Sinn des systemischen Weltbilds Kooperation und Balance als Basis unseres Handelns zu nehmen.

Wer sich diesem Ansatz nähern und/oder ihn vertiefen möchte, ist herzlich eingeladen, an tiefenökologischen oder interkulturellen Seminaren bei Paths of Change teilzunehmen. Dort erproben wir gemeinsam, neue Wege zu gehen und gemeinsam einen Beitrag zu leisten für eine enkeltaugliche Zukunft. Im Vordergrund stehen dabei Methoden der Naturverbindung, die auch zu einer Selbstermächtigung beitragen: https://pathsofchange.net

Über eine Unterstützung zur Förderung der Diversität von Äpfeln und Birnen freut sich Apfelgut e. V. Die Spende kann direkt an den neu entstehenden Birnensortengarten des Arboretum Bielefeld weitergeleitet werden, wenn das Stichwort Birnenzucht angegeben wird.

 

Kontoinhaber: apfel:gut e.V.
IBAN: DE12 4306 0967 2078 0737 00
BIC: GENODEM1GLS (GLS Bank Bochum)
Stichwort: Birnenzucht

Der Philosoph und Kognitionsforscher Thomas Metzinger fordert eine neue Bewusstseinskultur ein

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Je selbstsüchtiger einer ist, desto mehr verliert er sein wahres Selbst. Je selbstloser einer handelt, desto mehr ist er er selbst. Michael Ende

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Ein neues Paradigma steht an, ein Ontologiewechsel. Die Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Transformation hat sich schon bis in Regierungskreise herumgesprochen. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft eine ganze Milchstraße von Schwierigkeiten: zum Beispiel die komplette Europäische Union und die Einzelinteressen jedes ihrer Mitglieder. Oder das Überlebensinteresse jedes kapitalistisch strukturierten Unternehmens weltweit. Und ganz zuletzt, aber wenigstens ebenso wichtig: das scheinbare Recht auf wohlständige Sattheit aller TeilnehmerInnen der Konsumgesellschaften auf der Erde. Ihnen allen ist gemeinsam: Mehr Bescheidenheit gliche einem kollektiven Versagen.

Ivan Illich hat das Problem so zusammengefasst: „Wenn Verhalten, das zum Wahnsinn führt, in einer Gesellschaft als normal gilt, lernen die Menschen, um das Recht zu kämpfen, sich daran zu beteiligen.“

Mit nur einem Hauch von Realismus könnte man also die Flinte ins Korn werfen, denn jeder Schuss wäre bei einem solchen Berg an Widrigkeiten sein Pulver nicht wert. Und im Vergleich zu der Annahme, in Establishment-Kreisen fasste jemand das Ziel einer sozial-ökologischen Transformation mit dem angemessenen Ernst ins Auge, wirken die Allmachtsphantasien eines Pubertierenden geradezu realistisch.

Neuer Denkansatz macht Hoffnung

Wenn es da nicht einen ganz anderen, hoffnungsvollen Denkansatz gäbe. Der US-amerikanische Philosoph David R. Loy formuliert es in seinem Buch „ÖkoDharma“ so: „… die ökologische Krise [ist] mehr als ein technologisches, ökonomisches oder politisches Problem … Sie ist auch eine kollektive spirituelle Krise und ein möglicher Wendepunkt in unserer Geschichte.“ Harald Welzer spricht von erforderlichen „mentalen Infrastrukturen“ und vom „Weiterbauen am zivilisatorischen Projekt“, auf dass eines Tages nicht mehr „die, die Müll produzieren“ ein „höheres gesellschaftliches Ansehen [genießen] als die, die ihn wegräumen“.

Und weil dieses Weiterbauen so schwierig, ja schier nicht machbar erscheint, hat sich der Innovationsforscher Dr. Felix Hoch mit einem kompakten Band nur diesem Thema gewidmet: „Schwellen der Transformation – Erkennen und Überwinden innerer Widerstände in Transformationsprozessen“. Thomas Metzinger, der an der Uni Mainz Philosophie und Kognitionswissenschaften lehrte, hat sich mit seinem kürzlich erschienenen Buch „Bewusstseinskultur – Spiritualität, intellektuelle Redlichkeit und die planetare Krise“ dem neuen Denkansatz ebenfalls gestellt. Verdienstvollerweise hat er das nicht auf einem akademisch hochfliegenden Niveau getan, sondern gut lesbar, klar und knapp auf 183 Seiten.

Inhaltlich leicht macht er es einem allerdings nicht. Schon in den ersten Zeilen nimmt er den Stier bei den Hörnern: „Wir müssen uns ehrlich machen … Die globale Krise ist selbstverschuldet, historisch beispiellos – und es sieht nicht gut aus … Wie bewahrt man seine Selbstachtung in einer historischen Epoche, in der die Menschheit als ganze ihre Würde verliert? … Wir brauchen etwas, das im tatsächlichen Leben einzelner Menschen und Länder auch dann trägt, wenn die Menschheit als ganze scheitert.“

Beschönigung der Lage ist Metzingers Sache nicht. Im Gegenteil sagt er voraus, „dass es in der Geschichte der Menschheit auch einen entscheidenden Kipppunkt geben wird“, einen Panikpunkt, nach dem „die Einsicht in die Unumkehrbarkeit der Katastrophe auch das Internet erreichen und sich viral verbreiten“ wird. Doch dabei belässt es Metzinger nicht, vielmehr sieht er ebenso nüchtern die Möglichkeit, dem Unvermeidlichen auf sinnvolle Art und Weise die Stirn zu bieten.

Die Herausforderung annehmen

Dass das nicht einfach ist bzw. sein wird, versteht sich von selbst. Immerhin hat sich weltweit eine Gruppe von Menschen gebildet, Metzinger nennt sie die „Freunde der Menschheit“, die vor Ort alles dafür tun, „neue Technologien und nachhaltige Lebensweisen zu entwickeln, denn sie möchten Teil der Lösung gewesen sein“. Sie alle ruft Metzinger auf, an einer Bewusstseinskultur zu arbeiten, deren erster Schritt vielleicht der schwerste ist, „die Fähigkeit, nicht zu handeln … die sanfte, aber sehr präzise Optimierung von Impulskontrolle sowie eine schrittweise Bewusstwerdung der automatischen Identifikationsmechanismen auf der Ebene unseres Denkens“. Eine würdevolle Lebensform, so Metzinger, entstehe aus „einer bestimmten inneren Haltung angesichts einer existenziellen Gefährdung: Ich nehme die Herausforderung an“. Nicht nur Individuen, auch Gruppen und ganze Gesellschaften könnten so angemessen reagieren: „Wie kann es gelingen, angesichts der planetaren Krise in Bewusstheit und Anmut zu scheitern? Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als genau das zu lernen.“

Die zu entwickelnde Bewusstseinskultur wäre eine „Form des Erkenntnishandelns, die nach würdevollen Lebensformen sucht … Als antiautoritäre, dezentralisierte und partizipatorische Strategie wird Bewusstseinskultur im Wesentlichen auf Gemeinschaft, Kooperation und Transparenz setzen und sich so ganz automatisch jeder kapitalistischen Verwertungslogik verweigern. So gesehen handelt es sich … um den Aufbau eines soziophänomenologischen Raums – und damit einer neuen Art von gemeinsam geteilter geistiger Infrastruktur“.

Einen Entdeckungskontext entwickeln

Um sich nicht ideologisch zu verfestigen, besteht die hauptsächliche Herausforderung in der Entwicklung eines „Entdeckungskontexts“, der nicht vorgibt, „genau zu wissen, was sein sollte und was nicht … eine neue Form von ethischer Sensibilität und Echtheit … in Abwesenheit von moralischer Gewissheit … das Umarmen von Unsicherheit“. Daniel Christian Wahl hat dies als „Resilienz“ beschrieben. Sie hätte zwei Merkmale: einerseits die Fähigkeit lebender Systeme, ihre relative Stabilität im Laufe der Zeit aufrechtzuerhalten, andererseits die Fähigkeit, „sich als Reaktion auf veränderte Bedingungen und Störungen zu verändern“; Letzteres nennt er „transformative Resilienz“. Es gehe darum, „weise zu handeln, um eine positive Entwicklung in einer unvorhersehbaren Welt zu ermöglichen“. Sich offen zu halten, sich in einer Kultur des Nichtwissens in eine unvorhersehbare Zukunft zu tasten, bezeichnet Thomas Metzinger als „intellektuell redliche Bewusstseinskultur“. Ziel wäre eine „säkulare Spiritualität“ als eine „Qualität inneren Handelns“.

Säkulare Spiritualität ohne Selbsttäuschung

Mit den meisten spirituellen Bewegungen der letzten Jahrzehnte in Europa und den USA geht Metzinger freilich hart ins Gericht. Sie hätten ihren fortschrittlichen Impuls lange verloren und seien häufig zu „erfahrungsbasierten Formen privat organisierter religiöser Wahnsysteme verkommen … folgen kapitalistischen Imperativen der Selbstoptimierung und zeichnen sich durch eine etwas infantile Form von Selbstgefälligkeit“ aus. Ähnliches gelte für die organisierten Religionen, sie seien „von der Grundstruktur her dogmatisch und damit intellektuell unredlich“. Seriöse Wissenschaft und säkulare Spiritualität hätten eine doppelte gemeinsame Basis: „Erstens der unbedingte Wille zur Wahrheit, denn es geht um Erkenntnis und nicht um Glauben. Und zweitens das Ideal der absoluten Ehrlichkeit sich selbst gegenüber.“

Erst die neue Bewusstseinskultur, eine „säkulare Spiritualität von existenzieller Tiefe ohne Selbsttäuschung“, ein neuer Realismus, würde es ermöglichen, aus dem jahrhundertelang gepflegten, „giergetriebenen Wachstumsmodell“ auszusteigen. Dies könnte „zumindest einer Minderheit von Menschen dabei helfen, ihre geistige Gesundheit zu schützen, während die Gattung als ganze scheitert“. Metzinger geht es in seinem Buch nicht darum, Wahrheiten zu verkünden, sondern darum, mit größtmöglicher Nüchternheit den gegenwärtigen Entwicklungen ins Auge zu schauen: „Bewusstseinskultur ist ein Erkenntnisprojekt, und in genau diesem Sinne ist unsere Zukunft auch weiterhin offen.“

Thomas Metzinger, Bewusstseinskultur. Spiritualität, intellektuelle Redlichkeit und die planetare Krise, 22 Euro, Berlin Verlag, ISBN 978-3-8270-1488-7

Rezension von Bobby Langer

„Bewusstseinskultur“ zählt aus unserer Sicht zu den wesentlichen Büchern des Wandels, die wir zur Lektüre und Vertiefung empfehlen.

Permakultur lässt sich aufs eigene Leben übertragen

“We are all elders in training …”
Mala Spotted Eagle

Mit „Krisen-Fest – wie wir aus Lebenslust die Welt retten. Eine Ode an unsere natürliche Resilienz“ schreibt Marit Marschall ein Handbuch für alle Menschen, die nicht „in Jammern und Leiden“ verharren wollen. „Wir Menschen haben Mist gebaut, und jetzt machen wir es besser“, konstatiert sie. Krisen-Fest ist ein poetisches, kluges Lehrbuch für all jene, die nach einer Methode suchen, wie sie in einer krisengeschüttelten Zeit persönlich als Mensch, aber auch – sofern sie das wollen – gärtnerisch, stabil werden und bleiben können.

Von Bobby Langer

Wie kann es sein, dass ein Ökosystem Jahrhunderte, ja Jahrtausende funktioniert, so lange der Mensch es in Ruhe lässt? Was sind die ineinandergreifenden Prinzipien eines solchen „Wunders“, haben sich die beiden Australier Bill Mollison und David Holmgren vor ein paar Jahrzehnten gefragt und haben sich auf die Suche nach Antworten gemacht. Heraus kam die „Permakultur“ mit Erkenntnissen, die sich in Windeseile über den Erdball verbreitet haben. Auch in Deutschland gibt es inzwischen Tausende von Anwendern der Permakultur-Prinzipien, die in Hausgärten ebenso gut funktionieren wie auf dem Bauernhof.

Längst hat sich Permakultur zu einer Agrar-Systemwissenschaft entwickelt, die die Grundlagen des biologischen Anbaus sowohl vervollständigt als auch erweitert. Und Permakultur lässt sich erlernen, in Deutschland in privaten Akademien, in Österreich sogar an der Universität für Bodenkultur Wien. Nach einer mehrjährigen Ausbildung erhält man den Abschluss als Permakultur-Designer/in.

Auch Marit Marschall hat auf der Suche nach der Quelle unserer natürlichen Resilienz diesen Weg gewählt. In ihrer Abschlussarbeit hat sie dargelegt, dass sich die „geistigen Werkzeuge“ der Permakultur auch auf die menschliche Lebensplanung anwenden lassen, als Design für die innere Landschaft. „Wir können uns ausprobieren als innerer Gärtner und Designer unseres Lebens“, sagt Marit Marschall. Dazu hat sie den „Baumplan“ entwickelt und seine Verwendung in ihrem Buch leicht verständlich, übersichtlich und kleinschrittig nachvollziehbar beschrieben. Die anmutigen und überraschenden Farbbilder der englischen Naturkünstlerin Amber Woodhouse verleihen dem Buch schon beim ersten Durchblättern einen gewissen Zauber.

„Krisen-Fest“ – die Schreibweise verweist auf eine Doppelbedeutung: Einerseits unterstützt die Autorin psychologisch wie permakulturell sachkundig dabei, krisenfest zu werden; dies aber nicht in einem statischen Sinn, sondern flexibel und widerstandfähig wie die Natur, in der jede Krise das Potential zu Entwicklung und Wachstum birgt.

Schritt für Schritt führt dieses Kompendium der Achtsamkeit aus der Permakultur-Perspektive die LeserInnen voran: vom sinnvollen Aufbau der eigenen Resilienzwurzeln über den Stamm des persönlichen Lebensbaums – die Analyse – bis hin zur zuverlässigen Ernte der Früchte: des eigenen Lebensertrags. Dabei gelingt Marit Marschall die Gratwanderung zwischen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und spirituellen Einsichten. Krisen-Fest ist kein Aufruf „Zurück auf die Bäume“, sondern vielmehr die Vision eines indigenen europäischen Lebens, bei dem Mitwelt und Mensch harmonisch klug miteinander verschmelzen. „Du lebst mehr im Einklang mit deinen Bedürfnissen und denen aller Lebewesen. Nicht mehr als Ausbeuter und ignoranter ‚Mensch‘, sondern als integrierter Bewohner des Planeten. So wie du es dir immer gewünscht hast.“

Im Kapitel „Die Wurzeln der Bedürfnisse“ zitiert die Autorin en berühmten Erfinder und Architekten R. Buckminster Fuller:

„Ich glaube, wir befinden uns in einer Art Abschlussprüfung, ob der Mensch mit dieser Fähigkeit zur Informationsbeschaffung und Kommunikation jetzt wirklich qualifiziert ist, die Verantwortung zu übernehmen, die uns übertragen werden soll. Und es geht hier nicht um eine Prüfung der Regierungsformen, es geht nicht um Politik, es geht nicht um Wirtschaftssysteme. Es hat etwas mit dem Individuum zu tun. Hat der Einzelne den Mut, sich wirklich auf die Wahrheit einzulassen?“

Krisen-Fest ist ein Mut-Buch in diesem Sinn, und ein Aufbruchsbuch für alle, die vielleicht noch einen letzten Impuls brauchen, um sich auf den Weg zu machen; ein Aufruf, die uns mögliche Souveränität anzunehmen und damit Verantwortung für unseren Lebensstil. Es ist aber auch eine detaillierte Aufmunterung voller gärtnerischer und permakultureller Details für alle, deren Weg sich manchmal beschwerlich anfühlt. „Handlungsfähig werden im individuellen wie im globalen Sinn“ – darum geht es hier. „Unsere innere Ausrichtung auf die konsequente Lebensqualität ist, was uns noch fehlt“, sagt Marit Marschall. „Mit diesem Buch kannst du dich darin schulen und ausbilden, deine Bedürfnisse als gesundes Ökosystem wieder zu spüren, deine Gedanken, dein Fühlen und Handeln an dem Maßstab der Prinzipien der Ökosystem zu prüfen und auszurichten. Du kannst damit deine ganze Qualität auf diesem schönen Planeten ohne Reue ausleben und verschenken.“

KRISEN-FEST – wie wir aus Lebenslust die Welt retten. Eine Ode an unsere natürliche Resilienz. Von Marit Marschall. Mit einem Interview mit Gerald Hüther.
310 S., 21,90 Euro, Europa Verlagsgruppe, ISBN 979-1-220-11656-5

 

von Bobby Langer

„I want you to panic!“ Kaum ein anderer Satz von Greta Thunberg hat mehr Kritik und Widerstand ausgelöst. Mir ging es genau umgekehrt. Auf mich wirkte er wie ein Hammer, der alten Mörtel von Ziegeln klopft, inneren Mörtel, versteht sich. Sie sei eben eine Jugendliche, hieß es noch in den freundlichsten Berichten; genau umgekehrt, tönte es, müsse man auf die Klimakrise reagieren, umsichtig, mit Bedacht, erwachsen. Nein, dachte ich, das haben wir die letzten 30 Jahre getan, oder jedenfalls so getan als ob. Und jedes Mal drängten sich andere, emotionale Themen in den Vordergrund. Jeder Faschingszug, jedes Bundesligaspiel, jede Ministerpräsidentenwahl im unbedeutendsten Bundesland war und ist wichtiger, weil emotional besetzt, als die Klimakrise. Die Gesellschaft reagiert eben nicht umsichtig, mit Bedacht und erwachsen, sondern ratlos, neurotisch und kindisch. Von außen gesehen: geistesgestört. Weiterlesen

von Isabel Batista

(zu Teil 2)

Unsere Welt ist ein lebendiges System aus Zyklen, Rhythmen und Prozessen. Es unterliegt bestimmten Naturgesetzen. Doch mit unserer Art des Lebens und Wirtschaftens verstoßen wir jeden Tag aufs Neue gegen diese Naturgesetze. Das hat schwerwiegende Veränderungen auf dem Planeten Erde verursacht. Um den Prozess der Zerstörung zu stoppen, müssen wir zu Systemwandlern werden. Wir müssen die von uns geschaffenen Systeme wieder in Einklang mit den Naturgesetzen bringen. Eines dieser Systeme ist die Landwirtschaft. Weiterlesen

Anders zusammen leben

Wie wollen wir leben? Wie kommen wir miteinander klar, wie viel Platz brauchen wir, wie viel Zeug brauchen wir? Und was hat das damit zu tun, wie das mit dem Klima, mit der Natur, mit der Erde und mit uns weitergeht? Schon interessante Fragen. Immer mehr Menschen fragen sich das gerade. Einige sehen die Lösung in einem Leben in Gemeinschaft.

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50 Tipps, wie Sie einsteigen, mitmachen und helfen können

Eine Rezension von Bobby Langer

Wer sich auch nur ein bisschen mit der Klimakrise auseinandersetzt, kann angesichts der monumentalen Probleme leicht den Mut verlieren. Also schnell den Teppich anheben und das Problem drunterschieben? Mit Gerd Pfitzenmaiers Mut machendem Handbuch kann jeder ohne Umschweife zum Aktivisten werden. Man spürt, dass sich der Autor seit Jahrzehnten damit befasst, komplexe Mitweltthemen für ein breites Publikum verständlich aufzubereiten.

Mut machend ist das Buch auf zweierlei Weise: Weiterlesen

Das Paradies ist der Ort, den wir gerne erreichen würden. Aber er liegt hinter uns, unerreichbar verschollen in der Vergangenheit. Erst allmählich dämmert uns, dass es nicht nur der Apfel war, weshalb wir von dort vertrieben wurden. Und je mehr wir das verstehen und verinnerlichen, desto mächtiger baut sich ein neuer Sehnsuchtsort auf, ein Ort, an dem wir sein können, ohne haben zu müssen, an dem wir nicht an Geld oder Leistung gemessen werden, an dem wir zu Hause sein und uns geborgen fühlen können; und der dennoch ein moderner Ort ist. Weiterlesen