Honig – Die Ernte eingeflogen

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Honig ist ein besonders erlesener Stoff

Rund 240.000 Kilometer Flugstrecke legen Bienen für ein Kilogramm Honig zurück. Dabei würde sie etwa dreimal um den Äquatorkreis fliegen. Vorwiegend schaffen sie eine solche Leistung, weil sie bei jedem Flug einen Teil des Blütennektars verspeisen, den sie unterwegs gesammelt haben. Aus diesem Powerstoff und aus den Honigtautröpfchen von Blattläusen erzeugt jedes Bienenvolk im Laufe eines Jahres 20 bis 40 Kilo Honig. Bei den rund 60.000 Ausflügen, die für jedes Kilo nötig sind, besuchen die fleißigen Tierchen drei bis fünf Millionen Blüten. Honig ist also eine echte Flug- und Sammelschwerarbeit, welche die Deutschen gerne bezahlen. Das Zwei- bis Siebenfache des Weltmarktpreises legen sie für Honig auf die Ladentheke und verspeisen mehr des süßen Stoffs als jedes andere Volk der Welt: rund 1,1 Kilo pro Kopf und Jahr, Neugeborene und Greise eingerechnet. Etwa 80 Prozent davon wird importiert, größtenteils aus aus Mittel- und Südamerika sowie China.

Gesund oder nur süß?

Wer kennt nicht „Milch mit Honig“ gegen Halsschmerzen? Das alte Hausmittel ist ein letztes Überbleibsel des tiefen Respekts unserer Vorfahren vor der Arbeit der Biene. Die Germanen führten die Unsterblichkeit, Kraft und Weisheit des Göttervaters Odin auf die Götterspeise Honig zurück. Bienen waren den Germanen so heilig, dass sie in ihrer Gegenwart jeden Streit vermieden. Heute steht man in Deutschland den wunderbaren Kräften des Honigs eher skeptisch gegenüber. So schreibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, „dass Honig als Hausmittel das subjektive Wohlbefinden steigern kann, wobei der Placebo-Effekt eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt“. Mit anderen Worten: Wir bilden uns die heilsame Wirkung des Honigs hauptsächlich ein.

Ganz anders urteilt die australische Regierung, die manche Honigsorten offiziell in den Rang eines Heilmittels erhoben hat. Und der neuseeländische Biochemiker Professor Peter Molan von der University of Waikato hält Honig gar für „das ideale Mittel bei chronischen Wunden … er tötet sehr unterschiedliche Bakterien ab, löst totes Gewebe, bindet unangenehme Gerüche und fördert die Wundheilung“. Allerdings, so schränkt der Wissenschaftler ein, treffe diese Eigenschaft bei weitem nicht auf jeden Honig zu. Das fanden auch Forscher am Schweizerischen Zentrum für Bienenforschung, die elf Honigsorten auf ihre antibakterielle Wirksamkeit hin testeten. Die Siegerhonige waren Rapshonig, Waldhonig und Löwenzahnhonig. Am schlechtesten schnitten Eukalyptus- und Rhododendronhonig ab. Interessante Ergebnisse hatte ein Versuch von Wissenschaftlern der Universität Illinois in Urbana-Champaign. Männer, die fünf Wochen lang täglich vier Löffel Honig einnahmen, hatten während dieser Zeit deutlich mehr Antioxidantien im Blut. Gute Nachrichten zur Heilkraft von Honig kommen auch von der kanadischen Universität Ottawa. Dort machten Sidr-Honig aus Jemen und Manuka-Honig bei chronisch entzündeten Nasennebenhöhlen gängigen Antibiotika Konkurrenz.

Ist Honig also nur lecker oder auch gesund? Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte. Er ist eines der ältesten uns bekannten Naturheilmittel, das schon von den alten Sumerern, Ägyptern und Indern vor Tausenden von Jahren genutzt wurde. Auch heute leihen durchaus Wissenschaftler von Rang dem gelben Leckerbissen ihren Namen. Es lohnt also, im persönlichen Bereich mit der Heilwirkung und dem Gesundheitswert von Honig zu experimentieren. Dabei muss man es ja nicht gleich so extrem treiben wie der Amerikaner M. H. Haydak, der sich unter medizinischer Aufsicht im Selbstversuch 12 Wochen lang nur von Milch, Honig und Orangensaft ernährte – und sich dabei kräftiger fühlte denn je. Es war also wohl die Eintönigkeit dieser Diät, die Haydak wieder auf den Weg von Steak & Co. zurückkehren ließ.

260 verschiedene Bestandteile

Wie jedes echte Naturprodukt besteht Honig aus einem Gemisch der verschiedensten Stoffe, die je nach Honigtyp und Herkunft ganz unterschiedlich ausfallen können und deshalb die wissenschaftliche Bewertung so schwer machen. Hauptsächlich besteht Honig zu ca. 80 Prozent aus Zucker und zu 16 bis 20 Prozent aus Wasser. Neben den hauptsächlichen – Traubenzucker und Fruchtzucker – enthält er noch eine ganze Reihe weiterer Zuckerarten wie Erlose, Maltose, Isomaltose und Melezitose. Des Weiteren lassen sich Enzyme, organische Säuren, Aminosäuren, Mineralstoffe, Vitamine, Inhibine, Antioxidantien, Gerb-, Farb- und Aromastoffe nachweisen, insgesamt etwa 260 verschiedene Bestandteile. Um ihre Wirkung im Einzelnen und im Verbund aufzuklären, wird noch Jahrzehnte geforscht werden müssen. Denn wie schon bei den sekundären Pflanzenstoffen, so könnte sich auch bei den sekundären Honigstoffen so manche Überraschung ergeben. Momentan führen Wissenschaftler einen Teil der entzündungshemmenden Wirkung von Honig auf das Enzym Glucaseoxidase zurück. Dieses produziert beim Zuckerabbau das Wunden desinfizierende Wasserstoffperoxid. Überdies bindet Honig Feuchtigkeit. Indem Gewebeflüssigkeit aus der Wunde gezogen wird, werden auch Schmutz und Bakterien mit ausgespült. Im neuseeländischen Manukahonig (gewonnen von Teebaumblüten) fanden Forscher das entzündungshemmende Methylglyoxal, das ebenfalls bei Zuckerabbau entsteht.

Qualität lohnt sich

Honig ist also durchaus ein besonderer Stoff, bei dem es sich lohnt, auf Qualität zu achten. Mit der ist es allerdings in Deutschland nicht immer zum Besten bestellt. Bei einer Untersuchung der Stiftung Warentest im Januar 2009 schnitten nur 9 von 35 Honigen mit „gut“ ab. Der Geschmack ließ zu wünschen übrig, und der Honig in einigen Gläsern hatte mit der Etikettierung wenig gemeinsam. Wird dort nämlich ein Pflanzenname genannt, so muss über die Hälfte des Honigs auch von Blüten dieser Pflanze stammen. In einem früheren Test hatte Öko-Test in fünf Honigen Rückstände von Bienenarzneimitteln und verbotenen Antibiotika gefunden. Und dies, obwohl die Honigverordnung versucht, Qualitätsmaßstäbe aufzustellen. So sind z.B. Zusätze zur Verbesserung von Aroma, Farbe, Geschmack, Haltbarkeit, Konsistenz usw. gesetzlich verboten. Nicht verboten ist allerdings die vorübergehende Schädigung des Honigs durch Wärmebehandlung. Der dafür festgelegte so genannte HMF-Wert (Hydroximethylfurfurol) von 40 liegt zu hoch. Allerdings schreiben der Deutsche Imkerbund, die Verbände des ökologischen Landbaus und einige Honig-Hersteller wie Allos oder Martin Evers ihren Bio-Imkern niedrigere Höchsttemperaturen zur schonenden Verarbeitung des Honigs vor. Die EU-Bio-Verordnung tut dies aber nicht. Als problematisch hat sich die Qualitätskontrolle bei Importhonigen herausgestellt. Nicht nur, weil im Erzeugerland die Honigverordnung keine Gültigkeit hat, sondern auch, weil der in Fässern ankommende Honig häufig ziemlich fest ist und zum Abfüllen in Gläser unter Wärmezufuhr wieder verflüssigt wird. Dabei können wertvolle Inhaltsstoffe zerstört werden, insbesondere die Enzyme, denen Honig seine Heilkräfte verdankt.

Bobby Langer

Quellen: http://apitherapy.com; aid.de; bieneninstitut.de; cma.de; cnn.com; dge.de; farfeleder.at; gesundheit.de; gesundheit.com; gesundheitspilot.de; Hobbyimkerei Hilgers; hobbythek.de; Institut für Bienenkunde Celle; kochatelier.de; Landesverband bayerischer Imker; lernzeit.de; lifeline.de; naturkost.de; Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz; m-ww.de; nzz.ch; odins-met.de; onmeda.de; paracelsus.de; Ökotest; Stiftung Warentest; transfair.org; ugb.de; uni-hohenheim.de; University of Waikato, New Zealand; University of Guelph, Kanada; was-wir-essen.de; wdr.de; welt.de; wikipedia

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