Im Falschen gibt es nichts Richtiges

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Aber gilt das auch umgekehrt?

Ein Satz von Adorno, der mich seit geraumer Zeit umtreibt. Ich beispielsweise lebe in der BRD, in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem, bin Rentner, meine Frau arbeitet in einem Pharmaunternehmen, ich fahre Motorrad und privat nutzen wir ihren Dienstwagen. Wir wohnen in einem kleinen Reihenhaus, gemietet, haben hier auf dem Gelände Freunde gefunden und sind sozial recht gut vernetzt.

Also alles auf Grün? Lese ich Adornos Satz, dann kommt als Antwort auf diese Frage ein klares Nein. Ein Beispiel: Hans-Peter Dürr etwa sagt, wir dürften nur 1,5 KW an Energie verbrauchen. Warum aber sagt er das? Weil die Erde ein Biosystem ist, was ja leicht in Vergessenheit gerät, und eben keine unbegrenzte Freisetzung von zusätzlicher Energie verträgt. Es geht also zuerst einmal darum, wieviel Energie wir einsetzen dürfen, dann geht es darum, wer wieviel Energie verbrauchen darf – weltweit, versteht sich – und dann erst geht es darum, wie diese Energie erzeugt wird.

Solange ich nicht weiß, wieviel Freisetzung von zusätzlicher Energie akzeptabel ist und wie die verteilt wird, brauche ich gar nicht weiterzudenken, denn dann weiß ich, dass die Erde über kurz oder lang eine Grätsche macht und das Bio-System kollabiert. Nun wäre es typisch menschlich, erst einmal einen Schuldigen auszumachen und dem zu sagen, was er tun muss. Statt bei sich selbst anzufangen. Und da fallen mir ganz spontan eine Menge Dinge ein, wo ich unnötig Energie verbrauche. Also damit aufhören!

Aber das löst das Problem nicht wirklich. Und man kann andere auch nicht dazu erziehen, es genauso zu machen, wie man selbst. Das Scheitern der 68er-Generation ist dafür Beleg genug. Die Ideen und auch die Kritik waren in wesentlichen Teilen richtig, aber die Umsetzungsstrategie nicht. Dabei hat uns doch Victor Frankl ins Stammbuch geschrieben, dass jeder Einzelne es verstehen muss! Und zwar wirklich jeder! Ist ja auch logisch, wenn ich Erde, Natur und Mensch als ein einziges Lebewesen ansehe, als eine lebendige Welt.

Und genau hier fängt es an, gewaltig zu knirschen. Im Moment erlebe ich eine heftige Pro-und-Contra-Auseinandersetzung zwischen den politischen Parteien. Und ich denke mal, dass die Beteiligten weit davon entfernt sind, sich als ein Lebewesen zu betrachten. Und auch noch zu erleben.

Aber angenommen, die Beteiligten würden umswitchen, sich als ein Lebewesen verstehen, ihre Sprache und ihr gesamtes Verhalten umpolen und ihre neuronale Struktur entsprechend neu organisieren – wäre doch ein Traum, oder nicht? Aber so wie ich die Menschen kenne wird daraus erst einmal nichts. Jeder wird weiter auf seiner Meinung bestehen bleiben.

Die hoffnungsvollere Variante ist, dass zumindest einige der Beteiligten sich das einmal genau anschauen. Und, sind sie davon überzeugt, dann ihre Strategie entsprechend neu ausarbeiten. Angefangen mit der Sprache, indem sie alles “gegeneinander” durch “miteinander” ersetzen. Eine echte Herausforderung, mit jemandem auf einmal in einem Team zu spielen, den man bisher als Gegner oder sogar als Feind betrachtet hat.

Aber einmal angenommen, das ginge – und ich hoffe sehr, dass es geht! – also angenommen, das geht. Gilt dann Adornos Satz auch umgekehrt? Würde es im Richtigen dann noch das Falsche geben? Ich glaube nein, würde es nicht. Nicht von jetzt auf gleich, aber es würde sich wohl sofort etwas ändern, weil das Gegeneinander wegfällt.

Das bedeutet nun nicht, dass wir nicht mehr von denen angegriffen werden, die das noch nicht so sehen. Aber wir können unsere Strategie ändern. Und da gibt es viele Möglichkeiten. Etwa (geistiges) Aikido zu lernen. Oder gewaltfreie Kommunikation. Ein Versuch wäre es zumindest wert.

Aber das ist noch nicht die Kröte, die man schlucken muss. Es geht in erster Linie nämlich nicht um die anderen, sondern um einen selbst. Man muss nicht die anderen ändern wollen, sondern sich selbst. Ich spreche da aus Erfahrung. Meiner eigenen. Früher habe ich nämlich als Rechtsanwalt gearbeitet.

Ich werde nie vergessen, wie ich mit der Aikido-Erfahrung Mandanten dazu brachte, zu siegen – aber ohne zu kämpfen. Die Schwierigkeit aber war, dass die meisten meiner Mandanten genau das nicht wollten. Sie wollten kämpfen.

Und genau das ist das eigentliche Problem. Ich lese gerade den Dialog zwischen Jiddu Krishnamurti und David Bohm. Und womit fängt der an? Mit den Ursachen des geistigen Konflikts. Die zu klären, die eigenen geistigen Konflikte, das ist die eigentliche, die wesentliche Aufgabe.

Ich konnte meinen Mandanten erst dann einen anderen, besseren und effektiveren Weg zu zeigen, als mir endlich ein Licht aufging und ich merkte, was für ein destruktives Kampfspiel ich als Rechtsanwalt da tagtäglich aufführte. Damit fing es an. Ich begriff, dass das, was ich machte, das Falsche war.

Bitter, aber hilfreich.

Mit Dank übernommen von Peter Zettel, Quergedacht

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