Die (vermeintliche) Maske, die mich blind macht

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von Peter Zettel

Das unterscheidet uns Menschen von den Tieren: Sie tragen einfach keine Maske, hinter der sie sich verstecken. Obwohl, eigentlich ist es genau umgekehrt. Habe ich eine Maske auf, verberge ich nicht mich selbst, sondern ich hindere mich daran, den anderen wahrzunehmen.

Wie ich darauf komme? Kürzlich war ich auf einer Familienaufstellung, ohne irgendwelchen esoterischen und metaphysischen Schnick-Schnack. Dabei fielen mir zwei Dinge auf. Einmal das irritierende Lachen derer, die nicht selbst unmittelbar in der Aufstellung waren, über Äußerungen, die die Stellvertreter machten. Dabei waren sie nicht zum Lachen, sondern nur sehr, sehr paradoxe Aussagen, die für das normale Verständnis erst einmal unerklärlich und auch verstörend waren.

Ich beschäftige mich ja schon lange mit Familienaufstellungen. Daher ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass ich schnell in der „Rolle“ bin, wenn ich gebeten werde, eine Stellvertretung zu übernehmen. Mir ist das in Erinnerung geblieben, denn die Aufstellungsleiterin sagte zu der Aufstellenden „Lass ihn, der ist schon in der Rolle“, als ich aus der „Rolle“ heraus mich nicht an einen bestimmten Platz stellen lassen, sondern einen eigenen Weg gehen wollte. Und wenn die Aufstellung zu Ende ist, muss mich keiner „entlassen“ und ich brauche auch kein Ritual, um wieder „bei mir“ zu sein.

Bewusst ist mir das geworden, als ich vor Jahren in einem Artikel las, dass wir ja immer in diesem Feld sind. Wir können es ja nicht an und abschalten. Wir können es nur bewusst wahrnehmen oder auch nicht. Wie gesagt, bewusst ist mir das schon lange, begriffen habe ich es aber erst kürzlich. Das Feld ist immer vorhanden, und es ist meine Entscheidung, ob ich es wahrnehme oder eben nicht. Tiere und auch kleine Kinder wissen immer ganz genau, wie der andere gerade drauf ist. Sie haben einfach noch nicht gelernt, ihre eigene Wahrnehmung zu ignorieren.

Also ist „eine Maske zu tragen“ der vollkommen falsche Begriff für das, was viele Menschen tun, auch ich. Richtiger wäre es zu sagen, sie stecken den Kopf in den Sand, damit sie nicht mehr mitbekommen, was los ist. Statt sehen zu können, also in der Lage zu sein wahrzunehmen, was ist. Es ist eben nicht so, dass man sich auf diese Weise selbst schützt, man schützt den anderen!

Was natürlich die Frage aufwirft, warum ich das tue, wenn ich es tue. Warum verhalte ich mich nicht einfach so direkt und klar, wie es meine Hunde getan haben? Übrigens vielleicht der wahre Grund, warum wir Menschen Haustiere so sehr mögen, einfach weil sie uns zeigen, wie wir eigentlich wären, wenn wir endlich den Kopf aus dem Sand nähmen. Sie sind eine Erinnerung an uns selbst, in ihrer Gegenwart haben wir scheinbar (oder auch offensichtlich) das Gefühl, uns nicht verstellen zu müssen. Oder sogar nicht zu können! Sie bieten uns sozusagen eine Auszeit vom falschen Spiel. Wie heißt es doch? Hier bin ich Mensch, hier kann ich sein! Bei einem Tier, weniger bei einem Menschen!

Warum vergrabe ich mich stattdessen lieber im Sand meiner Ansichten, Meinungen und meines psychologischen Wissens oder in der Erledigung meiner alltäglichen Pflichten? Doch dabei geht es mir nicht wirklich um den anderen, sondern es geht mir darum nicht wahrzunehmen, dass ich vollkommen klar sehen kann, was ist. Es wäre wie in einer Aufstellung, alles „Falsche“ wäre dann offensichtlich und wir würden die anderen – aber auch die uns! – sehen, wie sie wirklich sind. Vollkommen ehrlich und unverstellt. Dabei sehnen wir uns doch so sehr danach, wir selbst zu sein, vollkommen unverstellt. So wie ein Hund oder eine Katze. Die laufen erhobenen Hauptes durch die Welt und stecken den Kopf nicht in den Sand.

 

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