Vegetarier werden?

„Ja, ja, unsere Nation hat gemordet, präzise, industriell und systematisch. Stimmt schon. Aber wir haben damit nichts mehr zu tun. Es waren doch unsere Väter und Großväter, nicht wir.“ Dieser grollend vorgebrachte Entschuldungsversuch wird mir immer wieder gegen die Ohren geschlagen, als gäbe es das nationale Trauma nicht, durch das die Unempfindlichen wie grobe Riesen waten durch Schlamm. Als ob es die Überlebenden nicht gäbe und deren Kinder und Kindeskinder, denen wir in die Augen schauen müssen, und sei es auch nur innerlich.

Freilich, einen schrecklichen Vorteil haben unsere Mordtaten: Sie sind vorbei und vergangen. Wie aber gehen wir mit den mörderischen Folgen unseres imperialen Lebensstils um? Mit den verbrannten und brennenden Wäldern, mit den Müttern, aus deren Brüsten keine Milch mehr rinnt, weil wir ihnen, unserer Adipositas zuliebe, nicht die Butter vom Brot, sondern das Brot von der Erde nehmen? Mit den hungernden Fischern, denen wir die Fische wegfangen für die Fülle unserer Supermärkte, mit den Verhungernden, auf deren Böden wir Nelken anbauen und Rosen zur Zierde unserer grauen Winter.

Sie bleiben grau und werden grauer, denn diese achtlosen Mordtaten vergehen nicht, sondern wachsen als Schuldberg von Tag zu Tag. Und wie gehen wir damit um? Wir schnippen ihn weg und werden Vegetarier. Besser als nichts, aber leider auch nicht mehr.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert