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Wenn man sonst nichts zu tun hat, kann man sich darüber streiten …
Aber egal, Asra hat dazu einen schönen und wie ich finde, sehr lesenswerten, Blogbeitrag verfasst:

“Was ist männlich? Was ist weiblich? Und was hat das mit Männern und Frauen und Anderen zu tun?
Was ist normal? Heißes Thema. Fettnäpfchen bis zum Horizont.

Hier findet ihr den ganzen Beitrag.

Und hier als ziemlich aufwändig gemachten Videobeitrag:

Bevor ich überhaupt mit diesem Text beginne, möchte ich vorausschicken, dass ich großen Respekt vor Menschen habe, die ihr Bestes geben oder gegeben haben und „einfach nicht mehr können“. Denn das ist wertvoller Selbstschutz und keine Resignation. Doch Resignation ist tatsächlich oft ein Irrtum, und noch dazu ein „vom System“ suggerierter – was es umso schlimmer macht.

Auch Resignation ist Selbstschutz

Resignation bedeutet, man hält eine Sache für aussichtslos und hört deshalb auf, zu kämpfen bzw. überhaupt irgendetwas zu tun. Wer in Sachen Demokratie oder Gaia resigniert, der begibt sich in eine hoffnungslose Grundhaltung, dreht sich um, murmelt „Es ist eh alles egal“, wählt rechts oder kauft sich einen SUV. Wer richtig gründlich resigniert, für den bedeutet Resignation eine Entlastung. Er übergibt sein Gewissen sozusagen dem Mainstream und ist damit, energetisch betrachtet, fein raus. Ich meine das rein beschreibend, nicht bewertend. Auch Resignation hat einen Aspekt des Selbstschutzes.

Resignation wegen Selbstüberschätzung?

Entscheidend ist, was der Resignation vorausgeht. Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Ich bin 13 Jahre alt und möchte den Mount Everest besteigen. Schon auf halbem Weg zum Basislager merke ich, wie mir bei 20 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken die Kraft ausgeht, und ich resigniere. Der Resignation ging in diesem Fall ein unrealistisches Ziel voraus. Zweites Beispiel: Ich bin 70 Jahre alt und will mich nochmals so richtig verlieben. Nach drei Dates gebe ich auf und resigniere. Was ging hier der Resignation voraus? Offenbar eine Fehleinschätzung meiner Chancen. Natürlich könnte das klappen, aber eben nicht so schnell. Vielleicht brauche ich 15 oder 30 Versuche. Hinter der Fehleinschätzung könnte sehr leicht Selbstüberschätzung stecken: „Ich bin so schön, dass alle auf mich fliegen, sobald ich mich zeige.“

Das alte Tellerwäscher-Märchen

Damit sind wir der Kernaussage des Titels schon auf der Spur. In Sachen Demokratie oder Mitwelt lohnt sich aber eine Vertiefung. Beides sind hochkomplexe Themen. Sehe ich also die Demokratie oder die Mitwelt gefährdet, dann kann mich das so sehr berühren, dass ich aktiv werden möchte. Bis dahin gibt es auch kein Problem. Bin ich aber nun der Meinung, ich könnte die Demokratie oder die Mitwelt „retten“ (oder das Klima oder die Berggorillas oder …), dann habe ich entweder nicht die Dimension des Problems verstanden oder ich halte mich für Supergirl oder Superman – und bin damit dem „System“ aufgesessen, das mich glauben machen will, ich, ich ganz allein, könne der oder die Größte sein, könne vom Tellerwäscher zum Millionär werden.

Leidenschaftliche Geduld

Anders herum: Mit einer realistischen Einschätzung der Situation und einer mit Leidenschaft gepaarten Geduld kann ich immer neue, kleine, erfolgreiche Schritte tun und vielleicht sogar das große Ziel erreichen. Unter Umständen bezwingt ja der 13-Jährige zehn Jahre später den Mount Everest – nach viel Training, Bergsteigerkursen und 1000 Stunden Erfahrung am Berg. Spirituell benutzt man in so einem Fall das unscheinbare Wörtchen Demut, hinter dem sich eine mächtige Möglichkeit verbirgt.

Wenn Demut sich mit der Erkenntnis verbindet, dass große Ziele nie allein zu bewältigen sind, dass wir dafür PartnerInnen, BegleiterInnen, FreundInnen, UnterstützerInnen, kurz Gemeinschaft brauchen, dann nimmt nicht nur die Arroganz ab, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, resignieren zu müssen. Sogar der halbe Weg zum Ziel kann dann schon eine Menge Spaß gemacht haben.

Ich habe mich schon oft gefragt, wie es sein kann, dass immer wieder Menschen, die klaren Verstandes zu sein scheinen, an der Erhitzung des Erdatmosphäre zweifeln, und wenn schon nicht das, dann doch wenigstens der entlastenden Aussage anhängen, wir hätten damit nichts zu tun.
Dass die Großindustrie, insbesondere die Erdölbranche ein großes Interesse an solchen Haltungen hat, ist klar. Nur wie genau geht sie dagegen vor.
Die österreichische Tageszeitung Der Standard hat dies kürzlich akribisch rechecheriert und veröffentlich.
Fazit: “So werden Worte tatsächlich zur Waffe.”

Gelegentlich polemische Anmerkungen zum 5. Gebot

„Die Massen sind niemals kriegslüstern, solange sie nicht durch Propaganda vergiftet werden.“ Albert Einstein

„Es ist Morden. Sie töten immer den Sohn einer Mutter.“ Jürgen Todenhöfer

Es ist ein christliches Gebot. Und es schien mir unverhandelbar, als ich begann, darüber nachzudenken: „Du sollst nicht töten.“ Punkt. Es hieß nicht, „Du sollst deinen Freund nicht töten, deine Feinde aber sehr wohl“; auch nicht: „Du sollst nicht töten, solange du dafür keinen guten Grund findest.“ Nein, so hieß es nicht. Und doch hat die versammelte Christenheit, allen voran die christliche deutsche Parteien-Landschaft, beschlossen, hier eine päpstliche Ausnahme zu machen. Sogar „Die christliche Arbeitsgemeinschaft Tanz“ betet nicht für alle dem Krieg ausgesetzten Menschen, sondern exklusiv für die Menschen in der Ukraine nach dem Motto: „Man kann ja nicht für alle beten.“

Segen für den Waffensegen

Es ist nicht das erste Mal. Den Segen für „unsere Waffengänge“ bis hin zu christlichen Waffensegnungen der Amtskirche durften schon die Nazis für sich in Anspruch nehmen, von den Deutschordensrittern einmal ganz abgesehen, die im 12. Jahrhundert die litauischen Heiden mit dem Schwert zur Taufe trieben. Eine bewährte Tradition also, die auch die mittel- und südamerikanische Bevölkerung lange seitens der Spanier genießen durfte. Und ganz modern: Der norwegische Terrorist Anders Behring Breivik, bei dessen Anschlag im Jahr 2011 77 Menschen ums Leben kamen, hat sich zur Rechtfertigung seiner Tat aufs Christentum berufen. Wäre er Atheist gewesen, wäre das nicht passiert. Wenn man schon nicht so weit gehen will zu behaupten, Gewalt und Christentum gehörten zusammen, so lässt sich doch feststellen: Gewalt und organisiertes Christentum schlossen sich bis heute so gut wie nie aus. Papst Pius XII. war die politische Einheit des Christentums und die Sicherheit seiner Dienerschar sogar wichtiger als die Bekämpfung der Konzentrationslager.

Und wenn du bedroht wirst?

Aber zurück zu dem scheinbar fundamentalen Gebot „Du sollst nicht töten“. Ich vernehme schon von allen Seiten das beliebte Scheinargument: „Christentum hin oder her, wenn deine Kinder von einem Terroristen angegriffen würden, wärst du dann auch noch radikaler Pazifist?“ Mit diesem Einwand musste ich mich schon mit 18 Jahren beim Thema Kriegsdienstverweigerung herumschlagen. Die Antwort ist sehr einfach, auch wenn sie ein wenig Differenzierungsvermögen verlangt: Es handelt sich in diesem und ähnlich gelagerten Fällen nicht um Töten mit Vorsatz, sondern um ein Schutzverhalten mit eventueller Todesfolge. Wer den Unterschied nicht erkennt, dem ist nicht zu helfen. Das „Du sollst nicht töten“ bezieht sich nämlich auch auf die innere Bereitschaft, oft den Wunsch oder sogar die Lust, seinen Mitmenschen zu vernichten.

Tödliche Lässigkeit

Interessanterweise gehört das „Du sollst nicht töten“ zum Glaubensrepertoire aller Weltreligionen. Und überall wurde diese Forderung korrumpiert, auch im angeblich rein friedlichen Buddhismus. Die – vermutlich – einzige Ausnahme bildet die Bahai-Religion. Das gerne von konservativen Politikern beschworene – und tatsächlich existierende – christliche Fundament unserer Gesellschaft hat also dafür gesorgt, dass so gut wie alle Menschen in Mitteleuropa dem Tötungsverbot zustimmen, aber eben auf die kirchlich lässige Art und Weise, nämlich: „Ja, also irgendwie ist das schon richtig, aber …“ Darüber muss niemand sonderlich nachdenken, auch die vielen Moslems nicht – vielleicht ist das ja ihr größter gemeinsamer Nenner mit den Christen –, denn so lässig denken eben die meisten über Mord und Totschlag, solange sie nicht selbst betroffen sind; folglich ist ein solches Denken richtig.

Flirten mit dem Krieg

Doch auch darüber hinaus bleibt die Frage: Warum ist das so? Warum können wir das „Du sollst nicht töten“ nicht ernst nehmen? (Kleiner Nebenaspekt dieses Umstands: Das staatliche Gewaltmonopol gibt es wahrscheinlich nur deshalb, weil unsere Tötungsbereitschaft offenbar gesetzlich eingedämmt werden muss.) Seit die letzten Weltkrieg-II-Teilnehmer unter der Erde liegen, gibt es in Deutschland nur noch Generationen, die „Krieg“ so wahrnehmen, als sei er ein Thema zur besten Sendezeit. In den öffentlich-rechtlichen Medien sind kriegsabschreckende Filmaufnahmen sogar tabuisiert. Auch die Privatsender folgen dem im Wesentlichen; man möchte nicht, dass jemand angesichts des gezeigten Grauens zu einem anderen Kanal zappt. Ist aber das Grauen des Krieges auf ein kindertaugliches Niveau herunterverharmlost – keine dokumentierten Mordszenen, keine offenen Wunden, abgetrennten Gliedmaßen, auslaufenden Gehirne –, dann verliert der Krieg in der öffentlichen Wahrnehmung seinen mörderischen Kern; dann können wir sogar ein bisschen damit flirten. Denn ist es nicht letztlich eine befreiende „Entladung“, wenn man all die Aggressionen, die man jahre- oder jahrzehntelang unterdrückt hat, endlich einmal loslassen kann, ja loslassen soll? Da kann es uns nur recht sein, wenn Krieg uns als etwas „Unschönes“, aber letztlich doch Notwendiges gezeigt wird, als ein Übel, das man nicht immer verhindern kann, bei dem man aber wenigstens auf der „richtigen Seite“ von Mord und Totschlag ist. Eine innere Zustimmung zum Totschlagen des Feindes ist in unseren Köpfen als jederzeit verfügbares Kulturmuster quasi vorprogrammiert und jederzeit abrufbar. Das war beim Korea- und Vietnamkrieg so, beim Pakistankrieg und beim Jugoslawienkrieg so, das war und ist beim Ukrainekrieg so und das wird auch beim Chinakrieg so sein, auf den manches bereits hindeutet.

Mörderisches Gewissensfundament

Ein zweiter, ähnlich relevanter Grund lässt sich am Beispiel der Israelis und Palästinenser (oder der Katholiken und Protestanten in Nordirland) verdeutlichen. Grundlage kriegerischen Tötens, von wem auch immer, ist das menschliche Denken, nämlich die Überzeugung: Ich habe Recht, mein Recht ist unantastbar, wer die Richtigkeit meines Rechts bezweifelt, ist mein Gegner; wer es bedroht, ist mein Feind und muss mit Gewalt zurückgeschlagen werden. Tote, und seien es Hunderttausende, sind der oft erwünschte, manchmal auch unvermeidliche Kollateralschaden. Das funktioniert überzeugend im Kleinen bei der Blutrache, das stabilisiert und fundiert das Gewissen jedes ordentlichen Terroristen, das funktioniert bei den Palästinensern und der israelischen Armee und natürlich auch bei Rüstungs- und Waffenlieferungsbeschlüssen, wohin auch immer. „Du sollst nicht töten“ ist eine veraltete Forderung; sie ist nicht industriekompatibel und folglich auch nicht up to date. Folglich ist ein Verbot der Waffen-, also letztlich Mordzulieferungsindustrie aus ethischen Gründen in Deutschland und anderswo undenkbar.

Krieg als Live-Event

Wer sich unsicher ist, ob er den Krieg nicht vielleicht doch für sinnvoll hält (interessanterweise gehört auch eine solche generelle Zustimmung zu den tabuisierten Gedanken), dem sei zum Beispiel das Video Traumatic and Combat Related Amputations zur Fortbildung empfohlen. Krieg findet nämlich nicht abstrakt auf Zeitungspapier, im Internet oder per Nachrichten im Fernsehen statt, Krieg ist das böseste Live-Event in Echtzeit. Deshalb sollte jemand, der das Führen eines Krieges unterstützt, ihn auch „live“ erleben dürfen. Er sollte sich persönlich an die Front begeben und mitkämpfen und ein paar junge Männer, Frauen und Kinder töten dürfen. Und dann, sofern er seinen Einsatz überlebt und der Krieg nicht dummerweise in einen Atomkrieg umgeschlagen ist, sollte der Kriegsunterstützer ein mehrwöchiges Praktikum in einem Lazarett absolvieren. Das wäre doch eine gute Grundlage für einen netten kleinen Erfahrungsbericht an seine Lieben zu Hause.

So seltsam es klingt: Die sauberste moralische Haltung nehmen Auftragskiller ein. Sie sind ehrliche Menschen, die, ohne Moral vorzuschützen, morden – wen auch immer –, solange die Bezahlung stimmt. Im Dienst der Wahrheit, oder weniger pathetisch formuliert: der Aufrichtigkeit zuliebe, sollten wir das fünfte der Zehn Gebote folgendermaßen vervollständigen: „Du sollst nicht töten, solange man es dir nicht anders befielt.“

Und eine Frage zum guten Schluss: Nehmen wir an, Sie hätten drei Söhne – oder Enkel oder Brüder ­–, welchen davon würden Sie an die Front schicken? Oder gleich alle drei? Und anders herum gefragt: Nehmen wir an, eine Mutter des Feindes hätte drei Söhne, welchen davon würden Sie töten? Oder gleich alle drei? Bob Dylan hatte schon 1964 die richtige Ahnung, als er sang:

I’ve learned to hate the Russians*
All through my whole life
If another war comes
It’s them we must fight
To hate them and fear them
To run and to hide
And accept it all bravely
With God on my side

* durch beliebige Nationalität ersetzbar

Wir sind die Guten. Wir essen Brot vom regionalen Biobäcker und trinken unser Wasser von Rhönsprudel. Wir kaufen keine gespritzten Kartoffeln, wir kaufen faire Rosen bei Lidl und wir fahren noch viel öfter Rad als die anderen; wenn wir zu Fuß gehen wollen, gehen wir wandern, und wir haben den Fernseher abgeschafft, weil uns der Mainstream soooooo auf den Geist geht.

Wir telefonieren mit Fairphone, wir beziehen grünes Gas von Lichtblick und Strom vom Dach, und wir fliegen nur selten oder gar nicht. Unsere Miele-Waschmaschine wäscht mit Regenwasser aus der Zisterne, unser Auto fährt mit Gas. Irgendwie sind wir schon ziemlich vorbildlich. Wir schicken unsere Kinder auf die Waldorfschule, wir kaufen nur Holzspielzeug und spenden an Weihnachten für Indigene. Wir lassen uns unsere Druckerpatronen, so grün wie möglich, von Memo schicken, und wir beziehen Biowein von einem Demeterhof in der Toskana.

Das kostet alles Geld, das wir uns mühsam erarbeitet haben und nachhaltig investieren. Wir beuten niemanden aus, sondern werden höchstens ausgebeutet oder beuten uns selber aus, und wir verheizen unser Gas bei niedriger Raumtemperatur. Wir schauen uns freches Kabarett an und auf Youtube schon mal Kaiser TV. Wir lesen weder den Spiegel noch den Stern, sondern Contraste und Zeitpunkt und hören den Greenpeace Podcast über Frieden, Krieg und Sicherheit im 21. Jahrhundert.

Wir sind die Guten. Würden alle so leben wie wir, dann wäre die Welt in Ordnung; jedenfalls Europa und die sonstige westliche Welt. Wenn der Rest des Globus nur aus unseren Fehlern lernen würde und nicht so dumm wäre zu meinen, jeden Tag warm duschen zu müssen, zweimal im Jahr Urlaub machen oder einmal im Monat schön vegetarisch essen gehen zu müssen. Oder eine Apotheke haben zu müssen gleich um die Ecke, und einen Hausarzt, eine Nanny und eine Sozialstation. Man muss sich auch keine Babynahrung kaufen in Angola, Belize oder Bangladesh; dort braucht man wirklich keinen Supermarkt, kein Schuhgeschäft, keine Biokosmetik und erst recht keinen Friseur. Man muss sich nicht unbedingt einen Computer kaufen oder einen Rasenmäher. Das alles macht nicht glücklich. Das wissen wir auch, aber wir sind’s nun mal gewohnt und können nichts dafür. Wir haben uns unseren Geburtsort nicht ausgesucht, da fühlen wir uns mit den Ärmsten der Welt vollkommen solidarisch. Es ist unser Glück, dass wir satt sind und Fastenkuren machen, und deren Pech, dass sie nicht wissen, wo sie am nächsten Tag Nahrung für ihre Kinder herbekommen.

Irgendwie ist das eben Schicksal; auch dass wir ein Krankenhaus haben und die, wenn sie Glück haben, einen Schamanen; dass wir Geld in die Forschung pumpen können und die Analphabeten sind; dass wir Geld auf dem Konto haben und die nicht mal wissen, was ein Konto ist. Dass wir hier einen öffentlichen Nahverkehr haben und die vierzig Kilometer zu Fuß gehen müssen. Dass es dort keine Arbeit gibt, weil ihr Land vertrocknet oder die Tiere verdursten, und wir hier für die nächste Lohnerhöhung streiken. Darum können wir es uns ja auch leisten, Kaffee aus fairem Handel zu kaufen und Demeter-Schokolade und Recycling-Klopapier. Wir können für die Umwelt kämpfen und schützen den Regenwald immer wieder mal und die Korallenriffe auch ein bisschen, solange es denen nicht zu warm wird. Wenn wir so wenig Geld hätten wie die, wäre alles noch viel schneller kaputt. Mit unserer Erfahrung und unserem technischen Know-how werden wir ihnen irgendwann einmal beibringen, wie Umwelttechnik funktioniert, wie man Häuser voll isoliert, damit man nur die Hälfte der Energie braucht. Wir werden ihnen auch zeigen, wie man Traktoren baut, die locker die Arbeit von hundert Menschen erledigen, solange es Bio-Diesel gibt, und wie man in nachhaltige Geldanlagen investiert, damit sie auch einmal zu den Guten gehören – in naher oder ferner Zukunft.

Von Stephan Josef Dick

Das offene Geheimnis der absichtslosen Absichtlichkeit ist ein Phänomen, das Du vielleicht kennst: Du suchst Deinen Schlüssel, Deine Brille oder Dein Handy. Du brauchst es unbedingt und findest es trotz größter Intensität nicht. Du kommst an einen Punkt der Verzweiflung, weil Du es so unbedingt haben musst. Nach diesem Punkt der Verzweiflung ergibst Du Dich Deinem Schicksal: “OK, jetzt ist alles in den Brunnen gefallen, es geht einfach nicht, ich kann nichts mehr daran ändern.” Du hast losgelassen – und indem Du es loslässt, ist es plötzlich da. Plötzlich liegt die Brille, der Schlüssel oder das Handy in Deinem Blickfeld.

Dieses Phänomen kann man 1 zu 1 auf Beziehungen oder geschäftliche Projekte übertragen: Wenn ich etwas unbedingt haben will, beispielsweise eine Idee für das kommende Wochenende oder ein aus meiner Sicht cooles Projekt – häufig sehe ich die rote Karte – insbesondere dann, wenn es mir wirklich wichtig ist.

Und wenn ich es dann loslasse, ist plötzlich etwas möglich, was vorher nicht möglich war. Meist sogar besser als erwartet.

Jetzt könnte man auf die Idee kommen, dass Loslassen die beste Strategie ist, etwas zu erreichen.

Doch was passiert wirklich: Du lässt los und es passiert – gar nichts.

Daher meine provokative Aussage: Es braucht beides!

Ich gehe für eine Sache und will das unbedingt und übe mich gleichzeitig darin, meinem Gegenüber [einer Person, Situation] eine wirklich freie Wahl zu lassen. Ich bringe klar und deutlich zum Ausdruck, was ich möchte und nehme gleichzeitig allen Druck raus, etwas erreichen zu müssen. Sprich, ich lasse die Erwartung, jemand müsse sich nach meinem Wunsch richten, los. Stattdessen vertraue ich darauf, dass es eine gute Lösung geben wird. Und das passiert – aber häufig anders, als mein Kopf sich das vorgestellt hat.

Häufig wollen wir durch Leistung, Aktion oder positive Worte überzeugen. Doch die meisten Menschen sind extrem sensibel dafür und lassen sich nicht durch unsere noch so gut getarnte Ansprache manipulieren.

Daher geht es darum, diese richtige Mischung herauszufinden. Mein Tipp: Beides voll. Voll wollen und dafür gehen und gleichzeitig voll loslassen!

Hört sich irgendwie paradox, scheinbar unmöglich an. Doch ich hab herausgefunden, dass es geht. Du kannst etwas wirklich wollen und es absolut loslassen und Dich dem Feld des Vertrauens überlassen – es auf eine Dir unbekannte Art passieren lassen: Geh dafür und lass es los.

von Peter Zettel

In einem Beitrag von Hans-Peter Dürr über „Bewusstsein und Verantwortung – Wir erleben mehr als wir begreifen“ schreibt er auf der ersten Folie, sozusagen als Einleitung: „Die revolutionären Erkenntnisse der Physik zu Beginn des 20. Jahrhundert führen zu einem neuen Welt- und Menschenbild. Moderne Physik ermöglicht den Brückenschlag zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und zu den Religionen.“

Ich habe den Beitrag nicht weitergelesen, weil ich an der Begriffsverbindung „ein neues Welt- und Menschenbild“ hängen blieb. Die weiteren Gedanken, mit denen ich mich an anderer Stelle schon oft beschäftigt habe, ließ ich einmal weg, denn die lenken schnell von dem Eigentlichen ab, ich verliere mich dann in technischen Überlegungen.

Zu Dürrs Prägung passt auch die Bemerkung von Anton Zeilinger, dass wir mittlerweile zwar sehr viel über die Welt der Quanten wissen, wir jedoch immer noch kein philosophisches Verständnis (meine Worte!) dafür haben. Was würden wir anders tun, würden wir die Erkenntnisse der modernen Physik wirklich ernst nehmen und unser Welt- und Menschenbild entsprechend ändern und nicht nur anpassen?

Würden wir dann eine Möglichkeit erkennen, wie wir ganz anders mit Konflikten umgehen können? Ich glaube definitiv ja. Mich erinnert das an Ueshiba Morihei und „sein“ Aikidō, das er zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte. Er erkannte, dass die Kunst der Samurai sinnlos und grausig war, jedoch akzeptierte er auch, dass es Menschen gibt, die andere angreifen. Aikidō ist die Antwort darauf, wie eine Verteidigung gegen Angreifer möglich ist, ohne sie besiegen zu wollen.

Die Samurai kämpften noch Mann gegen Mann, heute sind dem Aikidō entsprechende Möglichkeiten auf der wirtschaftlichen und politischen Ebene notwendig. Doch das setzt voraus, dass unser Welt- und vor allem unser Menschenbild stimmig ist. Ist es das nicht, können unsere Maßnahmen nicht funktionieren, solange die ihren Ursprung im falschen Denken haben.

von Peter Zettel

Die Mehrzahl der Menschen denkt in Bildern. Ohne das fällt es ihnen schwer, sich etwas „vorzustellen“. Also suche ich auch bei abstrakten Themen eine Bildersprache, um dem Bedürfnis nach Bildern gerecht zu werden. Wie etwa das Motorradfahren.

Doch da komme ich schnell an meine Grenzen, denn jemand, der nicht Motorradfahren kann, kann das nicht verstehen, Einfach, weil ihm die Erfahrung fehlt. Sie oder er kann es sich einfach nicht vorstellen. Oder wenn ich jemanden den Doppelspaltversuch erklären will. Die meisten sagen dann „Interessant!“, verstehen aber oft nicht, was das für sie bedeuten könnte.

Es ist ja aus der Geschichte bekannt, dass Visionen oft nicht das bringen, wofür sie einmal gedacht waren. Visionen sind letztlich ein Trick, denn es kommt letztlich auf die Emotionen an. Emotionen erzählen, was uns betrifft, was uns bewegt, was uns wichtig ist. Visionen projizieren gedachte Emotionen in die Zukunft. Sie erzählen davon, mit welchen Themen wir in die Zukunft aufbrechen oder aufbrechen wollen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass der andere identische Emotionen hat wie ich. Und da Emotionen eine Folge des Denkens sind, ändern sie sich auch schnell, sobald etwas zu dem bisher Gedachten hinzukommt. Das wiederum wirf für mich die Frage auf, ob es bei der Vorstellung von etwas tatsächlich um Emotionen geht – und nicht vielmehr um Propriozeption?

Propriozeption ist der Sinn für mich selbst, für die Position meiner Glieder und die Lage des Körpers im Raum. Sie wird ermöglicht durch bestimmte Rezeptoren in Muskeln, Gelenken und Sehnen, die das Gehirn permanent informieren und so ein Bild von mir selbst in mir entstehen lassen, das mir dann wiederum ermöglicht, mich zu bewegen oder anzuziehen.

Wenn ich Feldenkrais praktiziere, mache ich nichts anderes, als eine eingeschränkte oder nicht vorhandene Propriozeption meines Körpers dadurch zu korrigieren, dass ich beziehungsweise mein Gehirn über die Anleitung die Erfahrung mache, dass es auch anders und leichter geht. Das betrifft jetzt nur meinen Körper. Die Frage ist, ob es mit meinem Weltbild, meinem Verständnis von der Welt nicht genauso ist.

„Eigentlich“ ist das keine Frage, denn es ist ganz offensichtlich so. So, wie es eine körperliche Propriozeption gibt, gibt es auch eine geistige. Die aktiviere ich – wie die körperliche – nur durch eigene Erfahrung. Solange ich den Vorstellungen eines anderen folge ist das so wie im Fernsehen Fußball zu schauen und mich dabei ganz sportlich zu fühlen.

Gedanken eines anderen bleiben immer nur eine Vorstellung für mich und werden nie Realität, solange ich die dem Gedanken zugrundeliegende Erfahrung nicht selbst gemacht habe. Ohne es zu verifizieren wird es nie Realität für mich, was wiederum nichts anderes als Propriozeption im Geistigen bedeutet. Die Richtigkeit eines Gedanken zu bestätigen verlangt, dass ich es mir vorstellen kann und die Erfahrung dazu habe.

Ohne diese innere Erfahrung bleibt es ein Mystizismus.

Warum wir Natur und Gesellschaft neu denken müssen

Rezension von Bobby Langer

Worum geht es eigentlich? Ich spreche weder von Corona, noch vom Ukrainekrieg, noch von der Klimakrise. Ja, kann man von etwas anderem sprechen? Gibt es etwas Wichtigeres? Ja, nämlich die Ursache für Corona, für den Krieg und die Klimakrise. Wenn es so eine Ursache gäbe, wäre sie es nicht wert, beseitigt zu werden? Prio eins sozusagen? Genau darum geht es in Fabian Scheidlers Buch „Der Stoff, aus dem wir sind“.

Es geht buchstäblich um das „alles oder nichts“. Es geht um „die Ursprünge jener Illusion der Trennung, die tief in der westlichen Zivilisation verankert ist“, es geht um „Auswege aus der gegenwärtigen zivilisatorischen Sackgasse“. Und weil Scheidler durch und durch Journalist ist, kann man dieses Buch auch lesen, ohne Sekundärliteratur zu studieren oder nach fünf Seiten einzuschlafen. Das liest sich dann zum Beispiel so: „Wenn ich einen Apfel esse, dann verwandelt mein Stoffwechsel ihn nicht nur in neues Leber- und Hautgewebe, sondern auch in Gedanken, Träume und Empfindungen. Der Apfel verbrennt zu Geist, zu Gefühl. Was ist das für eine seltsame Substanz, die zugleich Stoff und Nichtstoff, Innen- und Außenwelt, tot und lebendig ist?“ Weiterlesen

Hannah Arendt erschien es ganz einfach. Angesichts der kleinbürgerlichen Mörder des Nationalsozialismus war die „Banalität des Bösen“ deutlich erkennbar. Seither ist ihre Erkenntnis tausendfach wiederholt und auf alle Bösewichte der Geschichte angewendet worden.

Statt dieser Litanei eine weitere Strophe hinzuzufügen, möchte ich mich lieber dem scheinbaren Gegenteil zuwenden, der Banalität des Guten, die ein befreundeter Philosoph kürzlich erwähnte. Sie kommt dann am schnellsten zustande, wenn es zur Identifikation einladende Stellvertreter gibt, Weiterlesen