Die Wandelbewegung ist trans-politisch und trans-ideologisch

Welcher Wandel ist gemeint?

Was ist das, Wandelbewegung? Welcher Wandel ist gemeint und wohin will er sich bewegen? Fragen, die man oft hört, verwendet man den Begriff. Im Englischen ist der gemeinte Wandel geläufiger unter dem Begriff Transition, bekannt geworden durch das von Rob Hopkins 2006 in Totnes/England begonnene Engagement der Transition Town oder auf Deutsch: Stadt im Wandel. Akteure dieses Wandels nennen sich Change-maker – Wandelbeweger mit mehr als tausend Transition-Initiativen in 50 Ländern der Erde.

Im übertragenen Sinne ist der Wandel die Verwandlung von der Raupe zum Schmetterling. Aus einer Metamorphose entfaltet sich das Neue. Wandel ist das unumstößliche Gesetz der Natur: Alles ist im steten Wandel und nichts bleibt, wie es ist. Evolution, bei der die besten Eigenschaften weitergegeben werden, um sich veränderten Natur- und Umweltbedingungen anzupassen und auf Veränderungen so zu reagieren, dass die eigene Person, eine Gruppe oder eine ganze Art überleben kann. Biologisch ist der Begriff Wandelbewegung eher weniger gemeint und wenn, dann allenfalls im weitesten Sinne, dass die Menschheit sich Gedanken machen muss, wie sie die von ihr geschaffene, lebensbedrohliche Situation überleben kann.

Den Kollaps verhindern und ein nachhaltiges System des Zusammenlebens finden

Jeden Tag sehen und hören wir es in den Medien: Klimawandel, Artensterben, Luftverschmutzung, Trinkwasser-Knappheit, Dürre, vergiftete Nahrungsmittel, Plastik-verseuchte Meere, usw. Wir gehen mit der Erde um, als könnten wir uns im Internet einfach eine neue bestellen, wenn die alte verbraucht und kaputt ist.

Die meisten haben sich an die Zerstörung gewöhnt. Sie nehmen sie als unausweichlich hin und schauen, dass sie für ihr Leben noch das Beste rausholen, bevor alles vorbei ist. Diese Egozentrik ist wahrscheinlich die Hauptursache, dass es soweit kommen konnte. Wenn eine Generation aufhört, an die nachfolgenden Generationen zu denken, und sich nicht mehr für eine lebenswerte Welt ihrer Nachkommen stark macht, ist das kulturhistorisch jene Dekadenz, die seit jeher Kulturen und Zivilisationen in den Untergang trieb. Viele sagen einfach: Der natürliche Gang der Dinge. Kann man nichts machen. Einfach noch die letzten Tage genießen.

Zum Glück denken und handeln nicht alle so, sonst wäre die Zerstörung schon viel weiter vorangeschritten. In den 80er Jahren, als Wälder starben, Flüsse vergiftet waren und die Katastrophe von Tschernobyl Europa heimsuchte, wähnte man sich dem Kollaps schon sehr nahe. Damals wurde einiges unternommen, um das Ruder noch einmal herumzureißen. Der kalte Krieg war eine zusätzliche Bedrohung. Man glaubte sich unmittelbar vor einem Atomkrieg. Das war eine reale Gefahr. Hunderttausende gingen auf die Straße, um die Gesellschaft aufzurütteln. Die Grünen kamen erstmals in den Bundestag. Friedensarbeit und ökologisches Denken sickerten in die Mitte der Gesellschaft. Als schließlich die Mauer fiel und der kalte Krieg beendet schien, schliefen Friedensarbeit- und ökologisches Engagement wieder ein.

In diesem Taumel der Freude etablierte sich mehr und mehr der Neoliberalismus, der die geöffneten Grenzen als Chance sah, ein weltweites Imperium des Geldes aufzubauen. Es gab keinen ernst zu nehmenden Widerstand mehr. Der Kommunismus hatte als Staatsform verloren und der westliche Kapitalismus galt als Sieger. Unter einem demokratischen Deckmantel eroberten sich die Global Player ein Land nach dem anderen, ohne Rücksicht auf die Folgen. Der Kapitalismus ist zügellos geworden und stürzt die Welt mehr und mehr in ein Chaos. Dieser scheinbar unaufhaltsamen Entwicklung stehen viele ohnmächtig und resignierend gegenüber. Die meisten haben Hoffnung aufgegeben, dass sich jemals noch etwas zum Guten wenden könnte. Der Kollaps scheint besiegelt und wir haben noch ein paar Tage Zeit, kräftig auf dem brodelnden Vulkan zu tanzen, bis wir alle in einem großen Feuerwerk in die Geschichte katapultiert werden.

Die Wandelbewegung sät Hoffnung

Gibt es einen Ausweg? Müssen wir den Niedergang als unabänderlichen Lauf der Geschichte akzeptieren oder haben wir die Chance, die Krise als Aufbruch in ein neues Zeitalter der Menschheit zu begreifen? Die Lage ist fast hoffnungslos. Jeden Tag mehren sich die apokalyptischen Meldungen. Kriege, Massenflucht, Naturkatastrophen und das weltweite Wiedererwachen des Fachismus. Woran soll man da noch glauben, insebsondere die junge Generation? 

Diese Situation gilt es zu wandeln. Die Wandelbewegung will sich nicht damit abfinden. Seit Jahrzehnten sind ihre Akteure damit beschäftigt, den ökologischen, sozialen und ökonomischen Kollaps zu verhindern, aus der Einsicht heraus, dass die Menschheit ein anderes System des Zusammenlebens auf diesem Planeten finden muss, eines das im Einklang mit der Natur und ihren Geschöpfen steht. Um ein solches System zu erreichen, das erkannte man in den 80er Jahren, bedarf es vor allem eines inneren Wandels, um eine Weltgesellschaft der Gewalt in eine friedliebende Weltbevölkerung zu transzendieren. Viele Akteure der Friedensbewegung gingen in sich, bekämpften nicht mehr im Außen, was sie als Bedrohung sahen, sondern wollten in sich Frieden schaffen, wollten selbst das werden, was sie in der Welt da draußen erreichen wollten. Spiritualität galt als Ausweg aus der Misere.

Jetzt stehen wir an einem Punkt der Geschichte, an dem Innenweg und Außenweg ineinander münden müssen, an dem menschliches und beherztes Handeln gefragt ist. Nicht blinder Aktionismus, sondern zielgerichtete Verantwortung. Spiritualität ist ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil im Cocktail des Wandels. Doch sie darf allgemein nicht dazu führen, dass wir uns selbstbezogen auf unser persönliches Glück reduzieren. Dies wäre eine ähnliche egozentrische Haltung wie sie den Neoliberalen vorgeworfen wird. Das Ergebnis ist das selbe: Die nachfolgenden Generationen werden im Stich gelassen und erhalten eine zerstörte Welt. Wir alle müssen geerdete Verantwortung übernehmen. Spiris, Ökos, Kommunisten, Kapitalisten und Anarchos. Jeder für sich selbst und gleichzeitig für die Sache, in der Nachbarschaft, global. Nur gemeinsam schaffen wir den Großen Wandel. Einzelkämpfer und Einzelpioniere müssen ihre Kräfte zusammentun und bündeln, sonst enden sich auch nur im Burnout. Einer allein kann das nicht schaffen. Wir müssen den Strang finden, an dem wir alle gemeinsam ziehen können.

Der Begriff der Wandelbewegung umfasst demzufolge alle Strömungen und Initiativen, die sich der großen Herausforderung stellen, den globalen Wahnsinn zu transformieren. Die unterschiedlichsten Anstrengungen, ob auf ökologischer, spiritueller oder humanistischer Ebene, haben das selbe Ziel: eine bessere Welt. Der Traum ist so alt wie die Menschheit. Doch nun haben wir in einer globalen Welt ungeahnte Möglichkeiten, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Diese Möglichkeiten aufzuzeigen, zu praktizieren und zu lehren, ist die Triebkraft der Wandelbewegung. Sie ist trans-politisch und trans-ideologisch auf eine gesunde und menschliche Lebensweise gerichtet. Sie spaltet und polarisiert nicht. Sie ist lösungsorientiert und Konsens schaffend.

Es ist Zeit, dass alle Segmente dieses Wandels das begreifen, damit sie Verbindungen miteinander eingehen und ihre Erfahrungen miteinander zu zukunftsweisenden Synergien verknüpfen. Spiritualität, Menschlichkeit und ökologische Nachhaltigkeit verbinden sich zu einer gemeinsamen Kraft: Der Wandelbewegung.

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