Heilig – was ist das?
Heilig? Ein absurdes Wort aus dem Sakralraum? Na ja, wir kennen die Scheinheiligen, vielleicht auch die Säulenheiligen, aber heilig, Heilige? Das gibt’s doch nur in der katholischen Kirche, oder? Und die Protestanten haben das Brimborium ganz abgeschafft!
Heiliger Zauber
Gehen wir mal an die Wurzel: das Wörtchen „heilig“. Gerne wird es mit dem Wort „heilen“ in Verbindung gebracht, was auch stimmt. Heilig ist etwas rundum Gesundes, Gerettetes, Heiles. Vermutlich leitet sich das Wort aus dem germanischen Substantiv „haila“ ab, was Zauber, günstiges Vorzeichen, Glück bedeutete. Darüber lässt sich lange spekulieren. Nur eins ist klar: Das Wort gab es lange vor dem Christentum in einer positiven Bedeutung.
Das Heilige zugebaut
Hier in Würzburg gibt es zwei Wahrzeichen der Stadt: die Festung Marienberg und das franziskanische Käppele, eine Wallfahrtskirche; beide auf bzw. am Berg und beide an ursprünglich heidnischen Kultstätten. Aha: an heiligen Stätten unserer Ahnen. Hier wie überall in Europa (und auch auf der Welt) fand der symbolische „Akt der Donareiche“ statt, eine systematische Verdrängung der germanischen bzw. keltischen Heiligtümer.
Der Irrtum des Bonifazius
Donar ist ein anderes Wort für Thor, den germanischen Gott des Donners (von dem sich unser Donnerstag ableitet). Im Jahr 723 machte sich der eifernde Mönch Bonifazius über den germanischen Glauben lustig und ließ unter soldatischem Schutz in der Nähe des heutigen Fritzlar (Nordhessen) die Donareiche (dort lebte der germanische Stamm der Chatten) fällen – eine mächtige alte Eiche und den Germanen ein Heiligtum. Wie erwartet wurde Bonifazius nicht vom Thors Blitz erschlagen, womit für ihn und das restliche Christentum bewiesen war, dass der christliche Gott stärker, also besser war.
Das Heilige zurückgewinnen
Doch dem Volk hat er damit das Heilige geraubt, die heilige Natur, die heilige Schöpfung, den Respekt vor ihr, und das Heilige zur katholischen Kirchensache gemacht. Und wir? Wir gehen Bonifazius noch immer auf den Leim. Wir meinen noch immer, das Heilige sei eine Sache des Vatikans oder eines seiner Fürsten, Bischof oder Kardinal. Tatsächlich müssen wir uns das Heilige wieder aneignen, den Sinn für die Würde der Natur und ihrer Geschöpfe. In diesem Sinne gälte es, ein heiliges Leben zu leben – jede und jeder von uns, so gut sie oder er kann.