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von Peter Zettel

Wie gelingt Veränderung? Das ist die Frage, die wohl sehr viele Menschen interessiert. Denn was nützen die stimmigste Idee und die beste Absicht, wenn sie nicht umgesetzt werden können. Das ist meist keine Frage fehlenden Willens, sondern eine einfache Folge fehlenden Wissens über die funktionalen Zusammenhänge neuronaler Prozesse. Dabei ist es, bedenkt man es genau, ziemlich logisch und liegt letztlich auf der Hand. Aber man muss es eben wissen.

Das Gehirn denkt nicht nur, es speichert vor allem

Unsere Überzeugungen, unsere Ansichten, unsere Meinungen – also all das, was wir entweder wissen wie auch das, was wir zu wissen glauben, richtige und unrichtige Ansichten – sind ja alle auf die ein und selbe Art und Weise in unserem Gehirn gespeichert. In diesem neuronalen Archiv gibt es keine Abteilung für „Richtiges“ oder „Falsches“. Es gibt nur eine einzige neuronale Struktur, die aber ist verdammt komplex. Erkenne ich beispielsweise, dass das Essen von Schokolade für meinen Körper ungesund ist, muss ich alle Ereignisse und Erlebnisse, die mit Schokolade zu tun haben, vor allen Dingen die positiven, in meinem Gehirn ausfindig machen, mit der neuen Information ergänzen – aber bitte auf die richtige Art und Weise, also überlegt und sehr bewusst und nicht „einfach so“ – und das Ganze dann wieder abspeichern.

Wie ich das im Einzelnen mache, muss ich nicht wissen, denn ich kann es ja. Aber wissen muss ich eben, dass jede Erinnerung, jede Information wie jeder Irrtum und wie jede Annahme auf vielfältigste Art und Weise in der neuronalen Struktur meines Gehirns repräsentiert wird. Das verlangt von mir als erstes eine gehörige Portion Gleichmut, um akzeptieren zu können, dass in diesem neuronalen Archiv, zu dessen Gesamtaktivität ich immer „Ich“ sage, bedauerlicherweise auch jede Menge Unfug gespeichert ist. Einfacher wird es dann, wenn ich bereit bin zu erkennen, dass die Überzeugung des aus sich selbst heraus existierenden „Ich“, also meiner Annahme über meine Identität, möglicherweise auch eine unzutreffende Information ist. Was ja, bedenkt man die Gedanken zur gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit von Peter L. Berger und Thomas Luckmann, nicht wirklich von der Hand zu weisen ist. Aber es hilft mir ungemein dies zu akzeptieren, wenn ich mir klarmache, dass ich auch weiterhin auf dem Stuhl sitzen werde, auf dem ich gerade sitze, wenn diese Überzeugung, die ich von mir selbst habe, gerade wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Was ändert sich denn tatsächlich? Überhaupt nichts!

Die Realität hinter der Realität

Stellen Sie sich vor, Sie sind im Zirkus und schauen einem Magier zu. Sie wissen ganz genau, dass er die junge, hübsche Dame nicht wirklich auseinander sägt, sondern dass er durch einen Trick eine Illusion erzeugt, auf die nicht Sie hereinfallen, sondern Ihr Wahrnehmungssystem. Entweder, es hat sich ablenken lassen und in die falsche Richtung geschaut, oder es hat etwas einfach nicht gesehen, weil es geschickt verborgen war. Die wirklich interessante Frage, und die können wir uns nicht oft genug stellen, ist, warum wir immer glauben, „wir“ hätten uns geirrt, wenn doch nur unser Wahrnehmungssystem schlicht und einfach etwas nicht wahrgenommen hat? Das ist ähnlich wie mit Partnern und Kindern. Mir liegen sowohl meine Partnerin wie auch meine Kinder sehr am Herzen. Doch wenn sie etwas machen, das nun wirklich nicht richtig ist, dann ist das allein ihre Sache und hat nichts mit mir zu tun. Ersteinmal.

Nehme ich es doch persönlich, dann wäre das eine übergreifende oder wohl eher noch übergriffige Identifizierung. Zwar sind wir alle Eins, doch wir müssen uns gleichermaßen als eigenständige Individuen nicht nur sehen, sondern auch anerkennen und respektieren, was zugegebenermaßen eine echte Herausforderung sein kann. Aber natürlich nur für unser Ego. Und das sind wir ja nicht, Gott sei Dank. Jedenfalls dann nicht mehr, wenn wir aufgehört haben, uns mit ihm zu identifizieren. Und das ist, jedenfalls denke ich das, genau der Casus Knacktus, der Kern der Sache, der entscheidende Punkt. Entweder, ich denke noch egoistisch und werde demzufolge mehr oder weniger, aber immer noch, in die falsche Richtung laufen. Und es kommt nicht darauf an, ob diese Richtung ein mehr oder weniger falsch ist. Sie ist einfach falsch. Sobald sich auch nur die Andeutung eines ich-bezogenen Denkens in meine Überlegungen einschleicht, bin ich, im gleichen Moment, auf der falschen Spur. Und da hilft dann auch kein Relativieren oder sonst irgendein rhetorischer Trick mehr.

Wer denkt, spricht und tut da eigentlich? 

Selbstverständlich sage ich immer noch „ich dachte …“ und so fort. Aber das ist ein sprachliches „Ich“. Zu sagen, dass „er“ erkannt hat, wenn man sich selber meint, klingt einfach nur abgehoben. Na gut, zum Spaß schreibe ich schon mal „es denkt“. Aber das war es dann auch schon. Wir haben eben, was schon die Physiker bedauert haben, eine Sprache, mit der es uns ziemlich schwerfällt, die Komplexität des Lebens abzubilden. Und wenn wir Komplexität nicht verstehen, erscheint sie uns leicht als kompliziert – was sie aber nicht ist. Also bleibt mir nur das einzig Sinnvolle übrig: Ich höre auf, „mich“ mit den Produkten und Ergebnissen der neuronalen Aktivität meines Gehirns zu identifizieren. Betrachte ich das Gehirn als eine technische Meisterleistung, die mir erfreulicherweise zur Verfügung steht, dann ist alles im grünen Bereich. Das Motorrad, das ich fahre, soll mir Freude machen, aber ich sollte mich tunlichst nicht damit identifizieren! Materielle Dinge sind ein sehr gutes Beispiel, wie ich letztlich mit allen Dingen umgehen sollte. Wenn ich sie nicht besitzen will, kann ich mich an vielen Dingen erfreuen. Will ich sie aber besitzen, dann werde ich gierig, da ich die Dinge ja besitzen muss, um mich an ihnen erfreuen zu können! Meinen Körper – und damit auch mein Gehirn – mit meinem Motorrad zu vergleichen und beides als einen guten und interessanten Gebrauchsgegenstand anzusehen, ist vielleicht ein bisschen weit hergeholt, aber letztendlich stimmt es.

Mein Körper verändert sich kontinuierlich, aber ich bin irgendwie immer noch derselbe. Also muss ich mir sehr gut überbelegen, womit ich mich identifizieren will. Am besten wohl mit gar nichts! Je weniger ich mich mit irgendetwas identifiziere, desto leichter fällt es mir, das auch zu verändern. Aber ganz so einfach ist es natürlich nicht, denn ich muss nicht „mich“ ändern oder verändern oder neu organisieren, nein, mein Gehirn muss neu strukturiert und organisiert werden. Und das fällt mir eben leichter, je weniger ich mich damit verwechsle. Identifiziere ich mich überhaupt nicht mehr mit dem, was da zwischen meinen Ohren passiert, dann funktioniert es am leichtesten. Doch das bedeutet nun nicht, dass es beliebig sein könnte, was da geschieht. Das Gehirn ist so etwas wie ein Werkzeug. Mit wohl ziemlich jedem Werkzeug kann man andere Dinge zerstören oder eben gestalten. Wenn ich wie ein Gestörter mit meinem Motorrad durch die Gegend krache, dann kann ich auch nicht sagen ‚Entschuldigung, das war mein Motorrad!‘, sondern ich muss die Verantwortung dafür übernehmen, wie ich es benutze. Und das gilt genauso auch für mein Gehirn. Es gibt viele Gründe, warum ich das Falsche tue oder denke. Manche Dinge passieren einfach aus Unwissenheit, aus Unachtsamkeit oder warum auch immer. Eines aber bleibt immer gleich. Ich muss die Verantwortung dafür übernehmen. Wer auch sonst sollte die Verantwortung für das übernehmen, was ich denke oder tue? Das kann ich doch nur selbst!

Auch das noch: Verantwortung übernehmen!

Und genauso ist es auch mit der Veränderung. Ich muss die Verantwortung dafür übernehmen und mich informieren, was notwendig ist. Bei solchen Stellen fällt mir immer Dürers Kunstverständnis ein. Kunst, sagte er, sei gewaltig und der Künstler gewalttätig, weil er sich den anderen mit seiner Kunst zumutet. Die Voraussetzungen für Kunst waren nach seinem Verständnis vier Punkte: Wissen, Begeisterung, Streben nach Perfektion, was keinesfalls als Perfektionismus missverstanden werden darf, und eine eigenständige, unabhängige Meinung, was ich auch nicht als eigenbrötlerisch missverstehen darf. Betrachte ich dieses Kunstverständnis Dürers, dann wird bei den letzten beiden Punkten deutlich, wie verfänglich konventionelles Denken ist. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass konventionelles Denken die absolute Garantie dafür ist, sich nicht zu ändern. Also ist die spannende Frage, wie ich mich aus konventionellem Denken lösen kann. Es ist wie immer im Leben. Ich muss etwas grundsätzlich anders machen. Es beginnt damit, dass ich die Ursachen-Wirkungs-Kette bis zum ersten Fraktal denke, also bis zur ersten bewussten Ursache vordringe und nicht, wie leider üblich und normal, mich mit Symptomen beschäftige und damit an der Oberfläche bleibe. Habe ich hingegen die erste Ursache gefunden und gelöst, lösen sich auch die Symptome wie von selbst auf. Veränderungsarbeit – dabei wird tatsächlich, außer meiner Gehirnstruktur, nichts wirklich verändert –, also Veränderungsarbeit die letztlich „nur“ ein Prozess der Bewusstwerdung ist, beginnt damit, eigenständig zu sein, selbst zu denken und sein Denken und Tun ganz konsequent selbst zu verantworten. Dabei muss ich mir im Klaren darüber sein, dass die alten Muster und Gewohnheiten, der äußere Ausdruck der inneren Gehirnstruktur, sich in absolut allem wiederfindet; ob in meiner Kleidung, meiner Einrichtung, meiner Art mich zu bewegen, wie ich und worüber ich reden, wie mein Motorrad aussieht und so weiter und so fort. Einfach alles.

Dabei gibt es einen scheinbaren „Point of no Return“, von dem aus es kein „Zurück“ mehr gibt. Denn tatsächlich markiert dieser Punkt keinen Punkt auf einer Wegstrecke, von dem ab es keinen Sinn mehr macht, umzukehren; vielmehr ist es der wirkliche – und nicht etwa nur der eigentliche – Entscheidungspunkt, der Punkt, an dem ich endlich begriffen habe, dass ich etwas anders machen muss in meinem Leben, soll es denn anders sein beziehungsweise werden. Ich merke dies übrigens ganz leicht an meiner Sprache. Solange ich noch Konjunktive und Absichtserklärungen bemühe, kann ich mir sicher sein, mich noch nicht entschieden zu haben. Sprache kann dabei unser bester Helfer sein. Schließlich leben wir, wie Watzlawick es einmal formuliert hat, in der Welt, die wir uns über unsere Sprache definieren. Üblicherweise übersehen wir jedoch allzu leicht, dass die Dinge außerhalb von uns selbst nicht für sich selbst existieren, sondern nur das sind, was wir in ihnen sehen, beziehungsweise das, was wir zu sehen in der Lage sind. Und das gilt gleichermaßen für Autos wie für Bäume, Partner oder Nachbarn. Es gilt einfach für alles.

Nicht wieder einschlafen!

Manchmal aber übersehe ich es gar nicht, sondern ignoriere es schlicht und einfach, weil es mir nicht in den Kram passt und mich „auffordert“, ein paar grundsätzliche Dinge zu klären. Das Dumme dabei ist, dass mir das regelmäßig sehr bewusst ist, was mein Verhalten aber leider nicht positiv beeinflusst; eher ist das Gegenteil der Fall. Da fängt dann die Verdrängungsmaschinerie so richtig an zu werkeln. Blöd nur, dass das nie wirklich hilft, sondern nur alles noch schlimmer und verfahrener macht. Wer sein Bewusstsein klären möchte, der fange am besten mit seiner Sprache an. Wie sagte doch ein verstorbener Freund von mir immer: ‚Woher soll ich wissen, was ich denke, wenn ich nicht höre, was ich sage?‘ Dabei ist meist der erste Satz der ehrlichste, mit dem ich einen Gedanken darzulegen beginne. Ich muss immer wieder bedenken, dass ich mir, folge ich dem Eisbergmodell, in weiten Teilen meines Denkens überhaupt nicht dessen bewusst sein kann, was ich da denke. Interessant ist in diesem Zusammenhang ja auch, dass gerade in der Meditation, wenn wir vermeintlich „nicht denken“, unser Gehirn auf Hochtouren läuft. Denn zu glauben, ich würde dann nicht denken, wenn ich keine Gedanken habe, ist ein gewaltiger Irrtum. Über etwas nachzudenken, also Gedanken zu haben, ist etwas ganz anderes, als zu denken. Der Prozess des Denkens ist wirklich wesentlich mehr als Gedanken zu haben. Und ganz übel wird es dann, wenn ich diesen Gedanken nachhänge. Ein ganz schwieriges Thema für Menschen, die sich einbilden, sie würden etwas bewusst denken oder auch bewusst etwas tun können. Bewusstsein steht eben am Ende des Erkenntnisprozesses und nicht am Anfang. Und ist damit ein verdammt schwieriges Thema für die, die meinen oder glauben, sie könnten irgendetwas unter Kontrolle haben. Nicht einmal uns selbst haben wir unter Kontrolle, wir können allenfalls Dinge bewusst tun. Und dieses „Bewusstsein“ bezieht sich auf die Entscheidung zu handeln, aber handeln selbst geschieht unbewusst. Es sei denn natürlich, ich habe ein völlig anderes Verständnis von Bewusstsein, so in der Art von nicht-bewusst bewusst. Ich bin zwar bewusst, aber ich bin mir dessen nicht bewusst.

Sprache ist fraglos ein wichtiger Helfer. Aber was hilft noch? Also schaut ich mich einmal um, wer sich so im Bekanntenkreis wirklich geändert hat, oder ich suche nach den Marksteinen im eigenen Leben. Meist werden diese Veränderungsprozesse mit tiefgreifenden Einschnitten im Leben einhergehen. Partner gewechselt, alten Job hingeworfen und so weiter und so fort. Es werden sich meist Dinge finden lassen, die das Leben grundsätzlich verändern und, jedenfalls meistens, einem eine Entscheidung abverlangt haben. Oder es wurde einem die Entscheidung aufgezwungen – weil der Partner ging oder man den Job verloren hat, warum auch immer. Das drängt mir natürlich sofort die Frage auf, ob es denn nicht ohne Scheitern geht? Nein, das tut es nicht. Das Neue hat eben seinen Preis, es kostet nämlich das Alte. Und was ist das bitte anderes als zu scheitern? Also den Partner respektive den Job oder beide zusammen wechseln – oder es bleibt wie es ist? Ja, das ist so. Nur was heißt das eigentlich, den Partner oder den Job oder was auch immer zu wechseln? Das bedeutet natürlich nicht, dass man die Person zwingend austauschen muss – irgendwie geht es ja letztlich immer um Personen – nein, das ist nicht notwendig. Aber man muss den Partner in der eigenen Vorstellung austauschen, heißt, man muss die Beziehung zu ihm ändern! Und das ist wirklich unabdingbar, ob in der Partnerschaft, im Job oder im Verhältnis zu den Nachbarn.

Die Alternative finden

Die Welt, in der wir leben, definiert sich letztlich ja über die Beziehungen, die wir zu Dingen oder Personen haben. Also über die eigene innere Einstellung und damit letztlich über die Gehirnstruktur. Und genau die gilt es ja zu ändern. Die Gehirnstruktur zu ändern bedeutet also, die Beziehungen zur und/oder in der Welt neu zu gestalten. Und genau deswegen gelingt Veränderung so selten. Weil das meiste im Leben beim Alten bleiben soll. Nur keine Veränderung bitte! Und das war es dann mit der Veränderung. Also wartet man entweder solange, bis es endgültig unerträglich geworden ist, oder man arrangiert sich irgendwie auf kleinstem gemeinsamem Nenner. Fritz Perls hat das einmal wunderbar umschrieben: „Die Menschen wollen sich nicht aus ihren Neurosen lösen, sie wollen sich nur besser darin einrichten.“ Letztlich ist genau das die Frage, die wir uns stellen müssen. Wollen wir eine wirkliche und wesentliche Transformation oder genügt uns schon die Translation?

Ich sehe hier übrigens einen interessanten Zusammenhang zu einer Feststellung von Gerald Hüther. Menschen machen nämlich nur dann etwas grundsätzlich anderes, wenn damit eine Alternative verbunden ist, die sie schlechterdings nicht ablehnen können, sie sich also entscheiden müssen – rechts herum oder links herum. Sein Beispiel ist immer der 80-jährige, der Chinesisch lernt, weil er mit einer attraktiven, 60-jährigen Chinesin zusammenleben möchte. Doch wie soll man sich zwischen A und B entscheiden können, wenn es keinen wirklichen und erlebbaren Unterschied gibt? Man wird es also nicht tun und die Entscheidung wird trotz aller Beteuerungen nicht getroffen werden. Wie also können wir unser Gehirn dazu bringen, sich auf den Radikalumbau einer Veränderung einzulassen? Es liegt auf der Hand: Wir müssen unser Leben definitiv ganz anders gestalten, das heißt, wir müssen aus unseren alten Mustern und Gewohnheiten komplett und auch sehr bewusst „aussteigen“! Wahrscheinlich liegt das Problem nicht in der Vernunft, sondern in der Emotion.

Die Sache mit dem Betriebssystem 

Ein vielleicht etwas eigenwilliges Beispiel. Wirkliche Veränderung bedeutet ja, das eigene Betriebssystem zu tauschen. Ein Mac- und ein Windows-Rechner sind nun einmal nicht miteinander kompatibel, auch wenn sie nach den gleichen Strukturen arbeiten, nur eben mit einem anderen Betriebssystem. Ich tue mir immer hart mit der Bedienung, wenn ich von dem einen zu dem anderen Typ wechseln muss, etwa weil ein Programm eben nur auf dem und nicht auf dem anderen läuft. Es ist die Frage, ob sich die jeweiligen Firmenkulturen und Organisationsstrukturen nicht auch in den Systemen und deren unterschiedlicher Logik widerspiegeln. Sie lösen eine ganz verschiedene Emotionalität aus, auch wenn sie scheinbar denselben Zweck haben, sie sprechen den Benutzer auf unterschiedlichen Ebenen an. Ich habe immer den Eindruck, dass ein ganz bestimmter Typ von Mensch einen Mac hat und die Windows-Fans ganz anders strukturiert sind. Noch extremer ist es bei den Smartphones, Android versus iOS. Es ist also nicht allein die Emotionalität, sondern eine andere Haltung, die damit einhergeht. Nur wo genau liegt der Unterschied? Und vor allem: Prägt nicht auch das Betriebssystem selbst ein Stück weit das eigene Denken?

Ich verlasse jetzt aber einmal die Welt der Rechner, nicht dass ich noch Haue bekomme. Der eine denkt eher konventionell und grundsätzlich logisch strukturiert, der andere denkt zwar auch logisch, doch er verlässt immer wieder den geraden Weg und macht einen gedanklichen Sprung ganz woanders hin, er folgt nicht den scheinbar vorgegebenen Bahnen, denn er weiß, dass in der Komplexität absolut kein Ergebnis berechenbar ist, nur die Wahrscheinlichkeit des Eintritts lässt sich bestimmen, mehr nicht. Ein völlig anderes Denk-Betriebssystem, eine ganz andere Herangehensweise. Für den einen bedeutet ein „Problem“ einfach nur etwas noch nicht zu sehen und eben keinen Fehler. Was aber der andere tut, denn er denkt Fehler-orientiert. Problem oder Fehler – ein gewaltiger Unterschied. Der eine sucht die Lösung auf einer darüber liegenden (gedanklichen) Ebene, der andere aber verlässt die Ebene nicht. Die Schwierigkeit ist aber, dass diese beiden so völlig unterschiedlichen gedanklichen Betriebssysteme für die Kommunikation miteinander eine identische Sprache benutzen, was zwingend zu Verwerfungen führen muss. Die einzelnen, gleichklingenden Worte und Begriffe werden nämlich nicht mit den identischen Inhalten benutzt, was fast zwingend zu permanenten Misstönen führt, eigentlich führen muss. Die radikalen Konstruktivsten lassen grüßen.

Die Lösung

Was also wäre die Lösung? Eine sehr pragmatische Lösung hatten schon die Indianer in Nordamerika. Sie gingen nämlich davon aus, dass man das Denken eines anderen nicht mit dem eigenen Denken wirklich verstehen kann, was sich in diesem oft zitierten doch viel zu selten praktizierten Spruch niederschlägt: Urteile nie über einen anderen, bevor Du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist. Bei Rechnern ist das offensichtlich. Da werden Urteile an Hand von Kriterien gefällt, etwa dem Preis, ohne jedoch das Teil jemals einen Mond lang benutzt zu haben. Man pickt sich also ein Kriterium heraus, das über das jeweilige System tatsächlich nichts aussagt. Und genau so ist es auch bei den Denk-Betriebssystemen. Solange man sie nicht wirklich benutzt hat, kann man sie auch nicht vergleichen. Erst danach. Doch warum sollte ich ein anderes Denk-Betriebssystem ausprobieren? Sicher nicht, um es nur einmal auszuprobieren, denn daran hängt meine ganzes Selbstverständnis, meine Persönlichkeit. Es ähnelt der Frage, warum jemand in ein Zen / Chan oder ein christliches Kloster geht. Das tut er erst einmal aus einer vordergründigen und zweckrationalen Motivation heraus, wahrscheinlich, weil es schick ist. Er wird dann stundenlang im Schneidersitz herumhocken, sich gut fühlen, doch innerlich passieren wird nichts wirklich. Es ist ja eines der menschlichen Phänomene, dass wir uns oberflächlich gut fühlen können, obwohl es uns unter der Oberfläche ganz anders geht. Und wir haben viele Ablenkungs-Strategien, um das konsequent ignorieren zu können. Erst nach Jahren zeigt sich dann vielleicht doch, dass noch immer etwas ansteht, etwas Grundsätzliches, eine noch offene fundamentale Frage. Es braucht manchmal Zeit zu erkennen, dass etwas im eigenen Leben fehlt. Vielen ist überhaupt nicht bewusst, woran sie leiden beziehungsweise, dass sie überhaupt leiden.

Die „Lösung“ kann also nur mit der entsprechenden Einsicht gefunden werden. Die Einsicht hat aber notwendigerweise als Schneepflug die Notwendigkeit vor sich herfahren, die den Schnee beiseite räumt, der die Einsicht am Vorankommen hindert und damit bewirkt, dass sie ständig am Durchdrehen ist. Eine Einsicht alleine ist ziemlich nutzlos, solange ihr nicht die Notwendigkeit den Weg freimacht.

Dann ist ein „Grundsätzlich anders“ überhaupt erst möglich.

 

von Michael Johanni

Vielerorts besteht in Menschen Verwirrung.
Sich wiederholende Gedanken lassen uns an der Menschheit,
auch an uns selbst zweifeln.

Wem kann ich noch glauben?
Alles dreht sich doch nur ums Geld.
Wo gibt es noch Menschlichkeit?
Was wird in der Zukunft auf mich zukommen? Weiterlesen

Seit ich weiß, dass es Prostitution gibt, frage ich mich, weshalb es so anrüchtig ist, einen winzigen Teil seines Körpers zu verkaufen, aber völlig akzeptabel, dass man seinen Körper oder Geist vollständig verkauft. Wir alle, die wir als Arbeiter, Angestellte, Beamte oder Selbständige arbeiten, verkaufen uns, und meistens sogar unter Wert.

Wir prostituieren uns

Letzteres ist ein eigenes Thema, das im linken Spektrum rauf und runter diskutiert wurde und wird. Worum es mir hier geht, ist die Tatsache, dass wir uns ganz unhinterfragt, ganz selbstverständlich verkaufen; so dass uns die eigene Verkäuflichkeit so normal vorkommt wie die Jahreszeiten. Doch indem wir uns verkaufen, verbrüdern uns mit den Käufern, begeben uns auf die gleiche Ebene mit ihnen und streiten nur darum, ob wir mehr oder weniger wert sind. Mit anderen Worten: Wir prostituieren uns in einer Tour. Und wir bringen unseren Söhnen und Töchtern von klein auf bei, Weiterlesen

von Peter Zettel

Ja, das tun wir. Definitiv. Ich jedenfalls bin der Überzeugung, dass das sehr, sehr viele tun. Und man kann die Matrix auch recht gut beschreiben. Sichtbar wird sie zum einen in der Konvention und zum anderen in dem Wirtschaftssystem, das wir haben und in dem die meisten von uns arbeiten. Beides definiert, wie wir uns letztlich verhalten. Dem kann niemand entkommen, es sind die Rahmenbedingungen unseres gegenwärtigen Lebens. So weit der Anschein und das sogenannte Normalverhalten. Verlasse ich nämlich die Konvention, verlasse ich wohl auch das Funktionieren in diesem Wirtschaftssystem. Weiterlesen

Gestern erreichte uns aus Neuseeland eine Nachricht von einem gewissen Chajm, der folgende Botschaft von Außerirdischen an die Menschheit überbracht bekam. Wir selbst halten uns als Rasse für zu unwichtig, um an ein solches Szenarion zu glauben, ganz auszuschließen ist es aus logischen Gründen freilich nicht. Deshalb hier die Nachricht im Wortlaut:

Seid gegrüßt Menschlinge!

Nicht als Akt intergalaktischer Solidarität haben wir beschlossen, diese Nachricht an Euch zu senden, auch nicht als Akt der Gnade mit Eurer erbarmenswert primitiven Art. Wir verstehen diese Nachricht als Warnung an Euch im Rahmen eines Verhaltensexperimentes als Teil unserer ethnologischen Beobachtungen. Weiterlesen

von Peter Zettel

Von kompliziert zurück zu komplex. Keine Sorge, die Welt bleibt, wie sie ist und auch schon immer war, da muss man nichts ändern. Tiere haben es da verdammt gut. Die verhalten sich ganz klar nach komplexen Prinzipien, die denken nicht kompliziert, so wie wir Menschen das so wunderbar können.

Die Menschheit hat sich in dem komplexen Lebensraum Erde einen ganz eigenen geschaffen, mit eigenen Spielregeln. Und da dieser Raum vor allem mechanische Dinge enthält, brauchte es dafür mechanische Regeln. Wie soll man sonst auch Häuser, Viadukte und all die Dinge bauen, die das Leben so angenehm machen? Das Blöde war nur, dass der Mensch irgendwann auf die unsinnige Idee kam, diese mechanischen Regeln auch auf sich selbst anzuwenden. Echt dumm gelaufen, aber passiert ist nun einmal passiert.

Seit ungefähr einem Jahrhundert sind die Physiker darauf gekommen, dass unser Verständnis von der Welt irgendwie unvollständig ist. Das hatten auch schon andere Philosophen vor ihnen erkannt, nur die Physiker konnten das ganz pragmatisch auch noch nachweisen. Ihre Erkenntnisse waren eben nicht philosophischer Natur, sondern technischer. Die Erörterung grundsätzlicher Fragen kam bei ihnen erst danach. Und diese Erkenntnisse haben still und leise unsere Menschenwelt verändert, und das gewaltig. Weil diese Erkenntnisse in unsere Technik allgegenwärtig und nicht mehr wegzudenken sind. Und scheinbar hat das auch unser Denken verändert.

Ob das der einzige Grund ist, warum wir gerade Feuer unter dem Dach haben und ob die Tatsache der regelrechten Explosion der Bevölkerungszahlen dabei eine Rolle spielen, vermag ich nicht zu sagen. Aber ich vermute, dass es das grundlegende Problem deutlicher und drängender macht. Technisch sind wir interessanterweise einen Schritt zurückgegangen, wir haben nämlich damit begonnen, die Komplexität zu entdecken. Das ist ja keine neue Erfindung, die galt schon immer, nur wir Menschen haben das ganz offensichtlich perfekt ausgeblendet. Oder ignoriert, keine Ahnung.

Wir stoßen gerade mit unserer Art, die Dinge nach mechanischen Regeln managen zu wollen, gewaltig an die Wand. Mir kommt das vor wie in der Truman Show. Alles nur ein Fake. Sehr realistisch, aber eben nicht echt und am wirklichen Leben komplett vorbei. Ich jedenfalls fühle mich seit einiger Zeit wie Truman Burbank und bin mit meinem geistigen Segelboot gerade durch den Horizont gekracht. Auf einmal sieht alles ganz anders aus. Nur nach welchen Regeln soll man sich da orientieren, wenn die alten doch irgendwie nicht stimmen, unvollständig sind?

Immanuel Kant hat für die Menschenwelt seiner Zeit einen perfekten Gedanken ausgesprochen, seinen kategorischen Imperativ: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“ Das könnte auch heute noch perfekt funktionieren. Könnte man meinen. Tut es aber leider nicht. Auch nicht, wenn ich in die Zeitung schaue, auch ganz offensichtlich nicht. Denn irgendwie haben wir den Horizont des mechanischen Denkens und damit auch den eigenen Horizont, also unser eigenes Weltbild, durchstoßen. Wenn schon Physiker sagen, dass das mit den Naturgesetzen nichts ist, es sind nämlich keine Gesetze, sondern nur Beschreibungen, dann gilt das auch für unser eigenes Denken (sehr empfehlenswert: Natalie Knapp, Der Quantensprung des Denkens: Was wir von der modernen Physik lernen können).

Wir „funktionieren“ ganz anders, als wir üblicherweise dachten. Und mit starren Gesetzmäßigkeiten ist da kein Kohl mehr zu gewinnen. Gesetze, Regeln und Methoden funktionieren nicht, haben sie auch noch nie wirklich. Nur jetzt bekommen wir das gewaltig zu spüren und merken, dass wir auf der falschen Seite des Astes sitzen, an dem wir sägen. Was also tun? Klar, anderes denken, keine Frage. Doch damit ist der Umgang miteinander noch nicht so geordnet, dass wir sagen könnten, es passt. Jede Zeit braucht ethische Prinzipien, die die Menschen zum einen verstehen und die auch zum anderen den Erfordernissen ihres alltäglichen Lebens gerecht werden.

Natürlich sollte man sich immer noch an Regeln und Gesetze halten, so wie auch Newtons Physik noch immer ihre Gültigkeit hat. Aber es ist etwas dazugekommen, lässt uns die Welt mit anderen Augen sehen. Der Anwendungsbereich der klassischen Physik ist kleiner geworden, er gilt eben nicht mehr für das Miteinander, für unsere Beziehungen. Wie gesagt, es hat noch nie wirklich funktioniert, nur jetzt merken wir es überdeutlich. Das heißt, wir müssen auch unsere Ethik unserem veränderten Weltbild entsprechend neu formulieren.

Täten wir das, wäre es wohl wesentlich leichter, sich in dieser neuen alten Welt angemessen zu bewegen. Wir brauchen definitiv das Verständnis für eine weitergehende Ethik. Meine Überzeugung ist, dass wir nicht mehr nur vom Handeln ausgehen dürfen, wie Kant, sondern wir müssen wesentlich grundsätzlicher vom Denken ausgehen. Etwa in dieser Art: Denke so, dass deine Gedanken, Ideen und Vorstellungen das Leben aller lebenswerter machen. Ich weiß, das ist noch nicht griffig genug. Doch die Richtung stimmt!

Die relevanten wissenschaftlichen Veröffentlichungen unterscheiden sich nur geringfügig. Während die einen von einem verbleibenden Zeitfenster von zweieinhalb Jahren sprechen, nehmen andere noch fünf Jahre an, ehe das Klimasystem der Erde ins Trudeln gerät.

Weder das eine noch das andere ist beruhigend. Doch sollten wir uns die Klima-Fakten genau anschauen, um die tatsächlichen Gefahr auch wirklich zu verinnerlichen. Tomasz Konicz hat für TELEPOLIS die Informationen verdichtet und eingeschätzt:

Weltklima auf der Kippe

Der Sommer 2019 könnte als die große Umbruchszeit in die Menschheitsgeschichte eingehen, in der das Überschreiten der Kipppunke des globalen Klimasystems evident wurde – falls in den kommenden Dekaden überhaupt noch so etwas wie Geschichtswissenschaft betrieben werden sollte.

Eine monströse wissenschaftliche Fehleinschätzung wurde etwa Mitte Juni aus der kanadischen Arktis gemeldet. Das Auftauen des Permafrostbodens in vielen arktischen Regionen Kanadas schreitet viel schneller voran, als ursprünglich von der Klimawissenschaft prognostiziert … Weiterlesen

 

 

von Peter Zettel

Teil I

Ob wir wollen oder nicht, da kommen wir nicht raus. Wir sind und bleiben Natur, genauso wie wir sie gestalten und dominieren, angefangen bei uns selbst. Egal, was wir machen, wir kommen da nicht raus. Die Dichotomie [siehe unten] ist für uns existenziell, sie bestimmt, wie wir leben und ob wir überleben können.

Dabei ist es fatal, wenn ich die eine oder die andere Seite bevorzugen und die andere nicht so wichtig nehme oder gar ausblende. Wenn ich es nicht hinbekomme, auf der Klaviatur beider Seiten gleichermaßen spielen zu können, sozusagen vierhändig, dann habe ich ein echtes Problem. Worum geht es also? Dichotomie bezeichnet eine Struktur aus zwei Teilen, die einander ohne eine gemeinsame Schnittmenge gegenüberstehen, aber sie gehören untrennbar zusammen. Sie können einander ergänzen, zum Beispiel ein komplementäres Begriffspaar bilden, oder eine Aufteilung in zwei Teile ausdrücken, zum Beispiel die Aufteilung eines Bereichs in zwei Teilbereiche.

Als Mensch stehe ich nicht mehr in der Harmonie der Natur, ich bin zwar physisch weiterhin von ihr abhängig, doch ich stehe in meinem Bewusstsein über ihr. “Warum” ist hier nicht die Frage, denn es ist so, ob ich das will oder nicht. Und ich kann das auch nicht mehr rückgängig machen. Von einer Einheit mit der Natur zu träumen, bringt mich nicht weiter, ich muss im Einklang mit ihr sein, aber auch im Einklang mit mir selbst. Diese Dichotomie ist für mich existenziell, wie Erich Fromm sagt. Sie zeigt sich etwa in der gedanklichen Unterscheidung von Leben und Tod, die doch eins sind. Bevorzuge ich eine der beiden Seiten, habe ich ein Problem, nur merke ich das nicht gleich, sondern meist erst, wenn es zu spät ist.

Wie gesagt, wir kommen aus diesem Widerspruch nicht heraus, doch wir können das Dilemma durch Verstand und eine gelebte Kultur auflösen. Tun wir das nicht, werden wir im gewissen Sinn ohnmächtig, wir bekommen nicht mehr mit, was um uns herum geschieht, wir sind uns unserer selbst nicht mehr wirklich bewusst. Erich Fromm hat perfekt beschrieben, wie wir dieses Problem lösen können (das ja nur so lange ein Problem ist, so lange wir es nicht sehen):

„… intensiv zu leben, voll geboren zu werden und voll wach zu sein; von den Ideen eines infantilen Allmachtsgefühls loszukommen und zur Erkenntnis seiner wirklichen, wenngleich begrenzten Kraft zu gelangen; fähig zu werden, das Paradoxon zu akzeptieren, dass ein jeder von uns zugleich das Allerwichtigste auf der Welt und doch nicht wichtiger als eine Fliege oder ein Grashalm ist; fähig zu sein, das Leben zu lieben und trotzdem den Tod furchtlos zu akzeptieren; die Ungewissheit über die wichtigsten Fragen, mit denen das Leben uns konfrontiert, hinzunehmen – und trotzdem an unser Denken und Fühlen, soweit es wirklich ein Stück von uns selbst ist, zu glauben … ”

Der „Schlüssel“, der uns diesen Raum öffnet, ist Bewusstheit, doch Bewusstheit bedeutet eben nicht, dass wir es formulieren und einfach so darüber reden könnten. Ein Beispiel davon finden wir etwa in einer japanischen Teezeremonie oder in der Kultur der Samurai. Wenn wir einmal den Glamour weglassen, was bleibt dann? Eine sehr bewusste und absichtsvolle Gestaltung der Natur sowie des eigenen Lebens, eine Bewusstheit, die in Harmonie mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur ist.

Teil II

Bewusstheit braucht Selbstreflexion.

Weiß ich immer, wo ich bin und wo ich sein werde?

Propriozeption bezeichnet die Wahrnehmung der Lage und der Bewegung des Körpers im Raum oder seiner einzelnen Teile zueinander. Das kann man trainieren. Etwa in dem man Übungen auf einem Gymnastikteller macht.

Ich mache das jeden Morgen, wenn ich mich im Stehen anziehe. Oder ich mache Feldenkrais-Übungen. Man  kann auch Kampfkunst praktizieren, wenn einem das mehr zusagt. Aikido geht auch, Kyodo genauso. Im Bereich des Denkens fehlt uns dies meist vollkommen, ohne dass wir uns dessen überhaupt bewusst wären. Aber auch das kann man trainieren, etwa im Dialog.

Doch es geht noch weiter. Auch auf dem Motorrad kann ich mir bewusst sein, wo sich mein Vorderrad und mein Hinterrad befinden und was die Maschine gerade macht. Und ich kann es noch auf die Straße ausweiten, etwa auf die Linie, die ich fahre. Also idealerweise. Es geht um die Lage und die Position des Körpers in Beziehung zum Motorrades im Raum, wobei Körper und Motorrad idealerweise eine Einheit sind. Wie gesagt: Idealerweise. Aber auch das kann man trainieren.

Nicht anders ist es beim Autofahren. Auch hier kann ich mir der Lage und der Bewegung meines Autos bewusst sein, jedoch ohne einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden. Je bewusster ich mir dessen bin, desto besser fahre ich. Die „Herausforderung“ ist nur, dass solche Dinge uns nicht bewusst sein können, sie sind implizit und nicht-bewusst, aber wir könne uns ihrer bewusst werden – um sie dann wieder vergessen zu können.

Es geht also um Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken und eben den sechsten Sinn. Eigentlich wäre es richtiger, von dem siebten Sinn zu sprechen, denn zu den fünf Sinnen kommt noch das Denken als sechster hinzu. Und auch das lässt sich noch um einen Punkt erweitern, nämlich das bewusste nicht-bewusste Bewegen einer Maschine, eines Autos oder eines Motorrades.

Es geht also, wie so oft, darum, uns etwas Implizites und Nicht-Bewusstes erst einmal bewusst zu machen, um es verbessern zu können.


Mehr von Peter Zettel

von Peter Zettel 

Was ich tue, folgt stets einer Kette von Ursachen, Reaktionen und Wirkungen. In meinen Reaktionen bin ich jedoch nicht wirklich frei, sondern ich folge immer meiner inneren, geistigen Haltung. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ich Zeit habe, darüber nachzudenken, was ich tue oder eben nicht. Der “freie Wille” liegt ausschließlich in meiner Haltung, die wiederum basiert auf meinen selten bewussten Überzeugungen und Ansichten; letztlich also auf meinem Weltbild, denn das ist das Gegenstück zu meinem Selbstbild.

Mein “freier Wille” beginnt damit, mir meines Weltbildes wie meines Selbstbildes bewusst zu werden und zu sein, wobei das Selbstbild wesentlich schwieriger zu greifen ist als das Weltbild. Dieses Bild bildet wiederum mein Verständnis, von dem aus ich handle. Mein Verständnis ist also die Form, die “meine” Inhalte definiert. “Ich” gestalte Inhalte und damit mich selbst allein durch mein Verständnis, das ich mir immer wieder bewusst machen muss. Weiterlesen

Zu den unverzichtbaren Grundlagen menschlicher Dummheit, Feindseligkeit, Eifersucht, Gier und von Gewalt gehört die blinde Identifikation mit dem Ich. Sie ist die am schwersten überwindbare Blockade auf dem Weg zu einem “guten Leben für alle”. Einen gleichermaßen kostbaren wie köstlichen Beitrag dazu hat Wolf Schneider verfasst (danke für die Genehmigung der Übernahme):

Ich und das andere

Wenn ich so dahingehe, durchs Haus oder eine Straße lang, was beschäftigt mich da? Ich beobachte mein Bewusstsein. Ich verfolge, worauf es sich richtet. Wohin es schweift, wo es hängenbleibt und wann es ein Objekt wieder loslässt. Wie es sich einnistet, wenn ich an einem Objekt bleiben will oder dies zulasse. Dort verweile ich dann. Erstaunlich, wie leicht »ich« steuern kann, wo »ich« verweile. »Ich bin das dann«, kommt mir als dies beschreibender Satz in den Sinn, wenn ich diesen Vorgang denn benennen muss.

Da die Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ in mir sowieso fast beliebig fluktuiert, kann ich sie ebenso gut zu dem hin fluktuieren lassen, was ich gerade wahrnehme. Weiterlesen