Braucht unsere Gesellschaft Feindbilder?

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von Peter Zettel

Eine verrückt klingende Frage. Aber ist sie wirklich so verrückt? Ich war einmal in einer Partei, da gab es auch klare Feindbilder. Und die anderen hatten wahrscheinlich uns als Feindbild. Auf der politischen Bühne sieht es ja nicht besser aus, nur dass es da oft nicht bei den Feindbildern bleibt, sondern auch immer wieder bitterer Ernst wird.

Diese Frage hat sich mir regelrecht aufgedrängt, als ich dieses Bild bei der taz auf Twitter sah:

Es erinnerte mich an einen Post auf FB, der die Frage aufwarf, warum sich scheinbar manche Menschen klare Regeln wünschen, damit sie sich sicher sein können, das Richtige zu tun. Und dem Klimawandel mit Steuern begegnen zu wollen, halte ich für einen Witz. Die einzige wirkliche Reaktion ist doch eine klare, eindeutige wirtschaftliche Neuausrichtung. Und es erinnerte mich an meine Jugend. Viele waren damals dagegen – was auch immer – statt dass sie das Gespräch gesucht hätten. Was natürlich nicht bedeutet, dass die Gegenseite hätte reden wollen.

Weiter ging es in meinem Beruf. Da gab es zwei Gruppen, Mandanten und Gegner. Am übelsten war das bei denen, die sich eigentlich einmal geliebt hatten, sich zumindest nicht unsympathisch waren, bei Scheidungen. Und auch in der Wirtschaft und im Management ist diese regelrecht kriegerische Sprache Tagesordnung. Wenn, wie Wittgenstein sagt, Sprache meine Welt definiert, dann leben wir wohl in einer Welt voller Feindbilder. Und jeder Regierungschef weiß, dass ein klares äußeres Feindbild für Ruhe im Innen sorgt. Feindbilder sind ein sehr, sehr guter und wirksamer sozialer Kit.

Und wenn ich mir die Diskussionen auf den Sozial Media anschaue, dann kann ich gut von Lagern sprechen, die sich da gegenüberstehen. Selten eine wirklich offene Diskussion. Die meisten laufen nach dem Motto ab „Bist du dafür oder dagegen?“ Als ginge es nur um die Person und nicht um die Sache! Aber vielleicht ist ja das der Kern, das eigentliche Problem, nämlich der, dass wir Streitigkeiten und Konflikte schnell bis immer persönlich nehmen. Geht es bei Diskussionen oder Auseinandersetzungen also doch eher darum, ob jemand für oder gegen einen der Protagonisten ist?

Es wäre eine logische Erklärung dafür, warum die Gesellschaft Feindbilder braucht, wenn also ihre Mitglieder die Dinge persönlich nehmen. In meiner systemischen Ausbildung habe ich gelernt, dass Zugehörigkeit ein wesentliches Thema ist und dass das Fehlen eines Zugehörigkeitsgefühls große Probleme aufwirft. Eine Gesellschaft ist ja ein System, und die Axiome in einem System sind Zugehörigkeit, Ordnung und Ausgleich zwischen Geben und Nehmen. Man darf die systemischen Fragen aber nicht nur auf Familien beziehen, es geht ja weiter. Nachbarn sind ein System, Gemeinschaften, Nationen bis hin zu letztlich der Welt. Werden die Axiome aber missachtet, habe ich oder besser haben wir ein Problem. Und das werden sie, und zwar massiv. Unser herrschendes Wirtschaftssystem hält sich vielfach (vorsichtig ausgedrückt) nicht an diese Axiome.

Ich kenne niemanden, der nicht auf die eine oder andere Art von diesem Wirtschaftssystem abhängig ist. Was also tun? Mit den Wölfen heulen? Und weiter nach Feindbildern suchen, damit die inneren Konflikte nicht zu Tage treten und aufbrechen? Wenn wir daran nichts ändern, brauchen wir weiterhin Feindbilder, keine Frage, damit wir einigermaßen in Ruhe leben können. Ist zwar ein falsches Leben, aber für das richtige scheint uns der Schneid zu fehlen.

Fazit: Ja, wir brauchen Feindbilder, damit wir uns mit dem Tun der anderen beschäftigen können und uns nicht mit uns selbst befassen und uns nicht die Frage stellen müssen, was wir da eigentlich tun. Aber eigentlich ist das ja ziemlich – Pardon! – bescheuert. Also doch lieber mal auf die Feindbilder verzichten und sich mit sich selbst beschäftigen? Schon, oder nicht?

 

 

 

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