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Die Maßnahmen gegen Pandemie verschärfen die Hungersituation weltweit

Von Andreas Chajm Langholf

Zu Beginn: Bitte halten Sie kurz inne und ergänzen Sie: „Jedes fünfte Kind auf der Welt … “
Die Antwort, die in diese Rezension eingestreut ist, wird Sie überraschen und – hoffentlich – auch schockieren, so wie mich, als ich sie im vorliegenden Buch las.

„Wege aus der Ernährungskrise“ ist Teil der jährlich erscheinenden Reihe „Almanach Entwicklungspolitik“. Diese wird von der Entwicklungsorganisation CARITAS mit jährlich wechselnden Schwerpunktsetzungen wie Afrika (2020), Migration (2019), Klima und Armut herausgegeben.

Die Corona-Pandemie verschärft mit den dagegen ergriffenen Maßnahmen die Hungersituation im Übrigen drastisch, sodass die UNO bereits im April letzten Jahres vor „Hungersnöten biblischen Ausmaßes“ warnte. Leider ist diese Warnung im medialen Gewitter weitgehend untergegangen  – und das vor dem Hintergrund, dass über 820 Millionen Menschen hungern und zwei Milliarden unterernährt sind, – Tendenz bereits seit 2015 übrigens wieder steigend.

Zu Gliederung und Inhalten im Einzelnen

Nach dem Vorwort und der Schilderung entwicklungspolitischer Trends finden sich 15 gut recherchierte, mit Quellen, Anmerkungen und Begriffsdefinitionen belegte Artikel von ausgewiesenen Experten auf ihren Gebieten, übersichtlich gegliedert in drei Teile, sowie der Versuch einer Synthese aus Sicht der CARITAS Schweiz.

Teil I gibt einen Überblick über die verschiedenen Aspekte des Problemfeldes Hunger, angefangen mit einer Übersicht zur gegenwärtigen Ernährungssituation sowie den Faktoren, die Hunger und Mangelernährung begünstigen; überdies zu strukturellen Problemen sowohl im agrarindustriellen wie politischen System. Dazu gibt es auch eine interessante historische Einordnung zu Mustern, Erklärungen und politischen Antworten der letzten 150 Jahre.

Dieser Beitrag leitet über zum Teil II mit lokalen und globalen Ansätzen der Hungerbekämpfung. Hier wird bereits ein weiter Bogen gespannt von Marktzugang über Wertschöpfungsketten bis hin zu Agrarökologie und Klimawandel.

Teil III thematisiert dann die großen Herausforderungen der Zukunft und Lösungsansätze wie Ausweitung des Ökolandbaus, mehr Landrechte für Frauen sowie benachteiligte Gruppen und präsentiert das Thema „Zugang zur Nahrung“.

Zwei Aspekte ziehen sich inhaltlich durch das Buch:

  • Bei Beendigung der Verschwendung und gerechter Verteilung gäbe es genug Nahrung für alle!
  • Wenn Worte Nahrung wären, dann gäbe es keinen Hunger!

Persönliche Bewertung

Tragischerweise fehlt den Verantwortlichen–und das sind nicht nur Politiker und Wirtschaftsbosse, sondern auch wir KonsumentInnen – aktuell trotz großer Verlautbarungen und nachhaltiger Entwicklungsziele der UNO oft noch der politische Wille, am großen Hungern in einer Welt des Überflusses etwas zu ändern. Dabei wird heute gerne von Politiker betont, es zähle jedes Leben.

Das Buch ist ein sehr gutes Überblickswerk zur ganzheitlichen Behandlung dieses komplexen Problemfeldes, dem nicht mit einfachen Ansätzen monokausal beizukommen ist. Ausgiebigen Quellen und Links laden zur weitergehenden Beschäftigung mit diesem Thema ein.
Ach ja, übrigens: Nur jedes 5. Kind im Alter zwischen 6 und 23 Monaten erhält laut FAO eine Ernährung, die den minimalen (!) Anforderungen für eine gesunde Ernährung entspricht.

 Manuela Specker, Wege aus der Ernährungskrise, 258 S., Caritas-Verlag 2020, ISBN 978-3-85592-173-7

Der Autor:

Andreas Chajm Langholf ist Diplom-Agraringenieur und seit vielen Jahren im Umweltschutz tätig.

Er verfasste freiberuflich Studien, u.a. für BUND und Artikel, u.a. in IGEL, Unabhängige Bauernstimme, Lebendige Erde, Sennaciulo, Kontakto u.a. und veröffentlicht auf Deutsch, Englisch und Esperanto. Darin beschäftigt er sich neben Ernährung auch mit den Themen Systemkritik, Konsum und nachhaltiger Lebensweise.

Daneben gibt er im kleinen Stil Seminare zu Selbstversorgung, lehrte zu Ernährung an Schulen und Universitäten und betreut Bauernhoffreizeiten für Kinder.

[Foto von Lothar Dieterich auf Pixabay ]